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E-Book

In Sachen Amor gegen Justitia

Scheidungsanwältin Silvia Förster und ihre Fälle

AutorChristine Eisel
Verlag110th
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl122 Seiten
ISBN9783958652774
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Scheidungsanwältin Silvia Förster weiß ein Lied zu singen von Amors Irrtümern und deren Folgen. Engagiert und einfühlsam begleitet sie ihre Mandantinnen und Mandanten nach der Trennung. Zu ihren Alltagsfällen gehören Gerangel um die Kinder, erbitterter Streit über Aussteuergegenstände, Flucht vor Gewalt in der Ehe, Probleme mit den Schwiegereltern und ähnliche Trennungskatastrophen. Frisch verheiratete Paare oder alte Ehehasen, Männer oder Frauen, Beamte oder Hartz-4-Empfänger - so verschieden wie Silvias Mandanten sind auch deren Scheidungsgeschichten. Die neun Fallgeschichten dieses Buchs stellen Scheidungsfälle aus der Sicht einer Insiderin des Rechtsbetriebs so dar, wie sie sich im 'wirklichen Leben' abspielen. Dabei stellt sich heraus, dass manchmal die Lösungen am besten sind, die nicht im Gesetz stehen.

Die Autorin - selbst Fachanwältin für Familienrecht, Diplompsychologin und Mediatorin - hat Silvia Förster alle eigenen Erfahrungen aus ihrer langjährigen Anwältinnentätigkeit mitgegeben. Natürlich sind die Fälle völlig fiktiv; sie spiegeln aber die Summe der Erfahrungen wieder, die man als Anwältin im Familienrecht regelmäßig macht.

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Leseprobe

Schon so spät! Die Anwältin Silvia Förster ärgerte sich darüber, dass sie heute im Bad eine Viertelstunde länger gebraucht hatte als sonst. Ihr Tagesablauf war stets straff durchorganisiert. Sie war es nicht gewohnt, sich morgens ausgiebig fertigzumachen. Jetzt musste sie sich beeilen, um rechtzeitig in die Kanzlei zu kommen.

Sie hastete die Treppe hinunter zum Frühstückstisch, den ihr Ehemann, der Diplompsychologe Michael Förster, schon gedeckt hatte.

„Mensch Mama, wie siehst du denn aus?“ Silvias halbwüchsige Tochter Katja warf ihre lange, brandrote Mähne nach hinten und sah ihre Mutter kritisch von oben bis unten an. „Willst du an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen? Ich weiß wirklich nicht, ob du in deinem Alter noch Chancen hast!“

Silvia drohte spielerisch mit der Faust.

„Katja! Hüte deine spitze Zunge.“

Doch selbst Katjas Zwillingsbruder Benjamin, der viel vorsichtiger und diplomatischer war als seine Schwester, sah seine Mutter skeptisch an. „Ist heute irgendwas Besonderes? Wenn du schon mal ein Kostüm trägst ...“ Als er sah, dass sie die kastanienbraunen Locken hochgesteckt hatte und sich sorgfältig geschminkt hatte, fügte er hinzu: „Du siehst ja richtig aufgebrezelt aus.“

„Heute Morgen kommt doch der Fotograf ins Büro, der die Bilder für die Erstellung der Homepage macht, da muss ich mich doch ein bisschen herrichten. Was tut man nicht alles für die Werbung!“

Katja verdrehte die Augen und sah ihre Mutter mitleidig an. „Wenn du glaubst, dass dir diese Aufmachung hilft ...“

Pubertierende Kinder sind eine Strafe!, dachte Silvia und tauschte einen Blick mit ihrem Mann. Wenigstens einer in der Familie, der sie durchaus wohlwollend ansah ...

 

Nachdem Silvia Förster und ihre Kollegin Antje Keller erst vor kurzem das zehnjährige Bestehen ihrer Anwältinnenkanzlei gefeiert hatten, hatten sie sich entschlossen, endlich ihre Internetpräsenz vorzubereiten. Für viele junge Anwaltskollegen war es selbstverständlich, gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit mit einer eigenen Homepage an die Öffentlichkeit zu treten. Die mittleren Jahrgänge wie Silvia und Antje, die noch die Zeiten kannten, in denen Werbung für Anwälte durch das Standesrecht strikt reglementiert war, taten sich schwer mit Kanzleibroschüren, Websites im Internet und ähnlichen Selbstdarstellungen.

