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E-Book

Panikstörung und Agoraphobie

Ein Therapiemanual

AutorSigrun Schmidt-Traub
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783840925399
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Panikstörung und Agoraphobie gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Die überarbeitete Auflage des Manuals erläutert das verhaltenstherapeutisch orientierte Vorgehen bei der Kurzzeitbehandlung von Angstpatienten. Der Leitfaden hat sich sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppentherapie bewährt und eignet sich besonders gut für eine Kombination der beiden Therapieformen. Nach der Beschreibung von Angststörungen werden angsttheoretische Grundlagen, neueste Erkenntnisse der internationalen Panikforschung sowie ein verhaltensmedizinisch orientiertes Entwicklungsmodell der Angst vorgestellt. In der Neuauflage wurden die aktuellen Änderungen zur Klassifkation der Störung im DSM-5 berücksichtigt und neue Erkenntnisse zur Epidemiologie sowie zur Ätiologie ergänzt. Anschließend werden praxisorientiert die acht Therapiebausteine dargestellt. Ein Schwerpunkt des therapeutischen Vorgehens liegt auf Methoden des Selbstmanagements. Neben kognitiven und konfrontativen Vorgehensweisen werden auch Techniken zur Beeinflussung der physiologischen und motorischen Ebene der Angst beschrieben. Zahlreiche Arbeitsmaterialien und leicht verständliche Informationen für Patienten, die zusätzlich auch auf der beiliegenden CD-ROM zum direkten Ausdrucken bereitstehen, machen das Manual zu einer wertvollen Hilfe bei der Behandlung von Angststörungen.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Kapitel 1 Psychiatrische Klassifikation von Angststörungen
  4. Kapitel 2 Annahmen zur Entstehung von Panik und Agoraphobie
  5. Kapitel 3 Hinweise zum therapeutischen Vorgehen
  6. Kapitel 4 Bausteine und Organisation des Angstbehandlungsprogramms
  7. Kapitel 5 Curricula der acht Übungseinheiten
  8. Kapitel 6 Ausführliches Fallbeispiel einer Frau mit hartnäckiger Agoraphobie
  9. Kapitel 7 Erfahrungen mit dem therapeutischen Leitfaden und Evaluation
  10. Literatur/Anhang/Sachregister
  11. CD-Inhalte
Leseprobe
Die Angstsymptome wechseln von Person zu Person . Typisch ist ein Beginn mit Herzklopfen, Schmerzen in der Brust, Erstickungsgefühl und/ oder Schwindel . Fast immer stellt sich daraufhin bei den Betroffenen, wie Darwins Fall zeigt, die Befürchtung ein, sie könnten schwer erkrankt sein, in Ohnmacht fallen oder sterben, die Kontrolle über sich verlieren oder durchdrehen (dysfunktionale Grundannahmen).

Nahezu drei Viertel der Symptome des Angstgefühls sind körperlich-vegetativer Natur und unterliegen nicht oder nur ganz wenig der willentlichen Kontrolle, da sie vom autonomen Nervensystem gesteuert werden (vgl . S . 46) . Das stärkt den Glauben vieler Angstpatienten daran, körperlich krank zu sein . Da sich viele Panikattacken nicht auf bestimmte Umstände oder eine besondere Situation beschränken, sind sie häufig auch nicht vorhersehbar . Spontan auftretende Panikanfälle werden in meist vorhersehbarer Weise mit bestimmten Situationen verknüpft (McNally, 1990) . Daraufhin steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffene Person künftig flüchtet oder Hilfe sucht .

In der Regel halten Panikanfälle längstenfalls bis zu 30 Minuten an . Meist dauern sie jedoch nur 5 bis 15 Minuten . Selten berichten Panikpatienten, dass ihre panische Angst 40 bis 60 Minuten andauert . Stundenlang anhaltende Angstzustände kommen bei generalisierter Angststörung vor: Die Angsterregung ist jedoch weniger heftig, weshalb diese Zustände zur besseren Unterscheidung als „Angstepisoden“ bezeichnet werden (Basoglu et al ., 1992) .

Kinder haben noch nicht die notwendige kognitive Reife, um ihre kognitiven und vegetativen Beschwerden bestimmten Gefühlen und Empfindungen zuordnen zu können (Bernstein et al ., 2006) . Deshalb wird Panik im Kindesalter selten diagnostiziert . 15 % der Befragten gaben im NCS (National Comorbidity Survey) an, über die gesamte Lebensspanne Panikattacken erlebt zu haben . 3 % der 8 .000 Befragten hatten im vergangenen Monat eine Attacke gehabt . Das Risikoalter für Panikerleben erstreckt sich von 15 bis 35 Jahren (Eaton et al ., 1994) .

