Den Satz von June Clark und Norma Lang (1992) “If we cannot name it, we cannot control it, finance it, research it, teach it, or put it into public policy.“ kann man nicht nur bei Georg (1997:153) lesen, sondern bei vielen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Pflegeinformatik. Zu Deutsch heißt es: „Wenn wir es nicht benennen, können wir es nicht kontrollieren, finanzieren, lehren oder in die öffentliche Politik bringen.“
In dieser empirischen Untersuchung geht es nicht darum, was die Pflegemitarbeiter(innen) benennen, sondern wie sie zur Pflegedokumentation eingestellt sind und welche Rückschlüsse sich dadurch evtl. auf die Qualität der Pflegedokumentation ergeben. Da sich die Qualität der Pflegedokumentation bereits durch den Einsatz einer Informationstechnologie
steigern lässt, werden die Einstellungen der Pflegekräfte zur Arbeit am Computer und zur Systemlösung und der damit verbundenen Zufriedenheit untersucht. Welche Vorteile und Erleichterungen die Informationstechnologie für die Pflegedokumentation bedeutet, wird bereits aus ihren Zielen ersichtlich. Die Informationstechnologie bringt aber weit mehr als die unter den Zielen genannte Vorteile. Welche Vorteile die Pflegemitarbeiter(innen) für sich nützlich finden oder wo eine Informationstechnologie eher hinderlich empfunden wird, zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchung. Es wird durch die Ergebnisse auch deutlich, wo Wissenslücken zur Pflegeinformatik zu schließen sind und wo Unzufriedenheiten mit der Systemlösung bestehen. Wobei die Unzufriedenheit nicht immer auf eine schlecht funktionierende Software zu führen ist, sondern auf die Wünsche und Einstellungen der Anwender.
In dieser Arbeit geht es um die Einstellungen der Pflegemitarbeiter(innen) zur IT-gestützten Pflegedokumentation. Für den verwendeten Titel dieser Arbeit wurde sich an Stelle Titels „EDV-gestützten Pflegedokumentation“ entschieden, da die Elektronische Datenverarbeitung nur ein Teil der gesamten Informationstechnologie ist. In der Literatur zur Thematik der Pflegeinformatik wird noch häufig der Begriff „EDV-gestützte Pflegedokumentation“ oder „Rechnergestützte Pflegedokumentation“ verwendet. Warum gerade dieses Thema ausgewählt wurde, wird im nächsten Teil dieses Kapitels beschrieben.
„Wenn ich am PC arbeiten wollte, hätte ich mich nicht für den Beruf der Altenpflegerin entschieden, sondern für eine Bürotätigkeit.“ (Buchner, Franz, 1999:102) Solche Bemerkungen hört Franz in den ersten Unterrichtsstunden der EDV-Schulungen immer wieder. Ähnliche Aussagen kennt sicherlich jeder von seinen Kolleg/innen, der in einem Pflegeberuf tätig ist. So fallen einem auch Unterschiede im Umgang und in der Motivation zum Umgang mit dem PC auf.
In einer Fortbildungsveranstaltung, welche durch uns Studierende zum Thema „Teamarbeit im Gesundheitswesen“ durchgeführt wurde, nannte ein Teilnehmer die EDV als Verbesserungsvorschlag bei Dokumentations- und Kommunikationsproblemen im Team.
Bei einer anderen Veranstaltung, in der die Ergebnisse einer Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit vorgestellt wurden, wurde ebenfalls als Verbesserungsvorschlag die IT-gestützte Pflegedokumentation genannt. Denn in der stationären Einrichtung, in der die Veranstaltung stattfand, nimmt die handschriftliche Dokumentation, nach den Mitarbeiterangaben, zu viel Zeit in Anspruch, die dann für den Bewohner fehlt. Bei Vorstellung des Verbesserungsvorschlags der Mitarbeiter bei dem Pflegedienstleiter, nannte dieser eine IT-gestützte Pflegedokumentation als eher problematisch, da es Technik ist, die den Mitarbeiter/innen zugemutet werden muss und Formulierungs- und Rechtschreibprobleme wären dann in der IT-gestützten Pflegedokumentation genau ersichtlich. Dabei „führ(t) die Rechnerunterstützung zur Verbesserung und zur Unterstützung des Pflegeprozesses“. (Mahler, 2002:1)
Während eines Praktikums innerhalb des Studiums bei einem Softwarehersteller, welcher nicht der Kooperationspartner dieser empirischen Untersuchung ist, wurden in Gesprächen mit Kunden ebenfalls immer wieder verschiedene Einstellungen und Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer und einer Systemlösung deutlich. Daher wurde entschieden eine empirische Untersuchung zu den Einstellungen der Pflegemitarbeiter(innen) zur IT-gestützten Pflegedokumentation durchzuführen.
