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Dresscode (Joop)

AutorWolfgang Joop
VerlagGräfe und Unzer Autorenverlag, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783833846526
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Wolfgang Joop lebt Klasse und guten Geschmack - in seiner Arbeit, in seinen Kreationen und in seinem Auftreten. Seit vielen Jahren arbeitet er mit Models und Modeschöpfern, Designern und Stylisten und kennt alle kleinen und großen Geheimnisse rund um Fashion und Beauty. Als Experte auf diesem Gebiet kann er heute sagen, dass wahre Schönheit tatsächlich von Innen kommt, von außen aber durchaus gut gestützt werden kann. Wer wäre also besser geeignet zu zeigen, was Schönheit und Eleganz ausmacht und wie jeder sie für sich entdecken kann? In Dresscode verrät Wolfgang Joop, wie Frau es schafft, das Beste aus dem eigenen Typ zu machen. Wie gelingt es, alleine durch Auftreten und Persönlichkeit zu beeindrucken? Wie wird Frau aber auch optisch zum echten Hingucker? Unzählige Beispiele aus dem Erfahrungsschatz des Designers, Dos and Don'ts sowie Tipps und Tricks für den Alltag machen auch Sie zum Runway Star. Das besondere Highlight dabei: die Illustrationen aus der Feder des Meisters.

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Leseprobe

1 CARINE ROITFELD


MADAME TRÈS COOL

Die Roitfeld hat natürlich absolut das, was man in Paris lernt und wirklich alle Frauen auf dem Planeten Fashion schon immer versucht haben zu imitieren: den ultimativen »Bobo-Schick«. Pardon? Na, diesen I-Don’t-Give-A-Shit-About-Fashion-Look eben. Sehr souverän, sehr selbstbewusst, sehr effortless. Sie ist einfach Miss Übercool. Punkt. Ein Blick auf irgendeinen Street-Style-Blog oder die Partyseiten einer Klatschzeitschrift verrät: La Roitfeld ist überall. Sogar eine eigene Website wurde dieser Doyenne der High Fashion gewidmet: »I Want To Be A Roitfeld«. Jeder Moment der Roitfeld-Familie ist dort minutiös dokumentiert. Lunch im vornehmen »Caviar Kaspia« mit ihrem mysteriös sexy Sohn Vladimir in Paris. Ein Playdate mit ihrer Tochter Julia und dem Enkelkind Romy im New Yorker Apartment. Ja, die Roitfelds sind so etwas wie die heimlichen Royals der Mode. Wer will nicht zum »Club Carine« dazugehören? Genau.

Ich verstehe gut, warum junge Frauen ihrem Stil erliegen. Er ist souverän. No Farce, no Firlefanz. Ihr Look ist immer à point. Der schmale Bleistiftrock, dazu ein hemdblaues Shirt mit weißen Manschetten. Sehr originell ist er nicht. Aber trotzdem gleitet man bei ihr nicht so ab wie bei vielen anderen sogenannten Street-Style-Ikonen. Während diese in einer permanenten Verkleidung herumlaufen, nur um den Fotografen zu gefallen, vermeidet eine Carine Roitfeld beim Styling effekthascherische Gimmicks. Sie hat diese Waffe nun wirklich nicht nötig. Immerhin ist sie Miss Professional Cool, nicht wahr? Die trotz ihres Alters, obwohl sie Mutter und Geliebte ist, noch vor Sex-Appeal und Finesse strotzt – und vor allen Dingen vor Ironie. Sie sieht doch eigentlich immer so aus, als hätte sie gerade einen dreckigen Witz erzählt. Man hat das Gefühl, sie versteht, dass Mode keine Religion ist, sondern Entertainment. Dass man auch wesentlich schicker ist als bad girl denn als good girl. Weil ja jeder weiß: Good girls kommen zwar in den Himmel, bad girls aber überallhin.

