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E-Book

Performanz der Bild-Assoziation im Poetry Slam

Ansätze zu einer intermedialen Poetik

AutorKordula Marisa Hildebrandt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783638900898
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Philosophie und Philologie), 43 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Wissenschaftliche Untersuchungen über Poetry Slam sind noch an zehn Fingern abzuzählen, doch auf vorhergehende Abschlussarbeiten konnte hier Bezug genommen werden. In der Arbeit wird sich aus diesem Grund nicht in erster Linie mit einer Definition des Phänomens Poetry Slam befasst und auch nicht mit der Geschichte des Slam; das haben Boris Preckwitz und Stefanie Westermayr schon ausführlich getan. Es wird sich dem Poetry Slam als `Performance Poesie` angenähert und dabei die kommunikative Wechselwirkung zwischen Autor und Zuschauer oder umgekehrt und zwischen Zuschauer und Zuschauer untersucht. Zudem werden Bild-Assoziationen, die durch die performativen Einflüsse auf Dichter und Publikum wirken, dargestellt. Beim Dichter (beim Verfassen seines Textes) und beim Rezipienten (wenn er den vorgetragenen Text aufnimmt) wird durch Assoziation ein Bild im inneren Gedankenraum projiziert. Dieser Gedankenraum wird nach Gaston Bachelard `poetischer Raum` genannt. Durch den Vortrag auf der Bühne eröffnet sich ein poetischer Raum in den Köpfen des Publikums. Der Autor kann versuchen diesen Raum durch seinen Vortrag zu steuern und anhand des `Publikumsfeedbacks` erfährt er, ob ihm dies geglückt ist. Um der Thematik der Bild-Assoziation im Poetry Slam gerecht zu werden, wird sich mit Wahrnehmungs- und Imaginationsprozessen auseinandergesetzt sowie mit Performanz-Theorien. Zum einen ist Wahrnehmung subjektiv, es gibt aber auch Assoziationen, die Kollektivbilder hervorrufen und sich durch die Idee eines `kollektiven Bewusstseins` erklären lassen. Das Kollektive spiegelt sich auch in der gemeinsamen Identifikation der Akteure während einer Poetry Slam-Veranstaltung wieder, die durch die soziale Interaktion ausgelöst wird und dem Slam die gemeinschaftliche Struktur eines kulturellen Feldes verleiht. Die Vorstellung von einem kollektiven Feld wird mit Hilfe der `Habitus-Feld-Theorie` von Pierre Bourdieu veranschaulicht. Zur Performanz im Poetry Slam wird auf Ideen von Judith Butler und Erika Fischer-Lichte Bezug genommen. Aus diesen Grundgedanken entstanden weitere wichtige Aspekte zum Thema Poetry Slam, so dass die hier vorliegende Magisterarbeit in zwei Blöcke unterteilt wird.

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Leseprobe

1. `Slam Poetry`  

 

Was ist Slam? Slam ist 5-Minuten-Mimerei und du bist Dichter, Direktor und Darsteller in einer Person.       

 (Wehwalt Koslovsky)

 

Das auffälligste Merkmal der `Slam Poetry` stellt ihre Vielfalt dar. Aus diesem Grund ist es schwierig klar abzugrenzen, welche Literaturart `Slam Poetry` ist: „Was `slam-tauglich` ist, mag sich nicht ohne weiteres in eine griffige Definition packen lassen.“[17] In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff generalisiert, was der `Slam Poetry` allerdings nicht gerecht wird, aber den Forschungsüberblick und die Untersuchungen vereinfacht.

