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Die Suche nach Identität und Gemeinschaft in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR: Intertextueller Vergleich unter ästhetischen und gesellschaftspolitischen Aspekten

AutorKathleen Grimm
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl83 Seiten
ISBN9783842842564
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Kinder und Jugendliteratur (kurz: KJL) ist für viele Menschen der erste Berührungspunkt mit Literatur. Mit den Helden unserer Kindheit haben wir mitgefiebert, geweint, gelitten und uns gefreut. Gerade in der Zeit der Pubertät und Adoleszenz kann Literatur einen maßgeblichen Einfluss auf den Sozialisationsprozess haben, dessen Ergebnis die jeweilige Identität ist. Diese Suche nach Identität in der Pubertät, die Abgrenzung von der alten Gemeinschaft und die Suche nach einer neuen werden in der Kinder- und Jugendliteratur natürlich behandelt. Die verschiedensten Bücher und Geschichten behandeln Probleme mit den Eltern, Streitereien mit Freunden und Geschwistern, die erste Liebe oder das Gefühl der eigenen Unvollendetheit, das einen manchmal überfällt. Diese Suche nach Identität und Gemeinschaft wird je nach Epoche und Adressat anders dargestellt. Aber nicht nur die realen Zustände, sondern auch die Intentionen und Ansprüche, die sich hinter der KJL teilweise verbergen, spielen da mit hinein. Faszinierend ist gerade die Frage, wie die Suche nach Identität und Gemeinschaft in der KJL der DDR beschrieben wurde. Nach der Lektüre von Texten, die die Anforderungen der SED an die KJL darstellten oder von Werken, die der monolithischen Ansicht zur KJL in der DDR entsprechen, drängt sich die Vermutung auf, dass gerade hier die Entwicklung einer eigenständigen, kritischen Identität nicht gewünscht wurde. Sollten die Protagonisten lieber kommunistisch geprägte Einheitsmenschen sein, ohne eigene Identität der sozialistischen Gesellschaft treu ergeben? Oder spiegelt die KJL ein ganz anderes Bild der Suche nach Identität und Gemeinschaft wider? In dieser Studie soll gezeigt werden, wie in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR die Suche nach Identität und Gemeinschaft dargestellt wird. Fragen sind dabei, welche Botschaften die Kunstwelt der KJL an ihre Leser vermittelt sowie ob sie Tendenzen zur sozialistischen Erziehung erkennen lässt oder einen kritischen Standpunkt einnimmt.

Kathleen Grimm, M.A., wurde 1984 in Erfurt geboren. Ihr Studium der Literatur- und Sprachwissenschaften an der Universität Erfurt schloss die Autorin im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad des Magistra Artium erfolgreich ab. Bereits während des Studiums beschäftigte sich die Autorin intensiv mit der Thematik der Identitäts-, Gender und Rollenfindung in der Kinder- und Jugendliteratur und dem Genre des Märchens.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel, 3.4 Zensur: Die Zensur von Kinderbüchern war Teil eines weit gefächerten literaturpolitischen Steuerungssystems, das Archive, Buchhandlungen und Bibliotheken, Verlage, Außenhandelsinstitutionen und den Zoll umfasste. Die Zensur im Kinderbuchbereich umfasste drei Planstellen der Belletristik-Abteilung der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel des Ministeriums für Kultur (HV) und verfolgte ein gezieltes politisches Erziehungsprogramm. Der Beginn der Zensurpolitik liegt in der 'antifaschistischen Säuberung' der Nachkriegszeit und in den verschiedenen ideologischen Offensiven der SED in den fünfziger Jahren. Sämtliche Antiquariate und Bibliotheken waren systematisch durchforstet, und mit dem Mauerbau 1961 auch der Zustrom von westlicher 'Schundliteratur' und Comics unterbunden worden. In den Akten aus den fünfziger Jahren lassen sich noch groteske Verbotsgeschichten finden. So löste beispielsweise Ernest Th. Setons Präriewölfin Tito eine heftige Diskussion aus über die mögliche Gedankenverbindung zu dem gleichnamigen faschistischen jugoslawischen Staatsführer. In