» MIT IHRER KACKFRECHEN ATTITÜDE STIEG SIE IN DIE ERSTE LIGA DER EDITORIALISTAS AUF. ROITFELD WURDE PLÖTZLICH SELBST ZUM MODESTAR «

Obwohl sie aus einer großbürgerlichen Pariser Familie stammt, umwehte die Roitfeld nie un air hautain, dieser kühle Habitus der bourgeoisen, feinsinnigen Pariserinnen. Gerade diese hat sie als Chefin der französischen »Vogue« von Anfang an vor den Kopf gestoßen. Mit Vorliebe steckte sie Männer in Lingerie, ließ Models in Kinderkleidern, mit offenen Mündern voller Pillen, im Schlachthaus oder einbandagiert wie nach einer Schönheits-OP fotografieren. Sie nahm einer weißen Bluse die Unschuld mit Piercings und nackten Brüsten, kombiniert zu Yves-Saint-Laurent-Anzügen und Handfesseln aus dem SM-Shop. Sie war es, die dem kaugummisüßen 90er-Jahre-Glamour seinen Zauber nahm, indem sie immer kleine Frivolitäten und Geschmacksübertretungen in ihre Modestrecken einbaute. Alles, was nach Tabubruch roch, wurde teuer inszeniert: gleich vier barbiekopfgroße Diamant-Rolex an einem Handgelenk, Pelz in Pastell und Kippe zwischen den schwarz lackierten Fingernägeln. Ihre Gucci-Frauen hatten das Geld, die Männer den Sex – so die Botschaft des »Porno Chic«, wie ihr zigfach kopierter Stil getauft wurde. Es war aber alles andere als eine Sexpostille, was sie da herausbrachte. Es war einfach provokant. Vor allem für die eingefleischten »Vogue«-Leserinnen, die sich das Heft unter der Trockenhaube beim Coiffeur genehmigten. Mon Dieu! Mit ihrer kackfrechen Attitüde stieg sie in die erste Liga der Editorialistas auf. Roitfeld wurde plötzlich selbst zum Modestar.

Was aber ist Carines Stil-Geheimnis? Wie schafft sie es, so effortless elegant und doch dirrrrty auszusehen? Ich verrate es euch. Es ist nicht der dicke Gürtel oder die teure Designer-Tasche. Es ist das ganz Banale. Denn: Was ist schon ein beiger Rock? Das ist doch wirklich das Dümmste, was es gibt! Da würde ich im Leben nicht drauf kommen. Dieses Stück Rock, das einer Landleberwurst ähnelt und unmöglich pikant sein kann. Und ihr gelingt es. Kombiniert dazu auch noch ganz frech eine Bluse mit Contrast-Collar – diese Dinger hat man vorher höchstens noch an zugeknöpften New Yorker Bankerinnen gesehen. Bei Carine wird aber selbst das zum Sexspielzeug, indem sie das Shirt auf Bauchnabelhöhe aufknöpft. Eigentlich könnte jede Frau ihren Look nachmachen. Weil es wirklich essentiell ist. An ihrem Look kann keiner etwas aussetzen. Nicht der Spießer, nicht der Fashion-Fetischist, niemand. Der ist wirklich safe. Nun wissen wir aber, dass die einfachsten Dinge schon immer die meiste Mühe gemacht haben. Das ist so ähnlich wie die Frage: »Wer macht die besten Bratkartoffeln?« Ganz einfach: der, der neben Salz und Pfeffer auch eine Prise Zucker dazugibt. Auch bei Carine bekommt der Look durch das Simple einfach eine Brisanz. Man guckt zweimal hin und denkt: Warum ist das eigentlich so unverschämt? Weil es so alltäglich ist. So everyday. Aber ganz schmerzfrei ist das eben nicht, was sie da veranstaltet. Die Carine-Formel mag simpel sein, aber bequem ist sie nicht. Ihr Look geht nur mit Souveränität, der geht nur mit High Quality, der geht nur mit einem geraden Rücken.

» VIELE LEUTE GLAUBEN, WENN SIE ETWAS SICHERES ANHABEN, DANN IST ES AUCH BEQUEM. STIMMT ABER NICHT.

