1.2 Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik
Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik stellt ein Idealbild dar, das sich aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ableitet.
§1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes aus dem Jahr 1967
„Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.“
Es ist kaum möglich, alle Ziele in gleichem Maße zu erreichen. Es geht vielmehr darum, die verschiedenen Ziele einer Wirtschaftspolitik in einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht zueinanderzuhalten und gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle mit entsprechenden Maßnahmen regulierend einzugreifen. So führt beispielsweise ein wirtschaftliches Wachstum in der Regel zu Preissteigerungen. Der Staat kann hier regulierend eingreifen, indem er Steuern erhöht, um die Wirtschaft zu bremsen. Umgekehrt kann der Staat durch Investitionen in die Infrastruktur (Straßenbau u.ä.) oder Steuersenkungen positive wirtschaftliche Signale zur Ankurbelung der Wirtschaft setzen.
|24|Magisches Viereck/Magisches Sechseck
Das stetige und angemessene Wirtschaftswachstum wird anhand des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) gemessen. Eine jährliche Steigerung des BIP von 3–4 % gilt als Zielwert.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
Das BIP ist die Summe aller Güter und Dienstleistungen von In- und Ausländern, abzüglich der Vorleistungen in einem bestimmten Zeitraum (i.d.R. 1 Jahr), die innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt werden.
Inflation
Von einer Inflation spricht man bei einer anhaltenden Steigerung des allgemeinen Preisniveaus. Dies führt zu einer Geldentwertung und zu einem Kaufkraftverlust.
Deflation
Deflation steht für ein anhaltend sinkendes Preisniveau. Dies führt zur Geldaufwertung und einer Steigerung der Kaufkraft.
Ein stabiles Preisniveau wird anhand des Verbraucherpreisindex (umgangssprachlich Inflationsrate) gemessen. Der Zielwert hier liegt bei 0–2 % Preissteigerung. Sicherlich haben Sie schon einmal vom so genannten Warenkorb gehört. Das Statistische Bundesamt erfasst in diesem Warenkorb monatlich die Preise von rund 600 Güterarten und gewichtet sie nach einem festgelegten Wägungsschema. Das Ergebnis wird dann mit dem entsprechenden Vormonatsergebnis verglichen und heraus kommt der Verbraucherpreisindex für die allgemeine Lebenshaltung aller Haushalte in Deutschland.
|25|Wenn es um das Preisniveau und somit um den Geldwert geht, gibt es zwei wichtige Begriffe: Inflation für eine anhaltende Geldentwertung und Deflation für eine anhaltende Geldaufwertung.
► Aus der Praxis: Die zwei Gesichter der Inflation und Deflation
Inflation und Deflation haben beide zwei Gesichter: sie bieten Vorteile und haben Nachteile. Es gibt einerseits Profiteure und andererseits Benachteiligte.
Vereinfacht gesagt: die Inflation nützt Schuldnern und schadet Gläubigern. Bei der Deflation verhält es sich genau umgekehrt.
Inflation:
Freuen können sich Sachwertebesitzer (Aktien, Immobilien, Rohstoffe) und Arbeitnehmer, die ein variables Einkommen beziehen, das an die Inflation angepasst werden kann.
Freuen können sich auch Kreditnehmer, denn ihr Kredit und ihre Kreditraten bleiben auch bei steigender Inflation unverändert. Allerdings schrumpft der reale Wert einer Geldforderung mit steigender Inflation. Aus diesem Grund sind hoch verschuldete Staaten übrigens auch nicht selten Befürworter der Inflation und ergreifen gerne Maßnahmen, die die Inflation noch weiter erhöhen. Ist die Inflationsrate höher als der Kreditzins, schmilzt der Kredit wie durch ein Wunder.
Negative Auswirkungen hat eine hohe Inflation für Sparer und Anleger mit niedrigverzinsten Geldanlagen (Anleihen, Bankeinlagen) und für Bezieher fester Einkommen. Die Inflation schwächt die Kaufkraft und frisst das meist niedrig verzinste Ersparte auf. Bisher haben Privatanleger oft viel zu spät auf eine sich ankündigende Inflation reagiert und ihr Geld nicht rechtzeitig umgeschichtet und gesichert.
