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E-Book

Herrchentrubel

Graue Schnauze, großes Glück

AutorMichael Frey Dodillet
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641157586
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Herrchen ärgern leicht gemacht
Zehn Jahre lang hat sich Herrchen von zwei verrückten Hunden auf der Nase herumtanzen lassen. Doch ab zehn werden Hunde bekanntlich ruhiger. - Ruhiger? Herrchen weiß nicht mehr, wer ihm diesen Unsinn erzählt hat. Tatsache ist, dass Luna auch im hohen Alter noch alles zusammenfaltet, was nicht bei drei auf dem Baum ist, und Wiki Selbsterbrochenes bewacht, als handle es sich um die Goldreserven von Fort Knox. Während Trainer Krause von Handauflegen bis zu mantraartigen Lalala-Gesängen alles empfiehlt, was die Fachwelt an Absurditäten zu bieten hat, wird Herrchen klar: Es gibt nichts Schöneres als vierbeinige Dickschädel, die sich nicht verbiegen lassen. Dann jedoch entpuppt sich eines Tages eine harmlos aussehende Beule bei Luna als bösartiger Tumor, und auf einmal wird Herrchen schmerzlich klar, dass auch das wildeste Hundeleben einmal zu Ende geht ... Unterhaltsam, witzig und emotional berührend wie nie!

Michael Frey Dodillet, geboren 1961 in Singen am Hohentwiel, arbeitet als Werbetexter für diverse Agenturen in Düsseldorf, Hamburg, München und in der Schweiz. Mit seiner Frau lebt er in Erkrath bei Düsseldorf. Die drei Kinder sind aus dem Haus, geblieben sind ein aufmüpfiger Hund, Wühlmäuse in den Rabatten und ein nicht erwünschter Steinmarder unterm Dach. Bei Heyne erschienen bereits seine drei Bestseller »Herrchenjahre«, »Herrchenglück« und »Herrchentrubel« sowie »Herrchen will nur spielen« und seine Romane »Die Toskanamänner« und »Männer al dente«.

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Leseprobe

Hell’s Granny

»Was macht Luna da?«, fragt meine Frau und schaut zu, wie unsere Hündin in einer Staubwolke am Horizont verschwindet.

»Sie verschwindet in einer Staubwolke am Horizont«, sage ich.

»Das sehe ich auch«, sagt Stella. »Aber warum macht sie das?«

»Wahrscheinlich ist irgendwo da hinten Wolfi.«

Wolfi und Luna kennen sich seit ungefähr zehn Jahren und wollen sich seit ungefähr zehn Jahren umbringen, wenn sie sich begegnen.

»Das war eine rhetorische Frage«, seufzt meine Frau. »Mir ist auch klar, dass da hinten irgendwo Wolfi ist. Aber warum macht sie das? Luna ist elf. Weißt du, wie alt sie als Mensch wäre? Unter Berücksichtigung ihrer Größe und ihres Gewichts umgerechnet etwa fünfundachtzig! Wie kann man mit fünfundachtzig in einer Staubwolke am Horizont verschwinden, nur weil man sich auf eine Schlägerei freut? Das ist die brutalste Oma, die ich kenne.«

»Sei froh, dass sie keinen Rollator hat«, murmele ich. »Dann wäre sie noch schneller.«

»Mich erinnert sie an die Hell’s Grannies von Monty Python. Die haben mit ihren Handtaschen auch immer wahllos auf Passanten eingeschlagen.«

Versonnen blicken wir unserer rüstigen Rentnerin hinterher, die fünfhundert Meter weiter vorn abbiegt, wie eine Drohne in die Baumschule hineindonnert und nicht eher wieder herauskommen wird, bis sie Wolfi auf den Mond geschossen hat – mitsamt Bauer Fürmann, dem Sohn von Bauer Fürmann, der Frau von Bauer Fürmann und den vier Pappeln, die blöde hinter ihnen herumstehen.

Alles wie gehabt.

Das ist das Schöne an unserem Städtchen. Es verändert sich mit den Jahren absolut nichts. Nelly zetert immer noch im verglasten Erker, Gisbert ist suizidgefährdet, Wolfi findet Luna doof, und Luna findet Wolfi doof. Manchmal ist Wolfi nicht auf dem Bauernhof, weil er spazieren geht. In diesem Fall findet Luna das grüne Eisentor doof, hinter dem Wolfi normalerweise auf und ab rennt. Sie detoniert, ob er da ist oder nicht.