WENN ES GANZ SICHER IST, DARF ES ÜBERHAUPT NICHT BEQUEM SEIN «

Wenn man sich die Outfits von Carine Roitfeld genauer anschaut, sieht man Folgendes: Madame trägt vorzugsweise Bleistiftrock, Bluse und High Heels, am liebsten Dunkelblau oder Schwarz. Stimmt, das ist safe, aber casual ist es nicht. Der Blazer gespannt, der Rock knalleng, die Heels zentimeterhoch: Genau das macht ihren Look zu einem Balance-Akt. Das ist eben NICHT der Blazer von Frau Merkel. Er ist nicht lässig. Er ist auf den Punkt. Viele Leute glauben, wenn sie etwas Sicheres anhaben, dann ist es auch bequem. Stimmt aber nicht. Wenn es ganz sicher ist, dann darf es überhaupt nicht bequem sein. Das ist wie bei einer Uniform. Die zwingt einen zu einer Haltung, die den Unterschied zu allen anderen macht, die dasselbe tragen wie man selbst. Das ist zum Stechschritt verordnete Disziplin. Und Carine Roitfeld trägt im Prinzip auch Uniform. Sie variiert zwar innerhalb des Stils den Stil, damit ihr Look nicht zur klassischen Stereotype wird. Aber ihr Trick ist nicht, dass sie Basics trägt. Ihr Trick ist, dass es niemals bequem ist.

» DAS WICHTIGSTE: EINE GUTE KÖRPERHALTUNG. DAS IST SCHON DIE HALBE MIETE, UM GUT AUSZUSEHEN «

Um den simplen Roitfeld-Look zu tragen, muss man eine astreine Körperbeherrschung haben. Sonst: Figur weiterhin in den Jogging-Anzug werfen und back to the couch! Das schmale Oberteil, das sie trägt, erlaubt nur wenig Fast Food. Darin kann man nicht einfach so rumhängen. Madame Roitfeld weiß natürlich, wie man sich darin richtig hält. Das kennt sie noch von ihren Ballettstunden. Ihr Look ist trainiert. Apropos: Das finde ich das Wichtigste. Eine gute Körperhaltung. Das ist schon die halbe Miete, um gut auszusehen. Diese ganzen Schlabberlooks, die ich tagein, tagaus an jungen Mädchen sehe, dann noch kombiniert mit einer unsicheren Körperhaltung, das ist doch unattraktiv. Girls, nehmt euch bitte ein Beispiel an Carine. Das lohnt sich auch in anderer Hinsicht. Weil sie etwas Sportives hat, hat sie eine sehr jugendliche Ausstrahlung – und das, obwohl sie wirklich nicht mehr jung ist. Das erlaubt ihr, Dekolleté und Busen zur Schau zu stellen. Durch die Schulterhaltung, den Hals und die Beine wirkt das absolut sportlich. Obgleich man sieht, dass die Beine nicht mehr jung sind und der Hals nicht mehr glatt ist. Aber sie hält es hier wie Diana Vreeland: Problemzonen werden nicht versteckt, sie werden hervorgehoben.

» Vorsicht! IN billigeM MATERIAL ODER SCHLECHTEM SCHNITT MACHT EIN BEIGER ROCK AUS JEDER FRAU EINE VORSTADT-TRUTSCHE «

Bei Carines Look erkennt man, dass jedes einzelne Stück teuer ist. Nicht irgendeine Dekoration, irgendein experimenteller Schnitt oder irgendeine wilde Print-Kombination lenkt von der Qualität des Schnittes oder des Stoffes ab. Der Roitfeld-Dresscode besteht in der Simplizität. Aber Vorsicht! So ein simpler Rock in Beige ist hochgefährlich! In billigem Material oder schlechtem Schnitt macht er aus jeder Frau eine Vorstadt-Trutsche. Nicht bei ihr. Carine kann cool. Sie hat ja nun mal den Vorsprung, alle Variationen der Mode gesehen zu haben. Es liegt aber auch daran, dass sie eigentlich immer nackte Beine trägt, also keine Netzstrümpfe oder irgendwas Lustiges untenrum. Überhaupt: Carine kleidet sich ausnahmslos...

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