Der Aufbau des Buches
Im ersten Kapitel wird beschrieben, was Krebs genau ist und wie er sich im Körper ausbreitet. Dabei werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse so erklärt, dass sie auch ohne medizinische oder biologische Vorkenntnisse zu verstehen sind. Krebs ist faszinierend und gleichzeitig extrem gefährlich. Unter den Krankheiten ist er die Raubkatze. Die Mechanismen seiner Entstehung hat man seit 1980 immer klarer entschlüsselt, und besondere Fortschritte hat es gerade in den letzten fünf Jahren gegeben. Trotzdem hat sich die Prognose beim fortgeschrittenen Krebs bisher kaum verbessert. Weshalb das so ist und wann bzw. ob wir mit einem Durchbruch rechnen können, wird ausführlich erörtert. Im Grunde ist Krebs eine genetische Krankheit, bei der jene Gene verschleißen, die das Zellwachstum antreiben und bremsen. Dieser Verschleiß kann durch Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht beschleunigt sein, aber er findet ebenso im Körper eines vollkommen gesunden Menschen statt.
Im zweiten Kapitel werden die neuesten Behandlungsmöglichkeiten von Krebs beschrieben. Auf der Grundlage des Wissens über Krebs, das in den letzten Jahren geradezu explodiert ist, sind neue Therapien entstanden, die man als sogenannte gezielte Therapien bezeichnet. Während Chirurgie, Bestrahlung und Chemotherapie gesunde wie kranke Zellen treffen und nur beschränkt auf den Tumor selbst gelenkt werden können, richten sich die gezielten Therapien auf jene genetischen Eigenschaften, die nur die Krebszellen aufweisen. Wenn dies vollständig gelingen würde, könnte man mit der gezielten Therapie den Krebs komplett beseitigen, ohne die gesunden Zellen zu beschädigen. Leider ist es oft so, dass der Krebs seine Gene gegen diese gezielten Angriffe sehr gut schützt, indem er sie etwa im Kampf gegen die Behandlung weiter verändert. Die gezielte Therapie ist daher wie ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Tumor und Medizin. Die Medikamente, die in der ersten Generation der gezielten Therapie entwickelt wurden, im Wesentlichen seit Beginn dieses Jahrtausends, sind die sogenannten Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) und die Antikörper gegen Krebs. Wie sie wirken und welches Potenzial sie haben, wird mit vielen Beispielen im zweiten Kapitel dargestellt. Leider mit dem Ergebnis, dass sie das Leben oft nur um wenige Monate verlängern, weil der fortgeschrittene Krebs sehr schnell Wege findet, ihre Wirkung auszuschalten. Häufig kommt der Krebs noch aggressiver und mit geballter Kraft zurück. Im gleichen Kapitel soll auch die zweite Generation der gezielten Therapie vorgestellt werden, die Immuntherapie, die seit 2011 einen Durchbruch zu schaffen scheint. Von ihr geht heute die mit einigem Abstand größte Hoffnung im Kampf gegen den Krebs aus, weil sie entgegen jeder Erwartung weit fortgeschrittene Tumore, auch den besonders gefährlichen schwarzen Hautkrebs, in einigen Fällen offenbar heilen konnte. Es überlebten Patienten für mehr als zehn Jahre, die ohne diese Behandlung nach nur wenigen Wochen gestorben wären. Die wichtigsten Fakten dieser Medikamente, die als Checkpoint-Inhibitoren (CKI) bezeichnet werden, sollen erläutert werden – wie sie wirken, wann sie in Deutschland auf den Markt kommen, für welche Krebsarten man sie erwarten kann und wie sie mit den anderen gezielten Therapien kombiniert werden. Die gezielten Therapien der ersten und zweiten Generation sind extrem teuer, die Behandlung kann leicht hunderttausend Euro pro Jahr betragen. Hinzu kommen Kosten für das Krankenhaus, die Ärzte, die Rehabilitation und für Komplikationen. Die gezielte Therapie bewirkt eine Kostenexplosion, deren Ausmaß bisher massiv unterschätzt wird. Die neuen Therapien sind im Durchschnitt zehn- bis vierzigmal so teuer wie die Chemotherapie, die sie in der Regel ablösen oder ergänzen.
Sowohl im Bereich der Krebsentstehung als auch im Bereich der gezielten Therapien sind es fast ausschließlich amerikanische Forscher, denen diese Entdeckungen zu verdanken sind. Sie forschen an Universitäten wie Harvard, der Universität von Kalifornien oder dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und sind oft besessene Einzelkämpfer, die viele Jahre gegen den Strom der vermeintlich erfolgversprechenderen Wissenschaft geschwommen sind. Einige werden in den nächsten Jahren wohl mit dem Nobelpreis für Medizin rechnen können. Entgegen der Erwartung vieler Laien und auch im Gegensatz zur Marketingstrategie der Pharmafirmen wurde kein einziger wichtiger Krebsmechanismus und auch sonst keine entscheidende Waffe gegen Krebs in den Laboren der Arzneimittelindustrie entdeckt. Leider haben sich solche Durchbrüche auch nicht in den deutschen Forschungseinrichtungen und Universitäten ereignet. Weshalb dies so ist, soll ebenfalls zur Sprache kommen.
