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Finanzsystementwicklung und volkswirtschaftliche Wechselwirkungen

AutorJohannes Thens
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783638038713
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich VWL - Geldtheorie, Geldpolitik, Note: 2,3, Universität zu Köln, 270 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat die Finanzsystementwicklung große Bedeutung und seit Jahren werden Projekte in diesem Bereich durchgeführt. Zweck dieser Arbeit ist eine Annäherung an Wirkzusammenhänge und Handlungsfelder dieser Aktivitäten, wobei ein theoretischer und wirtschaftshistorischer Ansatz gewählt wurde. Es wird die Finanzsystementwicklung in einem Wirtschaftsraum und deren Wechselwirkungen auf die Realwirtschaft untersucht. Dies erfolgt zunächst in einer theoretischen Darstellung und wird dann anhand des historischen Ablaufs in Deutschland nachgezeichnet, mit dem Ziel allgemeingültige Zusammenhänge herauszuarbeiten. Zunächst wird der Finanzsektor als solcher untersucht. Dafür werden die Theorien von Alexander GERSCHENKRON und Daniel VERDIER zur Herausbildung von Bank-Based und Market-Based Financial Systems herangezogen. Am Beispiel Deutschland werden dann beide Ansätze hinsichtlich ihres Beitrags zur Erklärung der Universalbanken-Entstehung im deutschen Bank-Based Financial System geprüft. Anschließend wird der weitere, umfassendere Rahmen analysiert. Hier stehen die Wechselwirkungen des Finanzsystems von und auf die Gesamtwirtschaft im Mittelpunkt, mit dem Schwerpunkt auf dem volkswirtschaftlichen Wachstum. Dabei werden zunächst die volkswirtschaftlichen Funktionen des Finanzsystems dargelegt und die Wachstumswirkungen in ihren Mechanismen modellhaft erklärt. Hierbei wirkt sich das Finanzsystem sowohl auf die Kapitalakkumulation, als auch auf den technischen Fortschritt aus. Danach werden die Rahmenbedingungen für eine effiziente Funktionsfähigkeit des Systems diskutiert. Am Ende steht erneut der Vergleich mit den Gegebenheiten in Deutschlands historischer Entwicklung.

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Leseprobe

3. Wechselwirkungen mit der Realwirtschaft: Systematisierung der Betrachtung


 

a. Die volkswirtschaftlichen Funktionen des Finanzsystems: Wachstumswirkungen der Finanzintermediäre


 

Nach der Analyse der Finanzsysteme werden nun die Wechselwirkungen mit der Realwirtschaft betrachtet. Zunächst wird dabei mit einem funktionalen Ansatz der Zusammenhang analysiert und anschließend in Kapital 4 die Frage nach den unterschiedlichen Wirkungen von Bank-Based und Market-Based Financial Systems auf die Realwirtschaft gestellt, also eine Synthese aus Kapitel 2 und 3 unternommen.

 

Im Mittelpunkt der Analyse steht das Wirtschaftswachstum, also die trendmäßige Zunahme des realen Sozialproduktes[212] und nicht ein allgemeinerer Begriff der Entwicklung[213], denn Entwicklung würde laut Kitchen die Betrachtung der Verteilung mit einbeziehen.[214] Es wird bei der Analyse davon ausgegangen, dass Wachstum zur Armutsreduktion (direkt und indirekt) beiträgt, was empirisch nachgewiesen ist.[215]

 

Der Zusammenhang von Finanzsystemen und Wachstum ist in mehreren Phasen betrachtet worden. Nach einigen frühen und vereinzelten Ansätzen z.B. von Schumpeter[216] kam es in den 70er Jahren zu einer ersten ausgeprägten Diskussion, die sich vor allem um „financial repression“, Zinspolitik und Entwicklungsbanken drehte.[217] Es wurde sich in dieser Zeit vom klassischen „money doesn`t matter“ gelöst.[218] Der empirische Befund des Zusammenhangs von entwickelten Finanzsystemen und Wachstum war eindeutig. Fraglich blieb, ob das Wachstum kausal auf das Finanzsystem zurückzuführen ist („supply-leading“-Ansatz) oder der Entwicklung folgt („demand-following“-Ansatz).[219]

 

In der neuen Diskussion seit Mitte der 90er Jahre[220] wird die kausale Wirkung kaum noch bestritten.[221] Bis zu 20% des Wachstums[222] wird dem Finanzsystem in Ländervergleichen zugeschrieben[223], obwohl das Finanzsystem nur die notwendige, stimulierende Bedingung für Wachstum ist.[224] Die aktuelle Diskussion, wie auch diese Darstellung, verwendet einen funktionalen Ansatz zur weiteren Analyse und keinen institutionellen, intermediären oder systematischen Ansatz[225], weil die makroökonomischen Funktionen des Finanzsystems für die Volkswirtschaft betrachtet werden sollen. Grundsätzlich benötigen realwirtschaftliche Reaktionen länger als finanzwirtschaftliche Anpassungen. Somit müssen Zeitverzögerungen und langfristige Anpassungsprozesse beachtete werden.[226]

 

In Abwandlung des Ansatzes von Levine (1997) werden folgende Funktionen unterschieden:

 

- Transaktions- und Zahlungsverkehrs-Funktion

 

- Innovations- und Finanzierungs-Funktion

 

- Informations- und Kontroll-Funktion

 

- Kapitalgenerierungs- / Einlagenmobilisierungs- und Sammlungs-Funktion

 

- Risikomanagement-Funktion

 

Transaktions- / Zahlungsverkehrs-Funktion von Finanzsystemen:

 

