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Du machst mir nichts vor

So entschlüsseln Sie jeden Gesprächspartner

AutorMarco Löw
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783644539815
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die einfache Methode, Menschen zu durchschauen. Marco Löw verrät bislang geheim gehaltene Techniken zur Entschlüsselung jedes Gesprächspartners. Er zeigt, wie wir unsere Wahrnehmung so schärfen können, dass wir Dinge erkennen, die man uns eigentlich vorenthalten will. So können wir Lügen aufdecken, Manipulationen entlarven und gleichzeitig verhindern, dass man unsere eigenen Absichten erkennt. Wer seinen Gesprächspartner durchschaut, wird sowohl beruflich als auch privat besser und effizienter kommunizieren, Fehlentscheidungen vermeiden, seine Ziele leichter erreichen und durchsetzungsfähiger sein.

Marco Löw, Jahrgang 1975, durchlief im Polizeidienst verschiedene Stationen bei Schutz- und Kriminalpolizei und avancierte zum gefragtesten deutschen Verhörspezialisten. Er war darüber hinaus Ausbilder in Vernehmungstechnik, bevor er 2010 seine Beamtenlaufbahn aufgab und sich als Seminaranbieter, Berater und Redner selbständig machte. In seinen Seminaren und Vorträgen begeistert er die Teilnehmer mit dem von ihm entwickelten Gesprächsführungssystem. Löw ist regelmäßig als Referent und Keynote-Speaker bei Veranstaltungen der deutschen Wirtschaft zu Gast und tritt in Radio und Fernsehen auf.

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Leseprobe

Flucht – wenn nachzugeben klüger ist, als anzugreifen


Die Flucht als Ausweg aus einer bedrohlichen Situation wird meist dann gewählt, wenn die Bedrohung übermächtig ist und ein Angriff die sichere Niederlage bedeuten würde. Stellen Sie sich vor, Sie werden in einer U-Bahn-Station von fünf alkoholisierten Halbstarken bedroht, die ganz offensichtlich auf Streit aus sind. Wenn Sie nicht gerade eine Spezialausbildung im Nahkampf absolviert haben, sollten Sie es nicht mit einer Gruppe aggressiver junger Männer aufnehmen. Da ist es klüger, das Weite zu suchen.

In Alltagsgesprächen geht es glücklicherweise weit weniger gewalttätig zur Sache, dennoch kommen die Prinzipien der Ur-Instinkte auch hier zum Tragen. Denn Diskussionen mit dem Partner, Verhandlungen mit Geschäftspartnern oder auch Besprechungen mit Kollegen können dafür sorgen, dass sich ein Teilnehmer bedroht fühlt – sei es, weil seine Argumentationskette ins Wanken gerät, sein Verhandlungsziel in weite Ferne rückt oder Druck auf ihn ausgeübt wird.

Wie äußert sich der Fluchtinstinkt konkret? Was sagt uns sein Auftreten über unseren Gesprächspartner? Und wie kann man ihn zum eigenen Vorteil nutzen?

Empfindet Ihr Gegenüber eine Aussage, Feststellung, Frage oder ein Argument von Ihnen als Bedrohung, auf die er instinktiv mit Fluchtverhalten reagiert, ist dies für den geschulten Beobachter wahrnehmbar. Denn auf der körpersprachlichen Ebene spiegeln sich gemäß des Carpenter-Effekts (vgl. Seite 251ff.) Gedanken in bestimmten Bewegungen wider. Man spricht in diesem Zusammenhang von ideomotorischen Bewegungen, die sehr subtil ablaufen, aber durchaus sichtbar sind, so wie kleinste Fingerbewegungen oder ein unwillkürliches Kopfnicken. Ein weiteres Beispiel sind Augenbewegungen: Werden wir in einer Gesprächssituation mit Vorwürfen konfrontiert, würden wir häufig am liebsten den Raum verlassen und verschwinden. Dieser Gedanke kann dafür sorgen, dass unser Blick dann kurzzeitig zur Tür wandert oder wir unbewusst unsere Füße in diese Richtung drehen.

