Zum Glück gibt es Eltern
Zuerst wollte ich das Buch mit dem Glück von Mann und Frau anfangen. Aber auf dem Weg zum Glück in der Partnerschaft hält uns manchmal etwas auf. Vielleicht versuchen wir es mit Gewalt. die Beziehung zu retten. Müde vom Kampf halten wir dann inne und schauen zurück: Haben wir damals, als Kinder, etwas liegen gelassen, das wir jetzt brauchen, um weiter zu kommen?
Das Glück beginnt am Anfang, bei den Eltern. Gehen wir dahin zurück und schauen: Ist alles in Ordnung? Ja? Dann gibt uns allein schon das Schauen Kraft, und schon sind wir glücklicher! Nein? Dann müssen wir etwas in Ordnung bringen.
Für dieses „noch einmal zurückgehen“ reicht unser Verstand nicht aus, denn vieles ist so unbewusst vergraben – dafür brauchen wir Hypnose. Darum kommen speziell in diesem Kapitel mehrere märchenhafte Geschichten, die beim Lesen wie eine Selbsthypnose wirken und das Herz in der Bildersprache ansprechen.
Bitte nimm Dir beim Lesen Zeit an einem ruhigen Platz, wo Du Dich gut entspannen kannst. Du bist es wert. Lies diese Geschichten immer wieder, jedes mal werden tiefere Schichten in Dir erreicht und geheilt.
Dann nimmst Du das, was Dir zum Glück noch fehlte, mit. Es ist der Schlüssel, der Dir das Glück der Zukunft öffnet.
Festgehalten
Jemand hat mir mal erzählt: “Meine Mutter war oft krank. Aber manchmal war die Mutter gesund. Einmal saß ich auf der Eckbank, und die Mutter saß auf einem Stuhl mitten im Zimmer, und ich lachte sie an. Da war ich etwa 4 Jahre alt. Ich stieg auf das eine Ende der Eckbank und lief zur Ecke und darum herum und zum anderen Ende der Eckbank, und von dort sprang ich der Mutter auf den Schoss, und sie umarmte mich und wir lachten. Dann sprang ich herunter, lief wieder auf das eine Ende der Eckbank, und um die Ecke herum, und vom anderen Ende sprang ich wieder der Mutter auf den Schoß. Immer wieder. Es war so schön. Einmal sprang ich mit so viel Schwung auf ihren Schoß, dass der Stuhl zusammenkrachte und die Mutter und ich und die Teile des Stuhls alle zusammen auf den Boden fielen. Aber bei allem, was geschah, hat meine Mutter mich festgehalten. Ich war in ihren Armen sicher. Und wir lachten alle beide so richtig von Herzen. Da denke ich immer daran. Sie hat mich festgehalten.“
Im Leben dieses Jemand gab es später noch ein paar Abstürze. Aber immer wieder kam ihm diese Erinnerung: „Meine Mutter hat mich festgehalten.“
Du schaffst das
Ein Freund hat mir erzählt, er habe seine Mutter das letzte mal gesehen, als er zwei Jahre alt war. Sie war krank und ist dann im Krankenhaus gestorben. Seine letzte Erinnerung ist, als er mit ihr im Wartezimmer eines Arztes saß. Dann nahm der Arzt sie mit ins Sprechzimmer, und er schaute dabei den kleinen Zweijährigen an. In seinem Blick war eine Botschaft: „Du schaffst das.“ An diesen Blick musste der Mann immer denken, und das hat ihm Kraft gegeben, die ganze Zeit, bis er erwachsen war. Er hat es geschafft.
Das Glück in der Schuhschachtel
Manchmal besuchte ich einen Freund von mir, der aus Brasilien kam und der mit mir studiert hat. Als Studenten sind wir öfters umgezogen, und manchmal half ich ihm beim Umziehen.
Er hatte immer alles sauber in seinem Zimmer, er hatte schöne Möbel und Einrichtungsgegenstände, und auch auf seine Bücher gab er gut acht und sie waren ordentlich eingebunden. Nur eine Sache fiel mir auf: Jedes mal, nach jedem Umzug, in jedem der Zimmer die mein Freund bewohnte, bekam dieses Etwas einen Ehrenplatz, zum Beispiel in einem Regal in der Mitte, wo man es gut sehen konnte, oder oben auf dem Schrank.
Dieses Etwas war eine alte Schuhschachtel, die schon ganz abgegriffen war, dreckig und speckig, mit abgestoßenen Ecken und einem Riss. In dieser Schachtel war nichts. Ich sagte einmal zu ihm: „Warum wirfst Du diese alte Schuhschachtel nicht weg?“
Er wollte nichts dazu sagen. Erst später hat er mir erzählt, was für eine Bedeutung diese Schuhschachtel für ihn hat.
Mein Freund kennt seine Eltern nicht. Er weiß nur, was man ihm von ihnen erzählt hat. Er ist als neugeborenes Kind in einer Großstadt in Brasilien in dieser Schuhschachtel unter einer Autobahnbrücke gefunden worden. Er ist in einem Kinderheim und bei Pflegeeltern aufgewachsen.
Er hat lange darüber nachgedacht, wer seine Eltern sein könnten, und warum sie ihn in der Schuhschachtel ausgesetzt haben. Als Kind war er manchmal traurig, dass er nicht so wie andere Kinder bei seinen Eltern bleiben konnte.
Aber dann ist ihm etwas klar geworden: „Meine Eltern“, so hat er sich gesagt, „haben mich auf die Welt gebracht. Durch sie ist das Leben zu mir gekommen, in einem Augenblick der Liebe. Meine Mutter hat mich in ihrem Bauch getragen. Meine Eltern haben mir alles gegeben, damit ich da sein kann, und so wie sie es konnten, und das ist viel. Das ist mein Leben. Das bin ich. Und das haben sie in die Schuhschachtel gelegt. Mich. Mein Leben. Alles drin.