Meistens bleiben wir vor dem Tor stehen, bis sie sich wieder beruhigt hat. Das dauert nicht lange. Ein Krause – wir nennen alle fünftausend Hundeahnunghaber, denen wir im letzten Jahrzehnt begegnet sind, der Einfachheit halber Krause –, also ein Krause hat gesagt, Ausharren vor dem Tor sei eine gute Übung, wir sollten das regelmäßig praktizieren. Es ist nur ungünstig, wenn plötzlich der Heinz mit seinem brummelnden Husky ins Training platzt und gedankenlos zwischen uns und Wolfis Tor hindurchspaziert.

KAAA – – – WUMM!

Heinz und Husky werden jedes Mal ganz schnell. Sie trauen mir nicht. Es sieht ja auch irrsinnig aus, wie ich mit einem wild schlängelnden, pelzigen Vierzig-Kilo-Aal in den Händen dastehe und zwischen den Zähnen hervorpresse, er brauche sich keine Sorgen zu machen, es sei alles in Ordnung. Der ginge in diesem Moment wahrscheinlich lieber mit Freddy Krueger ein Bier trinken.

Dabei weiß Heinz doch wie alle anderen im Viertel, wie es um uns bestellt ist. Luna laboriert an einer kombinierten Freilauf- und Leinenaggression sowie an diversen weiteren Macken, die ihr in der Nachbarschaft die Berufsbezeichnung Problemhund eingebracht haben. Ich finde diesen Begriff diskriminierend und spreche lieber von einer emotionsflexibel veranlagten Andersbefähigten mit Perforationshintergrund.

Das geht in etwa so.

»Hören Sie mal, Sie! Ja, Sie! Wenn Ihre aggressive Töle noch einmal auf meinen Gisbert losgeht, zeige ich Sie an.«

»Luna ist nicht aggressiv, sie ist nur disruptiv launenfehlreguliert. Außerdem habe ich sie an der Leine. Es kann nichts passieren, solange Gisbert nicht wieder in uns hineinrennt. Wollte er sich gerade umbringen?«

»Das kann ich nicht verhindern. Gisbert hört ja nicht.«

Damit ich während des in scharfem Ton geführten nachbarschaftlichen Verhörs nicht von den Füßen gerissen werde, praktiziere ich den dodilletschen Schwitzkasten, der sich schon bei Husky-Heinz so gut bewährt hat. Ich drücke die vor Mordlust vibrierende Luna an mein linkes Bein, vergrabe beide Fäuste tief in ihrer Halsschwarte und verwandele mich in einen stählernen Schraubstock. Es ist das Einzige, was zurzeit einigermaßen hilft.

Neben uns steht Wiki und schaut schwanzwedelnd zu. Wiki ist Lunas kleiner Rüde. Sie hat ihn vor vier Jahren bekommen. Wir dachten, wenn Luna morgens jemanden zum Verkloppen hat, ist sie nachmittags auf der Hunderunde besser gelaunt. Eines von vielen hochambitionierten Erziehungskonzepten, die leider nicht aufgegangen sind.

»Sie können dankbar sein, dass ich noch nicht beim Ordnungsamt war.«

»Ich bin sowas von dankbar, Frau, äh …«

»Mein Gisbert traut sich kaum noch aus dem Haus.«

»Dafür ist er aber sehr oft alleine unterwegs.«

Ihren vernichtenden Blick nehme ich nicht wahr. Ich habe alle Hände voll zu tun. Luna versucht, rückwärts aus meinen Armen zu entkommen, um den verängstigten, traumatisierten Gisbert zu schreddern, dessen Nase sich gerade in ihren Hintern bohrt, als gäbe es dort Erdöl.

»Sie! Ihr Hund windet sich gleich aus Ihrem Griff.«

»Ja, es ist im Augenblick nicht einfach«, schnaufe ich. »Vielleicht möchten Sie mit Gisbert weitergehen?«

»Gisbert! Komm mal bei dem Hund wech!«

»Er hört nicht!«

»Sag ich doch.«

Der Gisbert soll mal froh sein, dass ich unser Equipment regelmäßig überprüfe, denke ich. Es hat auch Zeiten gegeben, da habe ich das nicht getan. Da habe ich blind darauf vertraut, dass Edelstahl Edelstahl ist und Hund eben Hund. Also ein Häuflein Fell, Haut und Knochen auf der einen Seite und auf der anderen Seite massives Roheisen, geschmolzen in einem achttausend Grad heißen Lichtbogenofen, veredelt mit Chrom, Nickel und Molybdän. Wer denkt denn da an Ermüdungsbruch? Beim Hund vielleicht. Aber doch nicht beim Stahl!

