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E-Book

Wohngebäudeversicherung

AutorChristian Gierschek, Horst Dietz, Sven Fischer
VerlagVerlag Versicherungswirtschaft
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl608 Seiten
ISBN9783862987795
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis59,99 EUR
Dieser Kommentar zur Wohngebäudeversicherung, begründet von Horst Dietz, in der 3. Auflage neu bearbeitet von Sven Fischer und Christian Gierschek, gibt einen detaillierten Überblick über die vertraglichen Grundlagen und den Deckungsumfang anhand der Musterbedingungen VGB 2010 des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Die Wohngebäudeversicherung ist durch die Zunahme von Sturm- und Überschwemmungsereignissen zunehmend in den Fokus von Medien und Öffentlichkeit gerückt. Nicht zuletzt die Flutkatastrophen der Jahre 2002 und 2013 sorgten dafür, dass im Rahmen der Berichterstattung immer wieder nach der Versicherbarkeit der entstandenen Schäden gefragt wurde.
Die Versicherungswirtschaft hat den an sie gestellten Anforderungen dadurch Rechnung getragen, dass die weiteren Elementargefahren in die Grunddeckung der Wohngebäudeversicherung aufgenommen wurden. Auch mit der Aufnahme von Überspannungsschäden durch Blitz wurde die Deckung erheblich erweitert.

Der Kommentar orientiert sich an der Reihenfolge der einzelnen Bestimmungen. Dies ermöglicht den in der täglichen Arbeit unentbehrlichen schnellen Zugriff auf einzelne Problembereiche. Neben der aktuellen Gesetzeslage und neuesten Rechtsprechung finden auch die aktuellen Deckungserweiterungen Berücksichtigung.

Das Standardwerk wendet sich an Mitarbeiter von Antragsaufnahme- und Leistungsabteilungen, Versicherungsvermittler und -makler, Sachverständige, Gutachter, Richter und Rechtsanwälte. Darüber hinaus kann das Buch auch in der Ausbildung wertvolle Unterstützung leisten.


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Leseprobe

|6|A. Versicherungsfall


I. Bedeutung des Begriffs


1Die Überschrift des § 1 VGB 2010 (A) „Versicherte Gefahren und Schäden (Versicherungsfall)“ verdeutlicht, dass versicherte Gefahr und versicherter Schaden begrifflich nebeneinander stehen und voneinander zu trennen sind. Versicherte Gefahren sind die in § 1 Nr. 1 a) bis c) VGB 2010 (A) genannten Ereignisse. Versicherte Schäden treten ein, wenn die aufgeführten Ereignisse schädigend auf versicherte Sachen einwirken.

Anders ausgedrückt entstehen versicherte Schäden durch die Zerstörung, die Beschädigung oder das Abhandenkommen von versicherten Sachen infolge des Eintretens einer versicherten Gefahr innerhalb des Versicherungsorts während der materiellen Dauer des Versicherungsschutzes. Die Beweislast liegt beim Versicherungsnehmer. Er muss nachweisen, dass die Schäden an versicherten Sachen durch die Einwirkung einer versicherten Gefahr auf dem Versicherungsgrundstück entstanden sind und dass dies während der materiellen Dauer des Versicherungsschutzes geschehen ist.

Einen einheitlichen Begriff des Versicherungsfalls gibt es in der Schadenversicherung nicht. Die Bestimmung des Begriffs hat in der Wohngebäudeversicherung aber große Bedeutung, da an den Eintritt des Versicherungsfalls verschiedene Rechtsfolgen mit erheblichen materiellen Auswirkungen geknüpft sind.

2Grundvoraussetzung für die Leistungsverpflichtung des Versicherers ist der Eintritt des Versicherungsfalls während der Dauer des Versicherungsvertrages. In der Wohngebäudeversicherung tritt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt ein, in dem eine versicherte Gefahr beginnt, schädigend auf versicherte Sachen einzuwirken. Der Versicherungsfall tritt nicht bereits dann ein, wenn z. B. auf einem Nachbargrundstück ein Brand ausbricht oder Leitungswasser austritt. Vielmehr beginnt der Versicherungsfall erst dann, wenn eine wirtschaftlich nachteilige Veränderung des Zustands versicherter Sachen in Form der Zerstörung, der Beschädigung oder des Abhandenkommens einsetzt.