den sechziger Jahren erfolgte durch einen erfolgreichen Zentralisierungsprozess eine Professionalisierung der Zensur. Jetzt war es eher üblich, dass die Zensurbehörde im Kinderbuchbereich umstrittene, innovative und gesellschaftskritische Buchprojekte vor 'eifernden Politpädagogen und Schönfärbern aus dem Zentralrat der FDJ und dem Volksbildungsministerium beschützte und sich dabei als Anwalt eines höher und höher kultivierten kinderfreundlichen Formniveaus verstand'. Bevor 1963 die Parteiverlage der HV im Ministerium für Kultur unterstellt wurden, herrschte eine Doppelherrschaft von Partei und Staatsapparat. Die verschiedensten konkurrierenden Institutionen waren durch sich überschneidende, zum Teil gegenläufige Parteiaufträge legitimiert. So standen der Schulbuchverlag Volk und Wissen des Volksbildungsministeriums oder der Militärverlag der NVA praktisch außerhalb der Zensur. Wenn die Zensurbehörde auf den Kinderbuchverlag oder den Verlag Neues Leben Einfluss nehmen wollte, musste sie sich mit der Pionierorganisation und der FDJ 'anlegen'. Die neue Behörde für ideologische Anleitung war nun aber auch für die ökonomische Steuerung der Verlage und des Volksbuchhandels zuständig. Somit musste jetzt bedacht werden, dass jeder Zensureinschnitt, jedes Buchverbot auf Kosten des eigenen Unternehmens ging. Zensurentscheidungen trugen damit mehr und mehr einen Kompromisscharakter, der in der Regel nicht befohlen, sondern zwischen Ideologen und Ökonomen ausgehandelt wurde. Man kann man ganze Jahrgänge an Druckgenehmigungsakten durchgehen, ohne auf einen einzigen Zensurfall zu stoßen. Diesen Befund bestätigt auch Dr. Katrin Pieper, die 1960 eine Tätigkeit als Lektorin im Kinderbuchverlag begann und von 1975 bis 1992 Cheflektorin des Verlags war. 'Heute fragt mich jeder: Was ist denn verboten worden? Doch diese 'verbotenen' Bücher kann ich an den Fingern einer Hand abzählen im Verlauf von 15 Jahren, die ich als Cheflektorin des Verlags arbeitete. Es war weniger eine Frage des Verbietens als vielmehr der Hartnäckigkeit, mit der man um ein Buch kämpfte. Die Kinderbuchautorin Christa Kozik hat einmal auf die Frage nach der Zensur geantwortet: 'Wenn man nur hartnäckig genug war, hat man auch alles durchgekriegt.'' Unabhängig von Einsatz und Hartnäckigkeit der Lektoren verweist dieser Befund allerdings auch auf das ideologische 'Tauwetter' (1953-1957, 1961-1964, 1971-1976, 1985-1989) und 'Frostphasen' (1948-1953, 1957-1961, 1965-1971) sowie damit einhergehende heiße und kalte Zonen der Zensurpolitik. Texte über Karl Marx oder Ernst Thälmann waren ungleich brisanter und wurden strenger kontrolliert als beispielsweise ein Mathematikbuch. Um der Flut der zu prüfenden Texte Herr zu werden, musst der Zensor differenzieren und seine Kontrolle auf bestimmte Gefahrenschwerpunkte konzentrieren. Das durchschnittliche Genehmigungsverfahren wird von Dr. Katrin Pieper wie folgt beschrieben: 'Wir hatten einen Gutachter aus dem Verlag und einen sogenannten Außengutachter, meist einen Schriftsteller oder Literaturwissenschaftler. Das Ministerium hatte seinerseits auch einen Gutachter. Wir sind dann mit dem Verlagsgutachten und dem Außengutachten ins Ministerium. Und in aller Regel tat sich dort gar nichts, das heißt, das Buch wurde durchgewinkt. Man muss auch sagen, dass dort keine Dummköpfe saßen, sondern Leute, mit denen man reden konnte.' Fälle von harschen Eingriffen waren in der KJL eher die Ausnahme. Die festzustellende Liberalisierung der Zensurpraxis stand aber auch im Zusammenhang mit der in den fünfziger Jahren vorausgegangenen zensurpolitischen 'Erziehungsarbeit' mittels Verhaftungen, Buchverboten, Entlassungen, Strafversetzungen und Parteistrafen. Diese wirkten bei den Autoren, Redakteuren und Verlagslektoren nach und führten zu einer ausgeprägten Vorsichtshaltung und einer 'Schere im Kopf'. Sie mussten Notwendiges und Mögliches abwägen und einen individuellen Kompromiss herstellen. Zur Selbstzensur äußert sich auch