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Lebensqualität aus Nutzersicht

Wie Menschen mit geistiger Behinderung ihre Lebenssituation beurteilen

AutorMarkus Schäfers
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl367 Seiten
ISBN9783531910154
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Das Konzept Lebensqualität bietet einen Betrachtungsrahmen zur Analyse der Lebenslagen von Menschen mit Behinderung und zur Weiterentwicklung des Rehabilitationssystems. Ausgehend von sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Lebensqualitätsforschung erarbeitet Markus Schäfers die Grundlagen für eine Lebensqualitätserhebung bei Menschen mit Behinderung zur nutzerorientierten Evaluation von Wohn- und Unterstützungsangeboten.

Dr. Markus Schäfers promovierte bei Prof. Dr. Elisabeth Wacker am Lehrstuhl für Rehabilitationssoziologie der Technischen Universität Dortmund. Er ist dort als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

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Leseprobe
3 Methodologische und methodische Aspekte der Erhebung von Lebensqualität (S. 81.82)

Ist Lebensqualität als offenes und sensibilisierendes Konzept zu verstehen (vgl. Kap. 1.2), stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Messbarkeit von Lebensqualität. Angesichts der vielfältigen Lebensentwürfe von Menschen, unterschiedlichen Lebensbedingungen und persönlichen Vorstellungen davon, was ein „qualitätsvolles Leben" ausmacht, können durchaus Zweifel an der Messbarkeit von Lebensqualität aufkommen (vgl. Matikka 2001, 37 f., Rapley 2003, 84 ff.). Wie in Kap. 1 dargestellt, ist Lebensqualität kein Merkmal, das direkt beobachtbar oder erfahrbar ist. Vielmehr ist Lebensqualität als Konstrukt aufzufassen und als forschungsrelevantes Konzept, um unsere psychische, physische, soziale und materielle Realität verstehbar zu machen: „Quality is not a thing but a concept, a particular construction, or abstraction, of reality. It has no independent existence in the world" (Osborne 1992, 438).

Das mit dem Begriff „Lebensqualität" Bezeichnete kann nur aus Indikatoren erschlossen werden, die wiederum das Ergebnis einer theoretisch mehr oder weniger sinnvollen Operationalisierung des Lebensqualitätskonzepts darstellen. Dabei ist kein einheitliches Betrachtungsmodell zu identifizieren: „We do not have an agreed-upon standard for determining anyone’s quality of life" (Taylor & Bogdan 1996, 11). Allerdings sind trotz aller individuellen Unterschiede und Gewichtungen erstaunliche Übereinstimmungen hinsichtlich derjenigen Aspekte der Lebensführung identifizierbar, die von nahezu allen Menschen als für ihre Lebensqualität essenziell genannt und anerkannt werden, analog besteht in der internationalen Lebensqualitätsforschung weitgehend Konsens über grundlegende Dimensionen und Prinzipien der Konzeptualisierung von Lebensqualität (vgl. Kap. 1.2). Diese sind in jeweiligen Untersuchungszusammenhängen immer wieder neu zu beleuchten, um relevante Indikatoren fokussieren zu können.

Insofern ist die Frage der Messbarkeit in erster Linie eine Frage der theoretischen Konzeptualisierung und Operationalisierung von Lebensqualität (vgl. Heal & Sigelman 1996, 91). Die Ebene der Methodologie ist nachrangig: Welche methodologischen Implikationen birgt das Konstrukt Lebensqualität? Lassen sich abgeleitete Indikatoren überhaupt empirisch überprüfen – und wenn ja: Wie lassen sie sich erfassen? „Selbstwertgefühl", „Zufriedenheit mit sozialen Beziehungen" oder „Lern- und Bildungsmöglichkeiten" können allesamt relevante Indikatoren für Lebensqualität sein, werfen aber in jeweiligen Forschungskontexten unterschiedliche methodische Probleme auf. Besonders beim Personenkreis der Menschen mit geistiger Behinderung stellt sich die Frage nach einem angemessenen methodischen Inventar zur Ermittlung subjektiver Lebensqualität.

Bei der Ableitung methodischer Zugangsmöglichkeiten können sowohl Hinweise der empirischen Sozialforschung, der allgemeinen Lebensqualitätsforschung und Erfahrungen mit speziellen Methoden in der Anwendung beim Personenkreis der Menschen mit geistiger Behinderung dienlich sein. Die empirischen Erfahrungen wiederum beeinflussen in einer Rückkopplung weitergehende konzeptuelle Auseinandersetzungen und können damit zu theoretischen Präzisierungen führen. Die Frage nach der Messbarkeit von Lebensqualität lässt sich also nicht generell, sondern nur in Abhängigkeit von den zugrunde liegenden theoretischen Vorstellungen und zu ermittelnden Indikatoren beantworten. Analog können bei der Planung einer Lebensqualitätsstudie konkrete methodologische Entscheidungen nicht vorab getroffen werden, sie müssen sich nach den jeweiligen Untersuchungszielen, dem Forschungsstand und dem spezifischen Erkenntnisinteresse richten (vgl. Bortz & Döring 2002, 53 ff.).
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis10
Abbildungsverzeichnis13
Tabellenverzeichnis15
Einleitung21
1 Das Konzept Lebensqualität25
1.1 Ansätze der Lebensqualitätsforschung26
1.2 Kerndimensionen und konzeptuelle Prinzipien von Lebensqualität34
1.3 Subjektives Wohlbefinden37
2 Lebensqualität als Leitbegriff sozialer Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung59
2.1 Von der institutionellen zur personenbezogenen Orientierung60
2.2 Diskussion um die Qualität sozialer Dienstleistungen69
2.3 Nutzerorientierte Evaluation und Wirkungsbeurteilung73
3 Methodologische und methodische Aspekte der Erhebung von Lebensqualität80
3.1 Methodologische Grundorientierungen und Zugangswege der Lebensqualitätsforschung81
3.2 Befragungsinstrumente zur Erhebung von Lebensqualität bei Menschen mit geistiger Behinderung95
3.3 Ergebnisse der Methodenforschung zur Befragung von Menschen mit geistiger Behinderung144
3.4 Grenzen der Befragung von Menschen mit geistiger Behinderung und methodische Alternativen173
3.5 Zusammenfassung und Empfehlungen177
4 Konzeption der empirischen Studie und Instrumententwicklung182
4.1 Zielsetzungen und Untersuchungsbereich182
4.2 Untersuchungsansatz185
4.3 Stichprobenauswahl187
4.4 Konstruktion des Erhebungsinstruments191
4.5 Weitere Datenquellen209
4.6 Untersuchungsdurchführung und Auswertungsverfahren211
5 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse214
5.1 Grundstrukturen der Wohneinrichtungen und Charakteristika der Stichprobe214
5.2 Indexbildung und empirische Überprüfung222
5.3 Lebensqualität aus Nutzersicht243
5.4 Methodenkritische Analyse der Befragung300
6 Diskussion der Ergebnisse321
6.1 Zur Güte des Befragungsinstruments321
6.2 Zur Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung in Wohneinrichtungen324
6.3 Zur Anwendbarkeit der Interviewmethodik bei Menschen mit geistiger Behinderung333
7 Resümee und Ausblick339
Literaturverzeichnis345

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