Seit einer peinlichen Szene im Neanderteal weiß ich jedenfalls, dass eine lockere Leine nicht zwingend etwas mit vorbildlicher Leinenführigkeit zu tun haben muss. Es kann auch einfach sein, dass – PZOIIINGGG! – das Kettenhalsband in der Mitte durchreißt und man mit baumelndem Equipment blöd im Wald steht. Als leidgeprüfter Krawallmausinhaber bin ich heilfroh, dass die Gegnerin kein nach Feuerwehr, Ordnungsamt und Landesjagdverband kreischendes Gisbertfrauchen war, sondern eine geistesgegenwärtige Johanna Bond 007 mit der Lizenz zum Deeskalieren.

Während ich noch irritiert auf das pulverisierte Edelstahlhalsband in meiner Hand blickte, stürzte sich Luna schon auf das zarte Windspiel, das uns vergnügt entgegentänzelte. Dessen Besitzerin war mindestens genauso verwundert wie ich. Eben hingen meine beiden doch noch an Strippen? Wie konnte es da sein, dass eine braun gefleckte Mistkröte aus unserem Dreierverbund herausflog und sich über ihren Schatz hermachte? Vor Schreck ließ ich Wikis Leine fallen. Meine aufgebrachte schwarz-weiße Radaurassel startete sofort durch und raste hinter Luna her. In trauter Zweisamkeit ist so eine Schlägerei noch viel schöner. Mein Gott, ja, ich habe auch schon mal besser ausgesehen.

Die Verblüffung der Frau hielt nur kurz an. Dann kam 007 zum Vorschein. Sie schickte ihren Hund mit einem knappen Befehl in den Wald und ließ ihn dort Kreise laufen. Seelenruhig wartete sie ab, bis er mit Luna auf den Fersen zum dritten Mal wieder an ihr vorbeigaloppierte. In einer einzigen fließenden Bewegung irritierte sie meine wutschnaubende Hündin durch einen geschmeidigen Sohlenstups in die Flanke, sodass Luna kurz aus dem Takt kam und ich sie mit einem Hechtsprung einsacken konnte, schnappte sich Wikis Leine, bevor dieser Lunas frei gewordenen Job als Oberhetzer übernehmen konnte, drückte mir die Leine in die Hand und rief ihr Windspiel zu sich. »Ganz normal alles, sind halt Hunde«, sagte sie freundlich und ließ mich mit offenem Mund stehen.

Eine Heldin des Gassigangs, bis heute leider anonym geblieben. Ich weiß also immer noch nicht, wo der Bundespräsident den Orden hinschicken soll. Seither zerre ich jedenfalls einmal pro Monat prüfend an allen im Haus befindlichen Karabinern, Haken, Ösen und Kettengliedern.

»Wir sind dann mal wieder weg«, macht Gisberts Frauchen mir Hoffnung.

»Ja bitte«, flehe ich. »Seien Sie mal wieder weg.«

Luna zuckt wie ein Berserker. Gleich hebelt sie mich von den Füßen.

»Das muss aber bald mal besser werden mit Ihnen.«

»Gnmmpf.«

»Ist ja kein Zustand.«

»Bnmmpf.«

»Halten Sie bloß diesen gefährlichen Hund fest.«

»K-k-k

»Gisbert! Fuß!«

Die beiden trollen sich. Gisbert interpretiert Fuß sehr liberal. Fuß bedeutet für ihn, dass er seine Alte gerade noch am Horizont erkennen können muss. Bei klarer Sicht liegen zwischen Gisbert und Fuß auch schon mal tausend Meter.

Soviel also zu den Hunden des Viertels.

Gisbert, Nelly, Wolfi, Husky, Wiki, Luna.

Die tobsüchtige Kuvaszin zählt nicht richtig dazu. Die wohnt ein bisschen außerhalb hinter den Pappeln und tut, was ein Herdenschutzhund tun muss: Sie schützt ihre Herde. Will heißen, den Rasen, den Maulwurf, die Bienchen, die Liegestühle, den Grill, die Hecke. Man kann nie richtig erkennen, ob sie im Garten lauert oder nicht. Luna und ich rennen immer völlig ahnungslos in die Katastrophe hinein. Die Kuvaszin will Luna den Garaus machen und Luna der Kuvaszin. Dazwischen...

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