Andere liebe Menschen haben mir später das gegeben, was ich dann auch noch brauchte, um am Leben zu bleiben. Also halte ich diese Schuhschachtel in Ehren. Als Andenken an meine Eltern, und an das Große das ich von ihnen bekommen habe. Und natürlich auch zum Andenken an die, die sie gefunden haben.
Und ich halte mein Leben fest. Es ist etwas wert. Und ich mache etwas schönes daraus. Ich lebe es mit Liebe und gebe es weiter, an meine Frau und meine Kinder, und an Menschen, denen ich diene in meinem Beruf.“
So ist es auch. Mein Freund hat eine freundliche Ausstrahlung, hat eine glückliche Familie, und hat Erfolg in seinem Beruf. Er gibt viel an Andere weiter, was ihnen weiterhilft. Er ist richtig da auf dieser Welt.
Und ich bin froh, solch einen Freund zu haben, von dem ich so etwas lernen kann. Von keinem anderen Freund konnte ich das lernen. Jetzt, wenn ich ihn besuche, sehe ich die Schuhschachtel mit anderen Augen an. Ich weiß was drin ist!
Kambi das Kudu
Auf eine Farm in Afrika ist ein kleines Tier zugelaufen. Es war ein noch ganz kleines weibliches Kudu-Kitz. Ein Kudu ist so etwas wie bei uns ein Reh, nur viel größer: Erwachsen ist es so groß wie ein kleines Pferd, und hat wunderschöne spiralförmige Hörner. Aber dieses Kudu war klein, mager, ausgetrocknet, hilflos. Es war schon vor längerer Zeit von seiner Mutter getrennt worden. Es kam zu der Farm weil es da Geräusche hörte.
Die Farmerfamilie nahm es auf und ernährte es mit der Flasche. Es schlief auf der Terrasse beim Farmhaus unter einem Dach, und wuchs im Schatten großer Bäume auf dem Rasen auf, zusammen mit kleinen Katzen und ihrer Katzenmutter und mit Hunden.
Die Farm war eine Gästefarm. Oft kamen Touristen, sie wohnten auf dem Campingplatz nicht weit vom Haus. Alle streichelten die kleinen Katzen und das kleine Kudu. Es bekam den Namen Kambi, klingt wie Bambi, wie das kleine Reh im Film, aber mit K wie Kudu.
Kambi wurde größer, erst größer als die Katzen, dann größer als die Hunde, dann größer als die Menschenkinder. Kambi fand an manchem Gefallen, was es so zu essen gab, zum Beispiel Gras und Gemüse (anders als die Katzen und die Hunde), aber nicht nur. Kambi war anhänglich und lief den Leuten nach, fraß ihnen aus der Hand, stöberte in Kühlboxen und in Autos, wenn die offenstanden, und probierte alles aus. Wenn Leute auf dem Campingplatz beim Essen saßen, kam Kambi und bettelte. Langsam wurde Kambi aufdringlich. Manchmal fraß sie Dinge vom Tisch weg, alles, auch was sie nicht vertrug, sogar mit der Verpackung, zum Beispiel eine ganze Tüte Frühstücksflocken, mit der Tüte, ganz und gar. So ging es manchmal gar nicht anders - die Leute auf dem Campingplatz mussten Kambi vertreiben. Am besten ging das, wenn man Wasser auf sie spritzte. Kambi ging dann weg. Aber sie probierte es immer wieder...
Die Farmfamilie hoffte, dass Kambi Anschluss finden würde zu den Kuduherden, die auf dem großen Farmgelände wohnten, und manchmal ging Kambi auch weg und stöberte im Busch und auf den Hügeln, doch immer wieder kam sie zurück. Vielleicht war Kambi verwirrt. Meinte sie, dass sie eine Katze ist, oder ein Hund, oder ein Mensch?
Eines Tages kam Kambi aus dem Busch zurück und bekam ein Kind. Aber sie ließ es liegen und kümmerte sich nicht darum, und es verhungerte. Die Farmfamilie sah das Kind erst, als es schon gestorben war, versteckt im Busch. Das ganze passierte noch einmal, und ein drittes mal. Diesmal gelang es der Farmersfrau, das kleine Kudukind zu finden. Sie wollte es auch großziehen mit der Flasche. Das ging eine Weile gut. Aber Kambi passte nicht auf ihr Kind auf, und eines Tages fiel es ins Schwimmbecken und ertrank.
Ich war dort manchmal zu Besuch und kannte Kambi schon. Nur wusste ich nichts von ihren Kindern. Immer mehr fiel mir auf, dass Kambi seltsam traurig war. Ich fühlte um sie herum etwas wie eine dunkle Wolke, in der letzten Zeit.
Später erst erzählte mir die Farmfamilie, was geschehen war mit Kambi und mit ihren drei kleinen Kindern.
Noch später hörte ich, Kambi war gestorben. Sie hatte Kunstdünger gegessen.
Ich dachte lange über die Geschichte nach. Gibt es denn nicht so etwas ähnliches auch bei uns Menschen? Mütter, die ihre Kinder nicht richtig bemerkten und nicht so versorgen konnten, wie die Kinder es gern hätten. Manche Kinder sterben, manche überleben, aber tief in ihnen stirbt doch etwas in der Seele.
So kam mir eine Frage in den Sinn: Was sage ich zu jemandem, der auf seine Mutter böse ist, weil sie nicht für ihn da sein konnte, so wie er als Kind es gern gehabt hätte?...