KAPITEL 2
Kundenorientierung heißt Veranstalterorientierung
Sabine Renner und Peter Reichelt haben sich in einer Business-Lounge am Münchner Flughafen getroffen. Sabine kommt gerade von einem Drei-Tage-Seminar in Olching. Peter hat am Nachmittag einen Vortrag bei BMW gehalten und fliegt jetzt weiter zu einem Kongress in Zürich, wo er morgen Mittag reden wird. Sabine wirkt müde und hat sich einen Prosecco bestellt. Peter ist entspannt. Dank der Annehmlichkeiten seines Vielfliegerstatus macht ihm das Reisen nichts aus. Seinen Vortrag morgen muss er nicht vorbereiten. Es wird exakt derselbe sein wie heute.
»So ein Mist!«, rutscht es Sabine Renner heraus. Sie donnert ihren BlackBerry zurück in die Handtasche. »Auf den Bewertungsbögen haben die Teilnehmer überall nur ›sehr gut‹ angekreuzt«, sagt sie. »Trotzdem hat mir mein Auftraggeber die weiteren Seminare gerade abgesagt. Er hat sich die Bewertungen noch nicht einmal angesehen!«
»Wer ist denn der Auftraggeber?«, fragt Peter Reichelt.
»Irgend so ein Personalentwickler«, antwortet Sabine und macht eine abfällige Handbewegung.
Die meisten Trainer haben gelernt, ihre Seminarteilnehmer oder Coachingklienten zufriedenzustellen. Das ist kein Zufall. Und zunächst einmal auch gar nicht falsch. Trainer und Coachs sind schließlich so etwas wie Lehrer für Erwachsene. Lehrer möchten, dass ihre Schüler etwas lernen und Fortschritte machen. Auch Trainer freuen sich über den Lernerfolg ihrer Teilnehmer. Der Wunsch, mit Menschen zu tun zu haben und bei ihnen etwas zu verändern, hat sie ja oft gerade zu diesem Beruf geführt. Leider gerät bei manchen Trainern aus dem Blick, für wen sie wirklich arbeiten. Es ist für Trainer genau wie für Speaker enorm wichtig, zu unterscheiden, was ihre Leistung ist und für wen sie diese Leistung erbringen.
Für einen Trainer sind die Teilnehmer immer Gegenstand seiner Arbeit. Wenn die Teilnehmer den Stoff gelernt haben, ihn umsetzen können und dazu noch mit dem Ablauf des Trainings zufrieden sind, hat ein Trainer seine Arbeit gut gemacht. Aber sind die Teilnehmer auch seine Kunden? Kunde ist derjenige, der die Rechnung bezahlt. Das tun die Teilnehmer nur bei offenen Seminaren, für die sie sich selbst entschieden haben. Hier ist Teilnehmerzufriedenheit gleich Kundenzufriedenheit.
Der Trainermarkt besteht jedoch nur zu einem kleineren Teil aus offenen Seminaren. Die weitaus größeren Volumina von Trainings- und Coachingleistungen werden von Unternehmen für ihre Mitarbeiter eingekauft. Dann ist das Unternehmen der Kunde. Wenn die Seminarteilnehmer hier zufrieden sind, haben die Trainer zwar ihre Arbeit gut gemacht. Aber sie haben noch nicht notwendigerweise ihre Kunden zufriedengestellt.
Bei Rednern verlagert sich das Gewicht noch mehr. Wenn Sie nicht gerade vor 100 Partnern einer großen Unternehmensberatung sprechen, werden Ihre Zuhörer nie identisch mit Ihren Kunden sein. Selbst für die 100 Partner in dem genannten Beispiel gilt: Sie müssen zwar vielleicht gemeinsam für die Kosten Ihres Vortrags aufkommen. Aber sie werden nicht alle einzeln bei Ihnen angerufen und Sie gebucht haben. Hier gibt es einen Organisator. Und der will weder Stress haben noch sich vor den 99 anderen blamieren. Genügt es, wenn Ihr Vortrag bei den Zuhörern gut ankommt? Nein, das ist nur ein Teil Ihres Jobs. Sie müssen selbstverständlich eine spitzenmäßige Performance abliefern, die Ihre Zuhörer begeistert. Aber das ist nicht der einzige Aspekt der Kundenorientierung eines Redners.
Nehmen wir einmal an, Sie wären in der IT-Branche und wollten einem Mittelständler neue Computer verkaufen. Wie würden Sie beim Chef argumentieren? Würden Sie davon schwärmen, wie toll die Mitarbeiter das Design finden werden, wie sehr die neue Maus der Hand schmeichelt und wie leise die Laufwerke vor sich hin surren? Das sicher auch. Aber eher am Rande. In erster Linie würden Sie doch sicher über Kosteneffizienz, Sicherheit, Zuverlässigkeit sowie Service- und Supportleistungen sprechen. Kurz: Sie würden über das sprechen, was denjenigen interessiert, der Ihre Rechnung bezahlt.