Im dritten Kapitel geht es um die Krebsindustrie, die durch die Zunahme der Krebserkrankungen entstanden ist und im Wesentlichen aus Pharmafirmen, Forschungseinrichtungen, Krankenhäusern und der Ärzteschaft besteht. Fünf konkrete Vorwürfe zeichnen sich bei näherer Betrachtung der Krebsindustrie ab: 1. Die hohen Preise der Krebsmedikamente resultieren nicht aus ihrem realen Nutzen. 2. Keinesfalls werden die Gewinne in Forschung reinvestiert. 3. Die Pharmakonzerne missbrauchen ihre Marktmacht, und 4. behindern oft sogar die Forschung. 5. Die hohen Preise werden in absehbarer Zeit die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems gefährden.
Diese Vorwürfe resultieren unter anderem aus Studien bekannter amerikanischer Krebsärzte, die genau das nahelegen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Profitgier einiger Unternehmen die Finanzierbarkeit der Krebsbehandlung akut gefährdet und sogar die Forschung bedroht. Es gibt nur noch eine kleine Gruppe von Arzneimittelfirmen, die neue Krebsmedikamente auf den Markt bringen können, und diese beherrschen sowohl die Zulassungsverfahren als auch die Preise, die sie den Ländern vielfach aufzwingen können. Dabei machen sie extrem hohe Gewinne, die mit den Forschungsaufwendungen dieser Firmen in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang stehen und Ergebnis von Gewinnmaximierung und Monopolstellungen auf dem Markt sind. In der Krebsindustrie funktioniert die Selbstregulierung des Marktes nicht; viele der gezielten Therapien sind zu teuer, sie verlängern das Leben oft nur um wenige Monate bei Kosten von mehr als hunderttausend Euro. Da sie sehr aggressiv vermarktet werden, schaden sie einigen Patienten sogar mehr, als sie ihnen nutzen. Sie überschätzen die Wirkung der Medikamente, stimmen der Behandlung zu oder fordern sie sogar ein und verbringen so die letzten Monate ihres Lebens in Krankenhäusern, wo sie teils schwere Rückfälle erleben müssen. Die Möglichkeit, ohne Schmerzen und Qualen dem Leben einen sinnvollen Abschluss zu geben, wird ihnen auf diese Weise genommen. Doch wie gelingt es jenen wenigen Pharmakonzernen, dass Ärzte und Patienten die Medikamente zu ihren Bedingungen verwenden? Dabei geht es um eine extreme Konzentration von Macht, die damit beginnt, dass nur noch wenige Firmen in der Lage sind, die für die Zulassung notwendigen Studien durchzuführen. Das tun sie so, dass der Nutzen der Medikamente systematisch überschätzt wird und die Medikamente zu früh und auf der Grundlage unsicherer Daten zugelassen werden. Damit könnten diese Firmen dem Durchbruch der gezielten Therapie langfristig sogar im Wege stehen: Sie diskreditieren Medikamente, die bei geringeren Kosten, besserer Erforschung und gezielterer Nutzung für die Patienten wesentlich hilfreicher sein könnten. Deutsche Pharmaunternehmen sind durchaus innovativ, sie sind aber von der Zulassung und Vermarktung neuer Krebsmedikamente nahezu ausgeschlossen. Woran liegt das, und was müsste sich ändern?
Die Generation der Babyboomer erreicht in den nächsten zwanzig Jahren das gefährlichste Alter für die Entstehung von Krebs; rund jeder Zweite, so steht zu befürchten, wird selbst betroffen sein. Wenn sich die Kostenexplosion fortsetzt wie bisher, werden wir jährlich zusätzliche 45 Milliarden Euro für die Krebsbehandlung aufwenden müssen. Damit wäre die Krebsbehandlung der am stärksten wachsende Posten in unseren Sozialsystemen überhaupt (wie sich diese Summe berechnet, steht ebenfalls im dritten Kapitel).
Gerade die Babyboomer-Generation wird eine außerordentlich harte Auseinandersetzung mit den Krebskrankheiten führen. Die Chancen der gezielten Therapie verbessern sich, aber es gibt gute Gründe zu glauben, dass die Heilung eines fortgeschrittenen Krebses in den nächsten Jahren dennoch eher die Ausnahme bleiben wird. Dann wäre die Babyboomer-Generation vielleicht die erste und die letzte zugleich, die so stark unter Krebs...