3Lediglich in der Feuerversicherung wird die Ansicht vertreten, dass der Ausbruch des Brandes auch dann bereits Eintritt des Versicherungsfalls ist, wenn der Brand zunächst an anderen, nicht versicherten Sachen ausbricht und erst später auf versicherte Sachen übergreift.[2] Diese umstrittene[3] abweichende Auslegung für die Feuerversicherung nach den AFB, die auf Gewohnheitsrecht beruht, ist jedoch nicht auf die VGB übertragen worden. In § 6 Nr. 2 VGB 62 war noch ausdrücklich bestimmt, dass der Versicherungsfall erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem sich die versicherte Gefahr an versicherten Sachen zu verwirkli|7|chen beginnt. Aber auch ohne diese ausdrückliche Regelung kann die genannte Auslegung auf die Wohngebäudeversicherung nicht übertragen werden. Denn in der Wohngebäudeversicherung existiert kein entsprechendes Gewohnheitsrecht, das letztlich das einzige Argument für die abweichende Auslegung in der Feuerversicherung darstellt. Der Versicherungsfall tritt somit nicht schon dann ein, wenn ein Brand ausbricht, Leitungswasser austritt oder ein Sturm einsetzt. Vielmehr ereignet sich ein Versicherungsfall erst dann, wenn die beschriebenen Schadenereignisse Schäden an versicherten Sachen anrichten. Probleme für den Ersatz von Rettungskosten treten wegen des dafür geltenden Grundsatzes der Vorerstreckung nicht auf (vgl. § 13 (B) Rn. 5).

4Die dargestellte Auslegung hat im Einzelfall ausschlaggebende Bedeutung für die Haftung des Versicherers, wenn nach dem Eintritt der Schadenursache (Entstehung des Brandes, Austritt von Leitungswasser) eine gewisse Zeit verstreicht, bevor die Schadenursache (der Brand, das Leitungswasser) beginnt, schädigend auf versicherte Sachen einzuwirken.

Beispiele:

  • Ein Waldbrand bricht aus, der erst nach einigen Tagen ein versichertes Gebäude erfasst.

  • Eine außerhalb des Versicherungsgrundstücks verlaufende Hauptwasserleitung bricht, es tritt längere Zeit unbemerkt Wasser aus, das erst nach einigen Tagen oder Wochen Nässeschäden durch den Kellerraum des versicherten Gebäudes anrichtet.

5Liegt der Beginn oder das Ende des Versicherungsvertrags zeitlich zwischen dem Eintritt der Schadenursache und dem Eintritt der ersten Beschädigungen an versicherten Sachen, so entscheidet der Begriff des Versicherungsfalls über die Haftung des Versicherers.

Beispiele:

  • Rohrbruch bzw. Brandausbruch 29. 6. 2014;

  • Beschädigung bzw. Zerstörung versicherter Sachen 2. 7. 2014;

  • Versicherungsbeginn/Versicherungsende 1. 7. 2014.

Endet der Versicherungsvertrag am 1. 7. 2014, besteht kein Versicherungsschutz, da der Versicherungsfall am 2. 7. 2014 eingetreten ist. Umgekehrt besteht Versicherungsschutz, wenn der Vertrag am 1. 7. 2014 begonnen hat. Wäre der Zeitpunkt des Rohrbruchs bzw. des Brandausbruchs zugleich der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, würde wiederum das Umgekehrte gelten.

|8|

6Keine eigenständigen Versicherungsfälle sind Kostenschäden und Mietausfallschäden.