 

Zum anderen ist der Begriff `Slam` im deutschsprachigen Kulturraum nicht eindeutig definiert:

 

Der Begriff `Slam` findet im Sprachgebrauch der deutschen Subkultur-Szene verschiedene Verwendungen, die nicht immer klar voneinander getrennt werden und nicht selten auch im übertragenen Sinn von anderen aktuellen Strömungen wie `Pop-Literatur`, `Trash` oder `Social Beat` in Anspruch genommen werden.[18]

 

Im Vergleich zu den Lesebühnen, auf denen fast ausschließlich narrative Texte dargeboten werden, findet man bei einem Poetry Slam zusätzlich Lyrik, Wort-Kunst, Lautpoesie, Dada, Comedy, HipHop, `Beatbox`, `Freestyle` und Avantgardistisches; alles davon kann `Slam Poetry` sein. Marc Smith erkennt zudem so etwas wie einen eigenen Stil: “Slam slang. Every discipline has its own shorthand and jargon, and slam poetry is no different.”[19]

 

Ein eigener Stil lässt sich beispielsweise an einer `freien Sprachrhythmik` ohne vorgegebenem Versmaß oder Metrik festmachen. Dazu soll hier ein Auszug aus „Parole Slam“ von Timo Brunke als Beispiel dienen. Ko Bylanzky und Rayl Patzak geben eine Anweisung für das Lesen aus einer Poetry Slam-Anthologie anhand, die auch hier verfolgt werden kann: „Dieses (Gedicht) liest sich am besten laut!“[20]

 

Parole Slam

 

[…]

Wenn auf den Modeschaulaufstegen Models Mikrophone

   schwingen

und ihren Fotografen ungeschminkte Reden barsch zum

        Besten bringen

Wenn auf dem Hundesportvereinsparkplatz fünf

         Hundeherrchen unverbissen

Lockren Herzens um die Wette Herzen in den Kies

   reinpissen

Wenn auf der Bühne Oberstudienräte ihren Schülern

unterliegen

wenn hoch dotierte Literaten Speichel in die Lefzen kriegen

Ja, dann ist Slam!

 

[…]

Laden wir euch ein zum Essen, wenn ich meine Losung

        stemm`

Ich mich nicht hemm`

Mich nicht verklemm`

Euch überschwemm`

Es nicht eindämm`

Macht diese Jam

Mich auch plemplem

ahäm –

Was sag ich denn –

Ja, dann ist Slam![21]

 

Boris Preckwitz geht davon aus, dass „jeder gute Slam die volle Bandbreite an zeitgenössischer `Spoken Word-Literatur` [zu bieten hat].“[22] Phasenweise ist auch ein bestimmtes Genre besonders häufig vertreten. „Es gab mal `ne Zeit, da war Prosa sehr stark verbreitet. Da waren auf den Slams ca. 30% davon zu hören und Kurzgeschichten.“[23]

 

Eines jedoch steht fest: Die Regeln, die für jede Slam-Veranstaltung gelten, zwingen die Texte in ein lockeres Korsett. Doch erst durch sie wird ein Text zum Poetry Slam-Format. Smith stellt drei Regeln auf, die die `Slam Poetry` ausmachen:

 

Three Basic Rules[24]:

 

1.  Poem can be any subject and in any style.

2.   Each poet must perform work that s/he has created.

3.   No props[25].

 

Zusätzlich darf beim deutschsprachigen Slam kein Text zweimal innerhalb des Wettbewerbs an einem Abend gelesen werden und die vorgegebenen Zeiten (je nach Slam-Veranstalter zwischen fünf und zehn Minuten) müssen eingehalten werden.

 

Zweites Merkmal ist die Mündlichkeit. Denn man könnte anstatt der vorgetragenen Gedichte auch geschriebene Texte (zum Beispiel mit einem Beamer oder Overhead-Projektor) auf die Bühne projizieren. Ulf Geyersbach glaubt, ein Hörbuch wäre ein angemessenes Medium für die `Slam Poetry`.[26] Somit legt er den Schwerpunkt auf die Oralität, was sicherlich seine Berechtigung findet, er lässt dabei allerdings den Performance-Charakter des Slam außer Acht, der sich nicht nur im Veranstaltungsformat des Poetry Slam widerspiegelt, sondern auch in der `Slam Poetry`:

 