1.4.2 Panikstörung

Eine Panikstörung wird diagnostiziert, sobald unerwartet spontane, nicht mit einem situativen Aus löser verbundene Panikzustände „aus heiterem Himmel“ wiederholt auftreten, gefolgt von der Befürchtung weiterer Panikanfälle über mindestens einen Monat hinweg, mit anhaltender Besorgnis über Begleiterscheinungen oder Konsequenzen der Panikanfälle oder mit deutlichen Verhaltensänderungen als Folge (DSM-5; APA 2013) .

Die Paniksymptome sind unter Kapitel 1 .4 .1 (Kasten, S . 17) aufgeführt . Intensive Furcht und panisches Erleben können sowohl im Ruhezustand als auch bei ängstlicher Erregung plötzlich ansteigen Es muss sicher sein, dass die Störung nicht Auswirkung eines Substanzmittels (Medikament oder Droge) ist (DSM-5) .

Panikstörung wird auch dann diagnostiziert, wenn über mindestens 4 Wochen oder länger auf wenigstens eine der Attacken entweder
• anhaltende Beunruhigung und die Befürchtung von weiteren Panikattacken oder Sorgen über die Konsequenzen der Panikattacken folgen
• oder signifikantes, unangepasstes Verhalten, das in Beziehung zu den Attacken steht (z . B . Vermeidung von Sport oder unbekannten Situ ationen), auftritt (DSM-5) .

Panikstörung wird diagnostiziert, wenn sich die Auffälligkeiten nicht besser mit einer anderen Angststörung erklären lassen, z . B . Angst vor gefürchteten sozialen Situationen wie bei sozialer Phobie; als Reaktion auf phobische Situationen oder Gegenstände wie bei spezifischer Phobie; als Reaktion auf negative Intrusionen wie bei Zwangsstörung; als Reaktion auf die traumatische Erinnerung bei Posttraumatischer Belastungsstörung oder auf Trennung von nahestehenden Personen wie bei Trennungsangst (DSM-5) .

In der Mehrzahl der Fälle beginnt die Panikstörung plötzlich mit höchst dramatisch erlebten Panikattacken; nur bei einigen kommt es allmählich zu heftiger werdenden Panikanfällen . Beginn und Verlauf sind ganz unterschiedlich . In einer eigenen kontrollierten Angststudie an 79 Panikpatienten mit und ohne Agoraphobie (SchmidtTraub et al ., 1995 und 1997) gaben 27 % der Panikpatienten an, ihre Panikanfälle brächen aus heiterem Himmel über sie herein . Bei 21 % begannen sie schleichend . 18 % meinten, ihre Panikstörung würde periodisch unter Stresserleben immer wieder auftreten und in ruhigeren Lebensphasen verschwinden . 24 % waren sich der auslösenden psychosozialen Belastungen bewusst . 10 % hatten einen besonders traumatisierenden Panikanfall nach der Einnahme von Drogen oder Medikamenten oder hatten häufig Unverträglichkeitsreaktionen . Nahezu 80 % der Befragten erlebten ihren ersten Panikanfall als erschütterndes Ereignis.

Der initiale Panikanfall hat demnach häufig eine traumatisierende Wirkung . Die Folge ist anhaltende Furcht vor einem erneuten Angstanfall . Besonders an „schlechten“ Tagen, an denen sich Panikpatienten psychophysiologisch unwohl fühlen, ist ihre Panikerwartung stärker (Basoglu et al ., 1992) . Panik entsteht leichter aus einem erhöhten Angstpegel heraus, dessen Ursache noch ungeklärt ist (Basoglu et al ., 1992; Margraf et al ., 1990; Marks, 1987) . In der Praxis berichtet die überwiegende Zahl der Panikund Agoraphobiepatienten, sie hätten vermehrt Angst am Morgen, ohne sich dies erklären zu können . Wahrscheinlich folgen Panikattacken einem zirkadianen Rhythmus (Basoglu et al ., 1992; Kenardy et al ., 1992) .

Infolge der größeren Akzeptanz von kognitiver Verhaltenstherapie und der besseren Information der Öffentlichkeit über Angststörungen kommen jetzt viele Panikpatienten sehr viel früher in Behandlung . Patienten mit unbehandelter Panikstörung und Agoraphobie über eine Dauer von 10 bis 25 Jahren sind seltener geworden . Auf Anraten von Hausärzten, Verwandten oder Bekannten, die ihre Angst erfolgreich überwunden haben, melden sich immer mehr Patienten bereits nach 6 bis 8 Wochen . Sofern der Therapeut seinen Kalender flexibel handhabt und diese Panikpatienten rasch aufnimmt, kann er ihnen oft bereits im Rahmen der probatorischen Gespräche ausreichend helfen .