Auch die Bitte, die Toilette aufsuchen zu dürfen, ist oft Ausdruck des Fluchtinstinkts. Und zwar nicht nur, weil man sich der Situation entziehen und sich buchstäblich aus dem Staub machen möchte, sondern, weil man tatsächlich Harndrang verspürt. Der evolutionäre Hintergrund: Mit leerer Blase läuft man schneller! Was also in grauer Vorzeit über Leben oder Tod entscheiden konnte, beispielsweise bei der Flucht vor einem wilden Tier, ist bis zum heutigen Tag instinktiv in uns verankert.

Dieses Phänomen ist auch der Grund, warum viele Menschen vor einem Auftritt o.Ä. noch einmal dringend zur Toilette müssen: Die meisten sind nervös oder haben Angst, vor Publikum z.B. eine Rede zu halten. Am liebsten würden sie der Situation entfliehen – und der Gang zur Toilette ist vorprogrammiert.

Ein klassischer, im Gegensatz zu anderen ideomotorischen Bewegungen recht offensichtlicher Hinweis auf den Fluchtinstinkt ist auch der Blick auf die Uhr, verbunden mit dem Satz «Ich muss jetzt dringend los». Häufig hat der Betreffende gar keinen Termin, sondern will einfach auf diese Weise der unangenehmen Situation entfliehen.

Was verrät uns nun der Fluchtinstinkt über unseren Gesprächspartner? In erster Linie wissen wir dann, dass er das Gespräch, Teile des Gesprächs oder uns selbst als Bedrohung oder zumindest als sehr unangenehm empfindet. Darüber hinaus teilt uns der Gesprächspartner unbewusst mit, dass er die Bedrohung als überlegen ansieht und ein Gegenangriff in Form einer verbalen Attacke für ihn nicht in Frage kommt.

Zunächst muss man nun analysieren, was konkret bedrohlich auf den Gesprächspartner wirkt. Ist es Ihre Person an sich oder vielmehr eine Äußerung oder Frage von Ihnen? Spielt sich die Bedrohung auf der Beziehungsebene oder auf der Sachebene ab? Ein wertvoller Indikator ist hierzu der bisherige Verlauf des Gespräches. Wenn das Gespräch bisher spannungsfrei und in einer guten Atmosphäre verlief, Ihr Gegenüber plötzlich bei einer bestimmten Frage oder einem bestimmten Thema aggressiv, ängstlich oder schockiert reagiert, dann liegt der Schluss nahe, dass nicht Sie persönlich, sondern der Kontext diese Reaktion ausgelöst hat.

Wenn die Gesprächsatmosphäre hingegen von Anfang an angespannt war und der Gesprächspartner Ihnen nicht auf Augenhöhe oder mit Respekt begegnet ist, dann liegt offenbar ein Problem auf der Beziehungsebene vor, das sich durch den weiteren Gesprächsverlauf und weitere Fragen einfach zunehmend aufbaut. Die Frage ist also: Geht es um Persönliches oder um Argumente, die als überlegen wahrgenommen werden?

So kann ein Gespräch zwischen einem Teenager und seinen Eltern auf der Beziehungsebene völlig reibungslos ablaufen, weil Eltern und Kind sich gegenseitig lieben und ein harmonisches Verhältnis zueinander pflegen, bis die Frage nach dem Erfolg beim anderen Geschlecht aufkommt. Selbst wenn das Verhältnis zu den Eltern auf der Beziehungsebene gut ist, ist das Thema Sexualität für Jugendliche auf der Sachebene häufig peinlich und unangenehm.