Der Einsatz der Pflegedokumentation wurde schon 1863 von Florence Nightingale gefordert, mit den Worten: „>>In attempting to arrive at the truth, i have applied everywhere for information, but in scarcely an instance have i been able to abtain hospital records fit for any purpose of comparison. If they could be obtaines they would be enable us to decide many other questions besides the one alluded to. They would show the subscribers how their money was being spent, what good was really being done with it, or whether the money was not doing mischief rather thand good.<<”
“(<<Bei meiner Suche nach der Wahrheit habe ich an allen erdenklichen Stellen um Informationen ersucht, es war mir aber so gut wie nie möglich, Krankenberichte zu erhalten, die zum Zweck des Vergleichs getaugt hätten. Wenn solche Berichte verfügbar wären, dann könnten wir viele Fragen beantworten. Diese Berichte würden den Geldgebern zeigen, wie ihr Geld ausgegeben wird, wie viel Gutes tatsächlich getan wird oder ob mit ihrem Geld mehr Unfug als Gutes gemacht wird<<).“ (Eichstädter, Schrader, Ammenwerth, 2003:17)
Im heutigen Pflegealltag ist „(d)ie Pflegedokumentation (…) ein wesentlicher Bestandteil der klinischen Dokumentation. Sie begleitet den gesamten Pflegeprozess.“ (Ammenwerth, 2000:219) Die Pflegedokumentation sollte nicht nur in der Klinik, sondern in allen Pflegeunternehmen ein wesentlicher Bestandteil der Dokumentation sein. Mit der Pflegedokumentation sollte der gesamte Pflegeprozess mit seinen Phasen dokumentiert werden. Um aber diesen Prozess dokumentieren zu können, bedarf es des Wissens über diesen und dessen Akzeptanz von den Pflegenden.
In der Langzeitpflege kommt der Pflegedokumentation eine besonders hohe Bedeutung zu. Obwohl den meisten Pflegekräften bewusst ist, wie notwendig eine Pflegedokumentation ist, wird sie „meist nur als Leistungsnachweis und zur rechtlichen Absicherung“ genutzt. (Garms-Homolova, Niehörster, 1997:10) Die Aufgaben welche die Pflegedokumentation hat, sind Funktionen, wie die Dokumentation, Information, Kontrolle und Disposition. Auf diese einzelnen Funktionen wird im dritten Kapitel näher eingegangen.
„Die Dokumentation kann (…) wichtige Planungsdaten für das Management etwa über den Ressourcengebrauch, Personal- und Zeitaufwand liefern.“ (Schrader, 2000:727) Aber auch valide Daten für die Pflegeforschung lassen sich aus der Pflegedokumentation generieren. Häufig gebrauchte Daten werden jedoch oft mehrfach dokumentiert, da diese in extra angefertigten Bögen oder Formularen dokumentiert werden müssen. Ein Beispiel für die doppelte Dokumentation ist die 1992 gesetzlich eingeführte Pflege-Personalregelung (PPR). „Diese führte in vielen Häusern zu der Einführung von speziellen Formblättern wenn nicht sogar zur Einführung von Systemen zur rechnergestützten Erfassung dieser Pflegestufen.“ (Schrader, 2000:727) Obwohl diese gesetzliche Regelung zur Pflegepersonalberechnung 1997 wieder abgeschafft wurde, wird sie doch in vielen Krankenhäusern weitergeführt. Pflegeheime hingegen berechnen ihren Personalbedarf mit einem Personalschlüssel. Dieser ist durch §5 der Heimpersonalverordnung geregelt.
Obwohl in den 90er Jahren noch überlegt wurde, ob sich die Pflege überhaupt mit EDV befassen soll, wird diese immer häufiger als Informationsmedium eingesetzt. (vgl. Schrader, 2000:728) Wobei die EDV nur ein Teil der gesamten Informationstechnologie einer Einrichtung darstellt. Trotzdem wird die Hauptaufgabe der Pflege, nämlich „der Pflegeprozess, nur in einigen Pilotprojekten, die oft eher experimentellen Charakter haben, durch den Einsatz von IT unterstützt.“ (Schrader, 2000:727).
„Eine Grundvoraussetzung rechnergestützter Pflegedokumentation ist die Vereinheitlichung und Standarisierung der verwendeten pflegerischen Fachsprache.“ (Mahler, 2002:2) Gibt es im Unternehmen keine einheitliche Pflegefachsprache können Kataloge aus gleichen oder ähnlichen Fachbereichen herangezogen werden. So lassen sich sicherlich Kataloge von geriatrischen Stationen auch in Pflegeheimen anwenden. Wichtig und hilfreich ist die Vereinheitlichung der Fachsprache, wenn später unternehmensübergreifende Auswertungen durchgeführt werden sollen. (vgl. Ammenwerth et al, 2000:3) Aber auch Listen und Statistiken, welche ebenfalls für Auswertungen herangezogen werden können, lassen sich flexibel mit der Informationstechnologie erstellen. Um die verwendete Pflegefachsprache zu vereinheitlichen stehen den Einrichtungen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. So kann z.B. um die Pflegefachsprache an einen internationalen Klassifikationskatalog anzugleichen, die ICNP (International Classifikation of Nursing Practice) benutzt werden. Wobei die ICNP nicht die einzige Möglichkeit ist, die pflegerische Fachsprache zu klassifizieren und damit zu...