Mit der Performance, die Sie als Redner verkaufen, ist es ganz genauso. Begeisterte Zuhörer sind Teil dieser Performance und damit Grundvoraussetzung für Ihren Erfolg. Begeisterte Kunden haben Sie aber erst, wenn auch derjenige, der Ihre Rechnung bezahlt, begeistert von Ihnen ist. Von dieser Begeisterung werden Ihre Performance und die Reaktion der Zuhörer immer nur ein Teil sein. Wirkliche Kundenorientierung fängt bei Speakern dort an, wo sie lernen, die Bedürfnisse ihrer eigentlichen Auftraggeber umfassend zu verstehen und auf sie einzugehen.
AUF DEN PUNKT
Der Kunde des Speakers ist immer der Veranstalter, nie das Publikum. Die Bedürfnisse des Kunden müssen umfassend verstanden und bedient werden.
Worin genau besteht der Nutzen, den Sie als Redner für das Unternehmen stiften? Welche Personen sind wichtig? Wer trifft die Entscheidungen, wer muss sonst noch unbedingt berücksichtigt werden? Wen sollte man in einem Unternehmen persönlich kennen? Wer muss mit ins Boot, damit immer wieder Spitzenhonorare fließen können? Topspeaker haben auf alle diese Fragen Antworten.
Warum eine Organisation Sie bucht
Das Zauberwort für Ihre Kundenorientierung lautet: Perspektivenwechsel. Haben Sie sich bisher als Trainer sehr viele Gedanken über Ihre Teilnehmer gemacht, so machen Sie sich nun die meisten Gedanken über Ihre Kunden. Lernen Sie die Unternehmen und die verantwortlichen Entscheider besser kennen. Hierzu sollten Sie sich erst einmal die größeren betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge klarmachen. Warum holen Unternehmen überhaupt externe Experten ins Haus? Dies sind die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Gründe, warum ein Unternehmen Sie ins Haus holen könnte:
Das Wissen ist in der Organisation schlicht nicht vorhanden. Niemand hat Ahnung von einem Thema, das als wichtig und dringend erkannt wurde. Der Experte kommt ins Haus, um einen Überblick zu liefern.
Das Wissen ist zwar vorhanden, aber die eigenen Leute haben keine Zeit, es ihren Kollegen nahezubringen. Oder die didaktischen Fähigkeiten sind nicht da. Einen Experten zu engagieren, der die Inhalte vermitteln kann, spart Zeit und Geld.
Das Wissen ist vorhanden, jedoch ist der Veranstalter der Meinung, dass der Prophet im eigenen Lande wenig Gehör findet. Deshalb sucht man sich einen externen Experten, in der Hoffnung, dass dieser wirkungsvoller sein kann.
Die Organisation will den frischen Blick von außen. Meistens sind die Auftraggeber dann weitsichtige Manager, die wissen, wie schnell ein Unternehmen in Routinen erstarrt. Sie wollen ihre Leute regelmäßig wachrütteln und neu aktivieren. Dazu suchen sie Experten, die auch Querdenker sind.
Es ist keine Vision mehr da. Das Unternehmen funktioniert zwar noch und macht Umsätze, aber mit Innovationen sieht es schlecht aus. Gute Manager spüren auch diese Gefahr früh. Von externen Experten erwarten sie Ideen und Anstöße für Innovationen.
Die Motivation der Mitarbeiter ist auf dem Tiefpunkt. Das kann zum Beispiel nach Massenentlassungen, Fusionen und Übernahmen, größeren Restrukturierungen oder einem plötzlichen Umsatzeinbruch der Fall sein. Schlechte Stimmung kann ein Unternehmen gänzlich in den Abgrund ziehen. Hier ist ein Mutmacher gefragt.
Manager wollen die Mitarbeiter bewusst mit einer völlig anderen Weltsicht konfrontieren. Dieser Ansatz ist radikaler und deshalb auch seltener als der Wunsch nach einem frischen Blick von außen. Doch eine Reihe von Managern schwört darauf, durch harte Konfrontation mit ungewohnten Standpunkten neue Energien freizusetzen.
Manager wollen den Mitarbeitern kontroverse Themen nicht selbst vermitteln. Wer sich als Chef zu weit aus dem Fenster lehnt, bekommt Ärger. Deshalb wird ein Sprachrohr für die eigenen Ansichten gesucht. Über den Redner dürfen sich die Mitarbeiter gern aufregen, denn er ist nach dem Vortrag wieder weg. Der Chef hat sein Risiko abgewälzt.
Manche Veranstalter sind gezwungen, immer wieder Veranstaltungen für Mitglieder zu organisieren. Viele Verbände – die ja auch häufig Gelder von den Mitgliedern bekommen – organisieren jährliche Treffen. Dabei kommt es oftmals gar nicht mehr auf spezifische Inhalte, sondern einfach auf eine gelungene Veranstaltung an, damit der Veranstalter in guter Erinnerung bleibt und die Mitglieder geneigt sind, sich weiterhin zu engagieren.
Wenn Sie sich diese Liste anschauen, wird zumindest den Älteren unter Ihnen auffallen, wie sehr die Zeiten sich geändert haben. Wissen vermitteln, Visionen entwickeln, Mitarbeiter motivieren und unangenehme Wahrheiten verkünden sind eigentlich klassische Aufgaben von Managern. Die Unternehmen haben jedoch in den letzten Jahrzehnten immer mehr Führungspositionen abgebaut. Vor allem im mittleren Management. Auf den...