Slam poetry is performance poetry, the marriage of text and the artful presentation of spoken words on stage to an audience that has permission to talk back and let the poet performer know whether he or she is communicating effectively.”[27] “Performance is an art [...] that slammers take very seriously. It has its own brush strokes and shading and color – its own technique.[28]

 

Ein Slam Text erhält seine `wahre Natur` erst durch den Vortrag; also durch die Performance. Wenn er nur auf dem Papier steht, ist er nur halb vorhanden. Es gibt ihn folglich erst dann, wenn man ihn tatsächlich zu Gehör bringt; wenn er in irgendeiner Weise aufgeführt wird, wenn er also ein konkretes Erleben, auch einer Gemeinschaft von Leuten mit sich bringt. Durch die Performance wird der Text dann zu einem einmaligen Ereignis und erhält erst durch sie seine Präsenz. An einem anderen Tag kann dieser zum Beispiel in einem anderen Club vorgetragen werden, doch dann differieren Zeit, Ort, Publikum und der Autor ist in einer veränderten Gemütsverfassung. Der Text kann nicht ein zweites Mal auf dieselbe Art und Weise vorgetragen werden, da auch die Betonung und die Atmung des Performers anders sind und ebenso seine Bühnenpräsenz.

 

Steve Murays `Slam Poetries` werden in Hinsicht auf den Vortrag verfasst: „The poetry is written with the attention to read on stage.”[29]

 

Nora Gomringer trägt `Slam Poetry` sowie auch Lyrik vor und macht auch zwischen beiden einen Unterschied in der Performance: „Meine Lyrik ist gut bestückt, die funktioniert auch, aber so ein Slam Text, der [ist] viel lauter und [muss] viel mehr `Momentum` haben, meiner Meinung nach, für den Moment.“[30]

 

Texte von Slam-Autoren finden sich auch in Büchern und Anthologien, doch bewirkt der geschriebene Text ein anderes Rezeptionsverhalten als durch einen Poetry Slam ausgelöst und wirkt in gedruckter Form etwas `dilettantisch` und unvollkommen gegenüber seiner Performance.

 

In Buchform verliert das Gedicht an Spontaneität und „es gibt keinen Filter, wie bei jedem Buch zum Beispiel das Lektorat.“[31]

 

Ein weiteres Merkmal der `Slam Poetry` ist der Wettstreitcharakter:

 

Auseinander zu halten sind der `Poetry Slam` als literarisches Veranstaltungsformat (`competitive performance`), der `Slam` als literarische Bewegung (`slam family`) und die `Slam Poetry` als publikumsbezogene, wettkampfgerechte Form der `Performance Poetry`.[32]

 

Das Wettbewerbformat, das heute bezeichnend für den Poetry Slam ist, wurde von Marc Smith eher zufällig für seine „Green Mill-Show“ (in Chicago seit 1986) entwickelt:

 

But the slam did not start as a competition it did start as a marriage of poems with the art of performing them.

 

Frage: So how did the element of competition enter?

 

Antwort: Well, it was my fold, after the original show at the “Green Mill” – the original show was called the slam, it was a show that precedet the show at the “Green Mill”, it was really the roof of performance poetry. That show began two years before the “Green Mil Show”. [The “Green Mill Show” is a three hour show] and we did get the last 50 minutes and one night we thought fill this with let´s doing a competition. So it was actually an afterthought to do the competition. What was great at the competition was that it did work. Poeple came to see who will win. [...] What does happen now is that the competition makes poeple try harder and the cream does come to the top.[33]

 

Im deutschen Slam wird der Wettbewerb viel ernster genommen, als zum Beispiel in Amerika, wo sich der Autor stärker `vermarktet`. Poetry Slam erhält dort viel eher den Charakter eines abendfüllenden Events, das den Zuschauer unterhält.

 

Durch den Wettkampf stellt der Poetry Slam eine neue Präsentationsform von Dichtung dar, die von `etablierter` Dichtung abgegrenzt werden kann. Die Autoren sind folglich nicht nur `Dichter-Kollegen`, sondern auch Konkurrenten. Ein...

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