Haben Sie mit Hilfe der besprochenen Vorgehensweisen die Ursache für das Fluchtverhalten Ihres Gesprächspartners herausgefunden, ist dies eine Information, die Sie der Entschlüsselung Ihres Gegenübers einen Schritt näher bringt. Wichtig dabei: Sie müssen die Verhaltensweisen Ihres Gesprächspartners immer im Kontext betrachten, also in Abhängigkeit von der Aussage oder der Frage, welche diese Reaktionen ausgelöst haben – nie isoliert davon! Haben Sie erst einmal festgestellt, wie Ihr Gesprächspartner auf bestimmte Fragen, Aussagen oder Themen reagiert, dann fragen Sie weiter, warum er gerade bei diesen Fragen so reagiert. Hier gilt es zu entscheiden, ob Sie direkt oder indirekt nachfragen möchten; beide Optionen haben Vor- und Nachteile. Wenn Sie Ihren Gesprächspartner direkt darauf ansprechen, können Sie dadurch das Gespräch dominieren und Ihren Gesprächspartner zu Festlegungen und Konkretisierungen auffordern. Beispielsweise mit folgenden Fragen: «Mir fällt auf, dass du immer ausweichst, wenn wir zum Thema XY kommen, warum tust du das?» Darauf muss er dann entweder eine Begründung liefern, oder er streitet ab: «Das tue ich doch gar nicht!» In diesem Fall haken Sie nach: «Gut, dann würde ich jetzt gerne wissen …» Der Nachteil dieser Methode ist natürlich der verschenkte Überraschungseffekt, weil der Gesprächspartner dann auch Sie besser einschätzen kann und fortan vielleicht vorsichtiger argumentiert. Geht es Ihnen erst einmal darum, möglichst viele Informationen zu erhalten, sollten Sie einfach so tun, als hätten Sie die Auffälligkeit nicht wahrgenommen, und einfach weiter um den kritischen Punkt herum Fragen stellen. Wenn Sie aber auf eine oder zwei Fragen konkrete Antworten haben möchten, ist die direkte Art nachzufragen meist die bessere Option. Die Beispielsfragen für den Fluchtinstinkt können Sie auch genauso auf den Angriffsinstinkt ummünzen. «Mir ist aufgefallen, dass du dich immer aufregst/aggressiv wirst, sobald wir auf das Thema XY kommen, warum tust du das?»

Sie wissen nun nicht nur, was Ihr Gegenüber als Bedrohung empfindet und warum, sondern auch, wie er auf eine Bedrohung reagiert. Denn jeder Mensch besitzt individuelle, sich wiederholende Verhaltensmuster. Haben Sie diese einmal kennengelernt, können sie Ihnen, auch wenn sie nur subtil sind, als wertvolle Verräter in Sachen Gemütszustand des Gegenübers dienen.

Nehmen wir an, sein Fluchtverhalten äußert sich stets durch ideomotorische Bewegungen des Auges in Richtung Ausgang. Mit Hilfe dieser Information sind Sie in der Lage, nun auch zu einem anderen Zeitpunkt des Gespräches zu erkennen, wann sich Ihr Gegenüber bedroht fühlt. Wann immer sein Blick in die entsprechende Richtung wandert, können Sie sicher sein, dass Ihr Gesprächspartner insgeheim einer Bedrohung ausweichen möchte: Hat er sich mit seiner letzten Aussage vielleicht auf dünnes Eis begeben und nicht die Wahrheit gesagt? Oder verbergen sich hinter seinem Fluchtverhalten weitere «Leichen im Keller»? Denkbar wäre zum Beispiel die Angst vor Bestrafung oder die Angst vor Gesichtsverlust. Sicher ist, dass Sie auf eine Schwachstelle in seinem Kommunikationsverhalten gestoßen sind. Diese Schwachstelle gilt es wie besprochen kommunikativ auszunutzen, denn sie bietet optimale Ansatzpunkte für Ihre weitere Gesprächsstrategie.

Übung

Treffen Sie sich mit einem guten Freund, und unterhalten Sie sich eine Weile unbefangen. Lenken Sie dann das Gespräch auf ein Thema, von dem Sie wissen oder vermuten, dass er es als unangenehm empfindet. Es sollte sich dabei jedoch nicht um ein Tabuthema oder eine für den Freund emotional schwierige Angelegenheit handeln – Sie möchten sicherlich weder Ihren Freund verprellen noch einen Angriff seinerseits provozieren. Übertreiben Sie es also nicht. Wenn Ihnen nichts Passendes einfällt, dann denken Sie einfach an Charaktereigenschaften oder Einstellungen, die sich von seinen unterscheiden: So könnten Sie einen Macho auf ein Gleichberechtigungsthema ansprechen oder eine Feministin auf das konservative Rollenbild der Frau.

Ziel der Übung ist es, ein instinktives Fluchtverhalten hervorzurufen. Beobachten Sie sehr genau Gestik, Mimik und Körperhaltung des Gegenübers, und merken Sie sich die jeweiligen individuellen Reaktionen.

Wiederholen Sie dies in leicht abgewandelter Form, also mit derselben Person an einem anderen Tag und zu einem anderen Thema. Versuchen Sie nun, in den Reaktionen ein Muster festzustellen....

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