Silvias Mann Michael hatte sich neulich von einem Computerfachmann, der zugleich gute Digitalfotografien machen konnte, eine sehr schöne, professionelle Homepage für seine psychologische Praxis erstellen lassen. Dieser Herr Winkler wollte heute auch in Silvias Kanzlei kommen, um ihr und ihrer Kollegin bei der Website-Erstellung behilflich zu sein.

 

Nach dem Frühstück trieb Silvia die Zwillinge zur Eile an. „Kinder, beeilt euch; sind eure Taschen schon gepackt? Ihr schreibt ja heute die Englischarbeit, habt ihr gut genug geübt? Vor allem du, Benjamin, konzentriere dich gut und verwechsle nicht some und any. Katja, du solltest etwas zum Trinken einpacken, ihr habt heute Sportunterricht und du verausgabst dich immer so stark.“

Silvias Mann Michael – groß und blond und der ruhende Pol der Familie - machte in der Zwischenzeit schon den Kindern ihre Schulbrote fertig und räumte dann den Tisch ab.

„Ihr werdet eure Englischarbeit schon schaffen, auch du, Benjamin.“ Er strich dem kleineren Zwilling über die hellbraunen Haare.

„Und dir: Viel Spaß bei eurer Homepage und bestell Herrn Winkler schöne Grüße von mir!“

 

Im Büro lachten Silvia und ihre Mitarbeiterinnen sich an. Alle hatten sich feingemacht, sogar die Auszubildende Julia trug heute keine Jeans.

Frau Mischke, die gute Seele des Büros, las die Kalendereinträge für den heutigen Tag vor. Silvias Kollegin Antje Keller – Fachanwältin für Arbeitsrecht - hatte noch einen Termin beim Arbeitsgericht, würde aber wohl in einer halben Stunde zurückkommen. Die nächsten zwei Stunden waren heute für die Fotos und den Text der Homepage reserviert. Anschließend hatte Silvia selbst noch einen Termin beim Familiengericht, eine einfache, unstreitige Scheidung, die sie nicht lange in Anspruch nehmen würde. Am Nachmittag waren sechs Besprechungstermine eingetragen.

„Hilfe, wie sieht es denn hier wieder aus!“ Die Halbtagskraft Frau Schultze zeigte auf die herumliegenden Akten. „Das kann doch wohl alles nicht liegen bleiben, wie macht sich das denn auf den Fotos?“

Silvia und ihre Mitarbeiterinnen sausten noch schnell durch die Räume, um Ordnung zu schaffen, bevor der Fotograf kam. Vor allem die Schreibtische mussten aufgeräumt werden. Die Aktenberge wurden in Schränken verstaut, alle herumliegenden Telefonzettel in den Eingangskorb gelegt und die Ablageflächen noch schnell etwas dekoriert. Im Empfang lagen jetzt wie zufällig drei Zeitschriften einladend auf dem Tisch.

Die Eingangstür öffnete sich und Silvias Kollegin Antje Keller kam herein. Wie so oft, wenn Antje den Raum betrat, hatte Silvia das Gefühl, ein frischer Wind fege plötzlich durch das Zimmer. Zu der großen, schlanken und sportlichen Antje mit den kurzen blonden Haaren passten Jogginghosen, Turnschuhe und Stirnband besser als Anzug und Robe.

„Hier geht es ja zu wie im Bienenkorb“, lachte sie. „So ordentlich habe ich die Räume noch nie gesehen.“

Antje war die einzige, die in ihrem Zimmer nicht viel aufzuräumen brauchte. Sie war ein Organisationsgenie und hatte ohnehin immer nur die eine Akte auf dem Schreibtisch liegen, an der sie gerade arbeitete. Alle fliegenden Zettel wurden von ihr immer gleich in passende Order oder Ablageschalen gelegt oder weggeworfen. Silvia beneidete sie um die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem sofort trennen zu können und ihr Leben gut sortiert zu halten. Allerdings war dieser Arbeitsstil für Antje als Single auch leichter durchzuhalten als für Silvia als berufstätige Mutter.