Dr. Katrin Pieper: 'Die spielte sicher auch eine Rolle, wenngleich weniger bei den Autoren. Es gibt in den Tagebüchern von Franz Fühmann, der bedeutende Kinderbücher schrieb, eine Stelle, da schreibt er: 'Das, was ich eben schrieb, darf sowieso nicht gedruckt werden. Aber ich schreibe es trotzdem.' Sicher stellte ich mir auch manchmal die Frage: Lasse ich es besser bleiben, ein bestimmtes Buch ins Programm zu nehmen, weil ich es sowieso nicht durchkriegen werde?' Von den Verlagen wurde erwartet, dass sie druckfertige Manuskripte einreichten und dazu schon im Vorfeld die nötigen Gutachten eingeholt hatten, um ideologische 'Fehler' zu vermeiden. Die politische Verantwortung trug in letzte Instanz der Cheflektor des Verlages. Für den einzelnen von Änderungsauflagen betroffenen Autor, war der Einfluss der Zensur praktisch unsichtbar, da der Verlag gehalten war, die Meinung der Zensurbehörde als seine eigene zu vertreten. In diesem verworrenen und undurchsichtigen System brauchte der Autor Rückhalt und zuverlässige Verbündete wie Verleger oder wissenschaftliche Gutachter. Das führte zu einer Ausprägung klientelartiger Beziehungsgeflechte zwischen Zensoren, Gutachtern, Lektoren und Schriftstellern, die sich aus langer gemeinsamer Arbeit kannten. Beispielsweise wussten der Cheflektor und Autor von Kinderbüchern, wie Hirsch Heinrich, Fred Rodrian, und sein Zensor Richard Müller genau, was vom Urteil welcher Gutachter zu halten war, wer eher zu streng oder ohne Humor begutachtete. So entstand mit zunehmender Unabhängigkeit von den ursprünglich sehr engen ideologischen Vorgaben ein äußerst fruchtbares Milieu, zumal da durch die kontinuierlichen Arbeitsbedingungen ein enormer Erfahrungsschatz angehäuft werden konnte. Die Zensur erstreckte sich nicht nur über die Arbeit am Text. Ein weiterer Teil des Zensurvorgangs war die Jahresthemenplanung, die als Grundlage für die Papierverteilung diente. Im Themenplan wurden alljährlich die Programme der Verlage festgelegt um Überschneidungen zu vermeiden, den Anteil an sowjetischen Titeln zu sichern und die zulässige Quote an Westliteratur zu kontrollieren. Verglichen mit der Literatur für Erwachsene war in der KJL mehr möglich. Mit dem Wissen um ein sensibles Lesepublikum konnten bestimmte Stoffe, Sujets, Probleme früher aufgegriffen und oft auch konsequenter verarbeitet werden, als dies in der Erwachsenenliteratur oder gar in den Medien möglich war.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Die Suche nach Identität und Gemeinschaft in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR1
Inhaltsverzeichnis3
I. Teil5
1. Einleitung5
1.1 Forschungsstand7
1.2 Identität und Gemeinschaft8
2. Entwicklungen der KJL in der DDR12
2.1 Literatur ab 1945 bis in die fünfziger Jahre12
2.2 Die sechziger Jahre14
2.3 Die siebziger und achtziger Jahre16
3. Stellung der KJL in der DDR- Staatlicher Anspruch und politische Einflussnahme19
3.1 KJL als Bildungsmedium19
3.2 Ideologischer Anspruch20
3.3 Ästhetischer Anspruch22
3.4 Zensur23
II. Teil27
4. Suche nach Gemeinschaft und neuer Identität - Flucht und Neuorientierung in Alfred Wellms „Pugowitza oder Die silberne Schlüsseluhr“27
4.1 Alfred Wellm27
4.2 Erzählsituation und Figur-Handlungs-Modell27
4.3 Personen29
4.4 Motive der Identitätssuche41
4.5 Ästhetische Darstellungsmittel46
4.6 Intertextuelle Bezüge47
4.7 Kritik an der Gesellschaft und den politischen Zuständen49
4.8 Neue Identität und neue Gemeinschaft nach dem Krieg51
5. Ausbruch aus der Gemeinschaft und Suche nach eigener Identität in Uwe Kants „Reise von Neukuckow nach Nowosibirsk“53
5.1 Uwe Kant53
5.2 Erzählsituation und Figur-Handlungs-Modell53
5.3 Personen56
5.4 Intertextuelle Bezüge63
5.5 Motive der Identitätssuche65
5.6 Ästhetische Darstellungsmittel69
5.7 Kritik an der Gesellschaft und den politischen Zuständen71
5.8 Identitätsbildung und Rückkehr in die Gemeinschaft72
6. Resümee74
7. Anhang77
8. Quellenverzeichnis79

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