Prolog
Jedes Jahr wieder, im Sommer und Winter, findet in der Bundesliga ein bizarres Millionenspiel statt. Mit neuen Akteuren rüsten die Manager und Trainer ihre Mannschaften im Kampf um Titel, Träume und Trophäen auf. Sie fliegen um die Welt, um die Stars und vor allem zunächst deren Berater zu bezirzen. Es wird fürstlich gespeist, geschleimt und nicht selten auch gelogen – wie wir sehen werden –, ehe am Ende Millionen von Euro hin- und hergeschoben werden.
Ein neuer Star kann Meisterschaften entscheiden, ein Flop den Verein in finanzielle Turbulenzen stürzen. Und schafft es ein Manager einmal nicht, seinem Trainer den Wunschspieler zu beschaffen, können auch vermeintliche Männerfreundschaften, sofern es sie denn in diesem knallharten Geschäft gibt, zerbrechen und zu einem Zickenkrieg führen, wie es ihn selbst unter Frauen im Streit um ein Paar Schuhe nur selten gibt.
Transfers erzeugen Wut bei den einen, Glückseligkeit bei den anderen. Dortmunds Hans-Joachim Watzke wetterte im Winter 2013 gezielt und wohlüberlegt gegen die bayerische Einkaufspolitik: »Jetzt schlagen sie zurück. Sie wollen uns zerstören. Nicht dahingehend, dass sie uns menschlich kaputtmachen wollen, weil sie uns nicht mögen, sondern um uns dauerhaft als direkten Konkurrenten auszuschalten, indem sie sich an unseren Spielern bedient haben. Damit wir nie wieder eine Gefahr für sie darstellen.« Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Watzke versucht, den Fans Sand in die Augen zu streuen und ihnen das Märchen vom bösen FC Bayern vorzugaukeln. Und damit von eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken. Wir haben noch nie Spieler verpflichtet, um den Gegner zu schwächen – sondern um selber besser zu werden. Denn das ist unsere Verpflichtung«, entgegnete Paul Breitner, der Weltmeister von 1974 und fünfmalige Deutsche Meister mit den Bayern, der jetzt Markenbotschafter der Münchner ist. »Wir sind eine Firma. Und wir müssen uns stetig verbessern. Dazu holen wir eben die besten Spieler national – wie Neuer, Götze oder Lewandowski – und auch international – wie beispielsweise Thiago.«
Mal führt ein Transfer zum Zoff zwischen Bayern und Dortmund. Mal knallt es zwischen Bayern und Schalke, wie beim Kauf von Manuel Neuer, als vehement und heftig über Mondpreise für einen Torwart diskutiert wurde. Und natürlich ist jenseits der Bundesliga längst nicht Schluss mit Sprengstoff, wie die Beispiele von Toni Kroos, Cristiano Ronaldo oder Neymar in diesem Buch noch zeigen.
Nichts ist spannender und emotionaler als das Transfergeschäft mit all seinen lauten und leisen Nebengeräuschen und geheimen Aktivitäten. In den Hochzeiten der Wechselbörse wird spekuliert und halluziniert. Immer mittendrin: die Spielerberater! Sie ziehen die Fäden im Hintergrund. Sie betreiben ein seltsames, manchmal undurchsichtiges Spiel. Und haben gehörige Imageprobleme.
Ihr Ruf jedenfalls ist schlimmer als der von Immobilienmaklern und Autoverkäufern zusammen. Von Fußballfans auf der ganzen Welt werden Spielerberater verachtet, oft sogar gehasst. Kinder und Jugendliche wollen Arzt werden oder Anwalt, manche auch Journalisten. Dass je ein Kind Spielervermittler als Traumberuf äußerte, ist nicht übermittelt. Auch positive Schlagzeilen über diesen Berufsstand sind nicht bekannt. Dafür ist das öffentlich gezeichnete Bild in den Medien verheerend. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb einmal: »Die einen nennen sie Blutsauger, die anderen notwendiges Übel. Wenige Berufe in Deutschland haben einen so schlechten Leumund wie der des Spielervermittlers. Geldgierige Manager spielen mit fragwürdigen Methoden Vereine und Spieler gegeneinander aus – mit dem Ziel der persönlichen Gewinnmaximierung. Und es gibt genug schlechte Beispiele, die für dieses Bild die Vorlage liefern. Die Fälle sind bekannt und verbürgt, in denen Fußballprofis zu Vereinswechseln überredet wurden, die ihrer sportlichen Karriere schadeten, nur weil dem Berater eine besonders dicke Provision winkte. Wo Vermittler mehr Provision für sich aushandelten, als ihre Kunden im Jahr dann bei ihrem neuen Klub verdienten. Wo Spielermanager für ihren Mandanten monatelang nicht mehr zu sprechen waren, weil es an ihm scheinbar nichts mehr zu verdienen gab (…). Im Fußballgeschäft winkt viel Geld, es lockt nicht nur moralisch gefestigte Menschen an.«
Als »Geschäfte in der Grauzone« bezeichnet Die Welt die Arbeit einiger Berater, für die Berliner Zeitung ist ihr Vorgehen oft mit »schmutzigen Tricks« verbunden. Im Sommer 2013 erhielt Cezary Kucharski, der Agent von Robert Lewandowski, von der Süddeutschen Zeitung den Titel »Nervigster Berater der Welt« verpasst. Er bringe die Branche mal wieder in Verruf, urteilte die Berliner Morgenpost in einer Geschichte über die »schmuddeligen Paten des Fußball«. Weiter hieß es: »Es geht um Geld, Macht und darum, jemanden über den Tisch zu ziehen.«