Vielleicht fragen Sie sich gerade, ob dann eine Deflation nicht doch die bessere Alternative ist. Immerhin bringt diese eine Geldaufwertung und einen Kaufkraftgewinn. Leider verhält es sich so, dass eine Deflation im Rahmen eines wirtschaftlichen Abschwungs oder gar einer Depression auftritt. Und da dies unsichere Arbeitsplätze und schrumpfende Gewinne mit sich bringt, hortet jeder lieber sein Geld, anstatt es zu konsumie|26|ren. Außerdem könnten die Preise ja vielleicht noch niedriger werden, und das ist ein weiterer Grund sich mit Investitionen und Konsum zurückzuhalten. Daraus kann eine regelrechte Abwärtsspirale für die Wirtschaft entstehen. Deshalb wird die Deflation wie ein Schreckgespenst gefürchtet.
Praxistipp
Unter www.destatis.de, der Internetseite des Statistischen Bundesamtes, finden Sie einen persönlichen Inflationsrechner. Hier können Sie Ihre persönlichen Konsumgewohnheiten einstellen und somit die Preise individuell gewichten.
Der Beschäftigungsgrad wird anhand der Arbeitslosenquote gemessen, die höchstens 3 % betragen soll.
Beim außenwirtschaftlichen Gleichgewicht geht es um das Gleichgewicht zwischen Export und Import (bezogen auf Waren und Dienstleistungen). Gemessen wird dies anhand der Außenbeitragsquote
Deutschland erzielt seit Jahren eine positive Außenbeitragsquote, d.h. der Export überwiegt.
Nominales und reales BIP
Der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres und innerhalb eines Landes erwirtschaftet werden, wird als nominales BIP bezeichnet. Preissteigerungen und positive Wechselkurse erscheinen als Wirtschaftswachstum. Das nominale BIP wird für den internationalen Ländervergleich wirtschaftlicher Leistung herangezogen. Beim realen BIP werden Preiseffekte wie Preissteigerungen in Form der Inflationsrate und Währungseffekte wie Wechselkursschwankungen herausgerechnet (preisbereinigtes BIP). Das Ergebnis beim realen BIP ist eine Aussage darüber, wie viel Güter und Dienstleistungen tatsächlich produziert wurden, ohne Wirtschaftswachstumseffekte durch Preisschwankungen.
|27|Kommen wir nun nochmal zurück auf das angestrebte Gleichgewicht zwischen den vier Komponenten Außenwirtschaft, Wirtschaftswachstum, Preisniveau und Beschäftigungsniveau. Im Rahmen einer ausgewogenen Wirtschaftspolitik im Sinne des Vierecks muss die Politik mögliche Zielkonflikte im Auge behalten:
Wirtschaftswachstum geht mit Preissteigerungen einher: Durch die Erhöhung der Staatsausgaben kann die Auftragslage der Unternehmen verbessert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies führt in der Regel auf der anderen Seite zu Preissteigerungen.
Stabile Preise stehen dem Wirtschaftswachstum und der Vollbeschäftigung entgegen: Preissteigerungen bedeuten Inflation. Soll diese durch Senkungen der staatlichen Nachfrage und der steuerlichen Förderungen (bspw. durch Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten) verringert werden, ist gleichzeitig das Ziel der Vollbeschäftigung gefährdet.
Steigt die Produktion, werden mehr Rohstoffe benötigt. Die Anbieter dieser Rohstoffe können aufgrund der erhöhten Nachfrage ihre Preise erhöhen. Die erhöhten Rohstoffpreise schlagen sich in den Preisen der damit produzierten Produkte nieder und werden somit an den Verbraucher weitergegeben. Steigende Inflation droht.
Wirtschafts- und Konjunkturpolitik
Unter der Wirtschaftspolitik eines Staates versteht man die Gesamtheit aller staatlichen Maßnahmen, mit denen in die Wirtschaft regelnd eingegriffen wird. Die wirtschaftspolitischen staatlichen Maßnahmen, die im Interesse des magischen Vierecks bzw. Sechsecks in die Prozesse der Wirtschaft eingreifen, werden als Konjunkturpolitik bezeichnet.
Seit 1967 haben sich die wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen sehr stark verändert und dem magischen Viereck werden „blinde Flecken“ in Form von fehlenden qualitativen Zielen vorgeworfen. Daraus hat sich das magische Sechseck entwickelt. Dies enthält das Ziel einer gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung sowie des Umweltschutzes.
Fiskalpolitik
Die Fiskalpolitik ist Teil der Konjunkturpolitik und umfasst die Steuerung der konjunkturellen Entwicklung durch staatliche (Staat/Staatskasse = Fiskus) Einnahmen- und Ausgaben. Dazu gehören Steuern, Staatsverschuldung, Subventionen, Transferleistungen.
|28|Internationale Organisationen im Welthandel
Im April 1944 trafen sich die 4 Siegermächte des 2. Weltkrieges, um eine...