II. Einheit des Versicherungsfalls


7Der Versicherungsfall in der Wohngebäudeversicherung ist kein augenblickliches, auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiertes Ereignis. Ein Versicherungsfall erstreckt sich in der Regel über einen längeren Zeitraum. Es handelt sich um einen sogenannten gedehnten Versicherungsfall.[4] Werden verschiedene versicherte Sachen durch dasselbe Schadenereignis nacheinander beschädigt oder zerstört, so handelt es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall, nicht um mehrere zeitlich nacheinander eintretende Versicherungsfälle.[5] Dies gilt auch im Hinblick auf Kosten- und Mietausfallschäden. Sachschaden, Kostenschaden und Mietausfallschaden bilden einen einheitlichen Versicherungsfall. Infolgedessen hängt die Ersatzverpflichtung für Kosten- und Mietausfallschaden im oben dargestellten Beispiel allein vom Einritt des Sachschadens ab.

8Der Versicherungsfall dauert an, solange durch das Schadenereignis, das den Versicherungsfall bewirkt hat, Schäden an versicherten Sachen oder versicherte Kosten- oder Mietausfallschäden entstehen. So liegt ein Versicherungsfall vor, wenn ein über Stunden andauernder Sturm nach und nach an verschiedenen Stellen des versicherten Gebäudes Schäden anrichtet. Die Einheit des Versicherungsfalls bleibt selbst dann gewahrt, wenn im Zeitverlauf andere versicherte Gefahren hinzutreten, die durch die zeitlich erste Ursache adäquat kausal herbeigeführt wurden. Wird durch Blitzschlag eine Antenne zerstört und ein Brand ausgelöst, liegt ein Versicherungsfall vor. Das Gleiche gilt, wenn infolge eines Brandes Rohre der Wasserversorgung brechen und Leitungswasser austritt, das Nässeschäden am Gebäude anrichtet. In beiden Fällen handelt es sich um einen Brandschaden. Es ist also in der Feuerversicherung nicht möglich, einen einheitlichen kausalen Geschehensablauf in mehrere Versicherungsfälle zu zerlegen.

Dies gilt auch dann, wenn durch einen Brand andere versicherte Gefahren ausgelöst werden, die ihrerseits Schäden an versicherten Sachen verursachen. Ähnlich liegt es, wenn ein Brand gelöscht wird, unbemerkt Glimm- und Schwelreste zurückbleiben, die später zu einem Wiederaufflammen des Brandes führen. Es handelt sich um einen einheitlichen Versicherungsfall. Der zweite Brand ist nicht ein zweiter Versicherungsfall, da er aus dem ersten entstanden ist und infolgedessen ein einheitlicher Versicherungsfall vorliegt.[6]

9Der Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls hat in der Wohngebäudeversicherung erhebliche praktische Auswirkungen. Die Entschädigungsgrenzen für |9|Aufräumungs- und Abbruchkosten und für Bewegungs- und Schutzkosten sowie für Mehrkosten infolge Preissteigerungen stehen je Versicherungsfall einmal zur Verfügung. Wäre es möglich, einen einheitlichen Schadenfall in mehrere Versicherungsfälle zu zerlegen, würden die Entschädigungsgrenzen unterlaufen. Der Versicherer könnte aus demselben Schadenfall mehrfach bis zur Höhe der Entschädigungsgrenze in Anspruch genommen werden.

Insbesondere in der Neu- und in der Zeitwertversicherung ergäben sich noch weitreichendere Konsequenzen. Nach § 13 Nr. 8 VGB 2010 (A) ist die Gesamtentschädigung für versicherte Sachen, versicherte Kosten und versicherten Mietausfall bzw. versicherten Mietwert in diesen Fällen je Versicherungsfall auf die Versicherungssumme begrenzt. Infolgedessen könnte eine betragsmäßig nahezu unbegrenzte Haftung realisiert werden, wenn ein einheitlicher Schadenfall in mehrere Versicherungsfälle aufgeteilt würde. Infolge der Einheit des Versicherungsfalls können diese aus der Sicht des Versicherers unerwünschten Wirkungen indessen nicht eintreten.

III. Abgrenzung der versicherten Gefahren


10Im Gegensatz zur Hausratversicherung nach den VHB 2010 gilt der Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls in der Wohngebäudeversicherung...

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