Die Branche weiß um ihren schlechten Ruf. »Wenn man im Berufsbild Spielervermittler aktiv ist, darf man nicht sensibel sein. Wir werden natürlich nicht gerade angesehen wie Krankenschwestern«, sagt Christian Rapp, Geschäftsführer bei Rogon Sportsmanagement. Auch Christoph Schickhardt, ein Sportrechtler und Anwalt aus Ludwigsburg, will nichts schönreden: »Es tummeln sich in diesem Geschäft Scharlatane der schlimmsten Kategorien, aber auch seriöse Profis.« Rund 25 Prozent beraten nach seiner Einschätzung gut, »vierzig Prozent schlecht und der Rest ist unseriös«. Für Thomas Kroth, der 1995 die Agentur PRO Profil gründete, sei die »Branche nicht per se schmutzig, aber im Einzelfall versaut«. Und Volker Struth, Geschäftsführer von SportsTotal und derzeit als Berater von Mario Götze und Toni Kroos sicherlich einer der Einflussreichsten in der Branche, sagt: »In dem Geschäft geht es um viel Geld. Da kommen die ausgeprägtesten Eigenschaften des Menschen häufiger zum Vorschein: Neid und Missgunst. Es ist wie in jeder Branche: Es gibt Gute und Schlechte.«
Zwischen denen gilt es zu unterscheiden. »Mir werden in der Transferperiode jeden Tag mindestens zehn Spieler angeboten«, sagt Martin Bader, Sportdirektor und Präsidiumsmitglied beim 1. FC Nürnberg. Seine nüchterne Einordnung: »Mit Beratern zu reden ist mein tägliches Geschäft. Spielerberater sind ein enormer Wirtschaftsfaktor im Profifußball geworden.«
284 Millionen Euro gaben die Bundesligaklubs im Sommer 2014 für neue Spieler aus. So viel Geld wie nie zuvor. Mehr als 26-mal so viel wie 1978. Damals waren die 2,5 Millionen Mark, die Bayern München für Paul Breitner an Braunschweig überwies, eine Wahnsinnssumme. Köln bekam für 265 000 Mark gleich vier Spieler (Bernd Schuster, Pierre Littbarski, Thomas Kroth und Jürgen Mohr). Längst Vergangenheit! Dabei ist die Bundesliga selbst mit ihren heutigen Investitionen weit entfernt von der Spitze in Europa. Die 284 Millionen reichten gerade mal für Platz vier. In England, dem Spitzenreiter, wurden im Sommer 2014 gigantische 1,03 Milliarden Euro ausgegeben. Die »Ware Fußballstar« ist gefragt wie nie zuvor. Der Transfermarkt boomt. Und damit auch das Beraterbusiness.
Was ist dran am schlechten Image der Spielerberater? Sind es wirklich skrupellose Menschenhändler? Blender, die talentierte Kinder mit Karriereversprechen locken und anschließend wie Marionetten nach ihrem Willen tanzen lassen? Oder sind es vielleicht doch bloß geschickte Trüffelsucher? Relevante Karrierehelfer? Mächtige Marktteilnehmer? So klar und einfach ist es sicher nicht. Das Bild dieser Branche lässt sich nicht in Schwarz und Weiß zeichnen, wie so oft gehören auch hier viele Grautöne dazu – und die wollen wir uns im Folgenden genauer ansehen. Dabei stoßen wir schnell auf viele offene Fragen. Warum lassen sich überhaupt hochrangige Vereinsmanager, gestandene Männer mit viel Macht, Geld und Renommee, darauf ein, sich mit dem vermeintlichen Teufel an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln? Wie skrupellos, gerissen und geldgierig sind sie wirklich? Wie funktioniert das Geschäft mit den Transfers genau?
Die Trainerlegende Alex Ferguson versuchte die Eigenarten des Fußballbusiness in seinem lesenswerten Buch Meine Autobiografie so auszudrücken: »Einige Leute versuchen, übliche Geschäftsprinzipien auf den Fußball anzuwenden, und vergessen dabei, dass sie es nicht mit Drehbänken oder Fräsmaschinen zu tun haben, sondern mit einer besonderen Konstellation von Menschen. Das ist der Unterschied.«
»Fußball ist wie Kino«, sagte einmal Dante, der brasilianische Nationalspieler und Champions-League-Gewinner mit Bayern München. Er selbst gehört dabei zu den umjubelten Stars, über die nahezu alles bekannt ist. Nicht so über die Hintermänner der Stars. Sind sie, um im Kinojargon zu bleiben, die Bösewichte?
Dieses Buch gibt tiefe Einblicke in die Hinterzimmer der Bundesliga. Es erzählt von Transfers, Millionendeals und vom Kampf um Ausstiegsklauseln. Offen wie nie erzählen Berater von sich, ihrem Antrieb und ihren Vorgehensweisen. Manager packen aus. Spieler erzählen, wie sie angeworben wurden und welche Erfahrungen sie mit Beratern machten. Es sind Meisterspieler und Meistermacher, die sich bereiterklärt haben auszupacken. Der Gewissenskonflikt von Eltern wird aufgezeigt, die nicht wissen, ob sie ihren talentierten Sohn in die Obhut eines Beraters abgeben sollen. Eine Mutter beichtet, wie sie mit ihrem Mann stritt, weil sie uneins waren, was das Beste für ihren Jungen war.
All diese Gespräche wurden mit einem Tonband aufgezeichnet, hinterher wörtlich abgeschrieben und die Papiere sowie Dutzende vorhandene Verträge in einen Tresor gelegt. Die...