Panikstörung in reiner Form tritt nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 bis 30% auf (Argyle, 1991; Basoglu et al ., 1992; Eaton et al ., 1994; Margraf et al ., 1990; Noyes et al ., 1992; Regier et al ., 1990, Wittchen et al ., 1995) . Spontane Panikzustände werden häufiger zu Hause ausgelöst (mehr Muße zum Grübeln?), sind aber vom Erleben her den situativen Panikattacken sehr ähnlich (Basoglu et al ., 1992) . Panikstörung und Agoraphobie treten oftmals komorbide auf: Gut 50% der Fälle von Panikstörung gehen mit Agoraphobie einher (Dick et al ., 1994; Eaton, 1994; Regier, 1990) . Agoraphobie gilt als Störung mit schwerwiegenderem Verlauf (Horwath et al ., 1995; Regier, 1990; Wittchen et al ., 1995) .

1.4.3 Agoraphobie

Während im DSM-IV mehr Gewicht auf der Bedeutung von Panikanfällen beim agoraphobischen Erleben liegt, wird im ICD-10 der agoraphobische Anteil für bedeutsamer gehalten (Ehlers et al ., 1994) . Die empirischen Befunde hierzu sind allerdings widersprüchlich (McNally, 1990; Noyes et al ., 1992) . Nach DSM-5 (APA, 2013, S . 217) ist das besondere Merkmal einer Agoraphobie die intensive Furcht oder Angst vor dem realen oder antizipierten Aufenthalt in einer breiten Auswahl von Situationen wie öffentlichen Transportmitteln, weiten Flächen, eingeschlossenen Räumen, Stehen in Schlangen und Menschenmengen oder alleine von zu Hause weg sein . Beim Erleben von Furcht und Angst haben Betroffene Gedanken, dass etwas Schreckliches passieren könnte . Die Furcht, Angst oder das Vermeiden ist anhaltend und dauert üblicherweise 6 Monate oder länger.

Agoraphobie ohne Panikstörung oder Panikattacken in der Vorgeschichte sind selten . Phobische Angst ohne Angstanfälle in der Vorgeschichte ist eine phobische Angst mit reduzierter, aber dennoch „panikähnlicher“ Symptomatik . Die Betroffenen befürchten, dass Angst vor unvorhersehbaren panikähnlichen Symptomen aufkommen könnte .

In Abhebung von der einfachen, spezifischen Phobie (vgl . S . 29) handelt es sich bei der Agoraphobie um ein generelles phobisches Syndrom (Argyle et al ., 1991), bei dem verschiedene phobische Ängste zusammen vorkommen .

Merke: Bei der Differenzialdiagnose von agoraphobischen Ängsten müssen Angstinhalte, Art und Häufigkeit der Panikattacken, Anzahl der gemiedenen Situationen und Angstintensitäten berücksichtigt werden. Außer der Situationsgebundenheit gibt es keine qualitativen Unterschiede zwischen Panikattacken und phobischen Angstanfällen.

Vermeiden: Vermeidungsverhalten ist ein Kernbegriff der Agoraphobie . Betroffene sehen ein, dass ihre Angstsituationen nicht wirklich gefährlich sind, außer, sie erleben gerade panische Angst . Infolge von Meidereaktionen werden sie immer stärker daran gehindert, sowohl ihren Verpflichtungen im Alltag nachzukommen, als auch das Leben zu genießen . Sie suchen nicht mehr alleine Orte auf, weil sie womöglich panikartige Angst in ihnen hervorrufen, und weichen öfters vor Situationen aus, die ihren Angstsituationen ähneln . Dadurch kommt es zu einer Ausweitung und Generalisierung der Angst . In Härtefällen wird das Haus nicht mehr alleine verlassen, öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr genutzt und überhaupt nicht mehr verreist . Die Folge ist eine enorme Einengung des persönlichen Bewegungsspielraums .
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis7
Vorwort11
Kapitel 1 Psychiatrische Klassifikation von Angststörungen14
Kapitel 2 Annahmen zur Entstehung von Panik und Agoraphobie43
Kapitel 3 Hinweise zum therapeutischen Vorgehen54
Kapitel 4 Bausteine und Organisation des Angstbehandlungsprogramms61
Kapitel 5 Curricula der acht Übungseinheiten66
Kapitel 6 Ausführliches Fallbeispiel einer Frau mit hartnäckiger Agoraphobie139
Kapitel 7 Erfahrungen mit dem therapeutischen Leitfaden und Evaluation145
Literatur/Anhang/Sachregister148
Anhang159
Sachregister169
CD-Inhalte173

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