 

Es klingelte an der Tür. Der Fotograf war da.

„Schöne Kanzleiräume haben Sie“, meinte er anerkennend. „Nicht so wuchtig und gediegen, sondern alles hell und freundlich und mit vielen Blumen. Daran merkt man den weiblichen Einfluss.“

Silvia lächelte in sich hinein. Wenn er gewusst hätte, wie es hier noch vor 10 Minuten ausgesehen hatte ...

„Haben Sie schon einen Textentwurf gemacht? Dann kann ich sehen, was für Fotos am besten dazu passen und an welcher Stelle sie eingesetzt werden.“

Den Text hatte Frau Mischke schon in den Computer eingetippt; sie machte schnell noch einen Ausdruck. Herr Winkler überflog den Entwurf, in dem auf verschiedenen Seiten die Kanzlei, die Anwältinnen, die Fachgebiete und die Mitarbeiterinnen vorgestellt wurden. Daneben gab es noch eine allgemeine Seite mit allgemeinen Infos wie Anfahrtsweg, Kontakt und Links zu anderen juristischen Seiten.

Er schlug vor, ein Gruppenfoto von allen an der Empfangstheke zu machen, von den Mitarbeiterinnen Porträts zu erstellen und die Anwältinnen fürs Foto an ihre Schreibtische zu setzen.

Beim Gruppenbild kratzte er sich am Kopf, als er sich zwei Anwältinnen und drei Generationen von Mitarbeiterinnen gegenübersah.

„Ganz schön viel Frauenpower auf einmal“, bemerkte er grinsend. „Bekommt man hier als Mann überhaupt eine Schnitte?“

„Aber sicher“, Antje sah ihn belustigt an. „Ich vertrete viele Männer in Arbeitsrechtsverfahren.“

„Nun gut, bei Arbeitsrechtssachen kann ich mir das ja vorstellen. Aber kann eine Frau im Familienrecht überhaupt einen Mann vertreten?" Er wandte sich skeptisch an Silvia. „Muss man als Mann nicht immer denken, dass Sie heimlich zur anderen Seite halten?“

„Der Einwand ist nicht ganz unberechtigt“, antwortete Silvia, „es gibt einige Familienrechtlerinnen, die ausschließlich Frauen vertreten, aber eher, weil sie die übliche Benachteiligung der Frau nicht auch noch dadurch unterstützen wollen, dass sie Männer vertreten.“

Herr Winkler sah sie verständnislos an. „Benachteiligung in der Ehe?“

Jetzt bloß keine Grundsatzdiskussionen!, dachte Silvia. Das haben wir alles schon hinter uns. Laut sagte sie:

„Aber ich habe mich entschieden, auch Männer zu vertreten. Gerade in Familiensachen ist es oft von Vorteil, wenn man auch Verständnis für die Sicht der anderen Seite hat. Es ist ohnehin oft klüger, wenn die Parteien nicht blind durch Austricksen versuchen, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Oft müssen die Eheleute erkennen, dass es manchmal auch wichtig ist, zusammenzuarbeiten, zum Beispiel zum Wohl der Kinder.“

Herr Winkler nickte. Das konnte er besser nachvollziehen. „Ich fände es auch gut, wenn ich meiner Frau nach einer Scheidung noch in die Augen sehen könnte und nicht einen weiten Bogen machen müsste, wenn ich sie sehe. Aber zum Glück lasse ich mich ja nicht scheiden.“

 

Nach den Fotos gingen alle zusammen noch einmal den Textentwurf durch. Silvia las vor:

„Die Rechtsanwältinnen Silvia Förster und Antje Keller gründeten die Kanzlei Förster und Keller nach Beendigung ihres Studiums im Jahr 2002. Zunächst als Allgemeinkanzlei geführt, haben sie sich seit dem Jahr 2008 auf das Familien- und Arbeitsrecht spezialisiert.

Rechtsanwältin Silvia Förster ist Fachanwältin für Familienrecht,...

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