Ein vertrauenswürdiges und effizientes Zahlungsverkehrssystem ist eine notwendige Vorraussetzung für Wirtschaftswachstum, denn es erhöht die wirtschaftliche Interaktion, ermöglicht mehr Diversifikation, verbessert den Umlauf des Geldes und verbessert die Bedingungen für das Finanzierungsgeschäft.[227] Die Existenz einer Geldwirtschaft und die damit einhergehende Finanzsystementwicklung ermöglicht durch seine monetären Preise eine höhere Vergleichbarkeit und Effizienz im realwirtschaftlichen Güteraustausch. Damit wird eine dezentrale Entscheidungsfindung und marktbezogene Koordination befördert.[228] Je dichter das Finanzsystem ausgeprägt ist, desto effizienter ist es auch.[229]

 

Durch eine höhere Monetarisierung können Ressourcen besser aus Konsum, Hortung oder Naturalinvestition in innovativere und spezialisiertere Investitionen gelenkt werden.[230] Nach Schumpeter fallen in diese Kategorie auch die kurzfristigen Betriebsmittelkredite. Diesen und den Konsumentenkrediten misst er jedoch in der wirtschaftlichen Entwicklung keine Bedeutung zu.[231]

 

An Transaktionskosten werden folgende Arten unterschieden:[232]

 

- cost of measuring: Gemeint sind Kosten der Bemessung von Gütern und Transaktionen sowie der handelnden Akteure. Informationskosten werden gespart, da alle Güter in einer Recheneinheit dargestellt werden können. Die Anzahl der relativen Preise wird minimiert.

 

- cost of interpersonal exchange: Gemeint sind Kosten des Austauschs und der Kontrolle dieser Transaktion. Eine Geldwirtschaft spart gegenüber dem Naturaltausch Suchkosten, da die doppelte Koinzidenz der Wünsche nicht gegeben sein muss. Beim Naturaltausch müssen sich immer Partner finden, die jeweils das nachgefragte Gut anbieten können und das angebotene Gut nachfragen.

 

- cost of enforcement: Gemeint sind Kosten der Vertragsdurchsetzung bei Vertragsverletzungen.

 

- cost of ideological attitudes: Gemeint sind Kosten der ideologischen Einstellung und der Änderung dieser im Zeitablauf.

 

Die Einführung einer geldbezogenen Wirtschaft, z.B. in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern hat nicht ausschließlich positive Wirkungen. Durch das Halten von Geld wird Kapital der Wirtschaft entzogen (Geld-Hortung) und dieses Kapital steht damit nicht mehr für reale Investitionen zur Verfügung.[233] Dennoch ermöglicht eine Monetarisierung eine bessere intertemporale Aufteilung des Konsums, gemäß der permanenten Einkommens-Hypothese, und erhöht damit den Nutzen der Wirtschaftssubjekte.[234] Durch die Nutzung eines Finanzsystems mit seinen Transaktionsmöglichkeiten werden Ersparnisse nicht mehr in Wertgegenständen wie Gold o.ä. gesammelt, sondern in produktiveren Anlagemöglichkeiten angelegt.[235] Oder aber es wird mehr investiert als individuell möglich wäre, weil es mit den finanziellen Transaktionen nicht mehr die Beschränkung auf die eigene Kapitalbildung gibt.[236]

 

Nur durch eine höhere Transaktionseffizienz kann der Entzug von Kapital in Geld ausgeglichen werden und dafür bedarf es eines gewissen Maßes an Handel und Spezialisierung.[237] Somit erleichtert ein Finanzsystem durch seine Transaktionen eine verbesserte Arbeitsteilung in der Wirtschaft[238] und erhöht zugleich den Wohlstand einer Nation.[239]

 

Ebenfalls positiv wirkt sich bei der Monetarisierung der Beziehung die Abkehr vom Naturalzins zum Bankzins aus, da der Naturalzins in der Regel deutlich höher liegt.[240]

 

Modellhaft lässt sich die Wirkung einer Monetarisierung und damit die Transaktionsfunktion des Finanzsystems im Modell von Levhari/Patinkin[241] darstellen. Dort gibt es positive Wirkungen durch die vereinfachte und kostengünstigere Abwicklung von Transaktionen. Negativ wirkt sich jedoch der Entzug von Kapital zur Geldhaltung aus. Die Höhe der Kapitalintensität und damit des Outputs hängt davon ab, ob die positive Wirkung des Geldes in der Produktionsfunktion mehr wirkt, als die negative Wirkung des Geldes durch den Entzug von Kapital für Investitionen in eine Geldhaltung. In entwickelten und arbeitsteiligen Volkswirtschaften dürfte kein Zweifel an der größeren Relevanz der positiven Effekte bestehen, zudem kann eine größere Geldwirtschaft auch die wohlstandsfördernde Arbeitsteilung induzieren.

 

Innovations-[242] und Finanzierungs-Funktion von Finanzsystemen:

 

Banken haben die Schumpetersche Aufgabe, innovative Geschäftsideen herauszufinden und zu finanzieren.[243] Um dem Unternehmer zum Kauf der notwendigen Produktionsmittel ausreichend Kapital zur Verfügung zu stellen, bedarf es der Banken. Somit kommt es zu einer Verbindung zwischen Kredit und Durchsetzung des Neuen.[244] Die Finanzierung von Innovationen ermöglicht Wachstum durch Erweiterung der technologischen Grenze, also nicht durch Kapitalakkumulation, sondern durch technischen Fortschritt.[245] Das gilt für die Großindustrie genauso wie für das Kleingewerbe. Es gibt einen wichtigen technischen Fortschritt im Kleingewerbe, wenn dieser auch weniger spektakulär ausfällt.[246] Damit können Finanzsysteme die technische Entwicklung...

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