2 Ortsunabhängig arbeiten
»Arbeit ist etwas, das man tut, nicht ein Ort, an den man geht.«
Cali Ressler und Jody Thompson
Ist dir eigentlich bewusst, dass unser Selbstverständnis von Arbeit noch gar nicht so lange existiert? Und doch nehmen es so viele von uns als gegeben hin, ohne das bestehende System zu hinterfragen.
Vor der industriellen Revolution gab es keine Trennung von Arbeit und Freizeit. Jahreszeiten und Ernte bestimmten Beginn und Ende des Arbeitstags eines Bauern. Zu dieser Zeit waren die Menschen sehr viel selbstständiger in der Bewältigung ihres Lebensunterhalts. Mit der Industrialisierung veränderte sich das Arbeitsleben der Menschen vollständig, da die mit dem industriellen Zeitalter verbundene Fabrikarbeit dazu führte, dass Arbeitsplatz und Wohnort voneinander getrennt wurden. Das Konzept der Arbeitszeit, also der Verkauf von Lebenszeit gegen eine monetäre Entlohnung, entstand. Anders als bei Landwirten, Goldschmieden und Händlern zählten nicht mehr die Ergebnisse der Arbeit, sondern vorrangig die geleisteten Stunden.
Seit Beginn der Industrialisierung wird Erwerbsarbeit auf eine Lebensphase festgelegt und nach kategorisierten Berufen ausgeführt, die ein Leben lang beibehalten werden. Die Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort (Privatleben) erachten wir heute als selbstverständlich. Doch gerade werden wir Zeugen einer erneuten Revolution, die uns den Ausbruch aus dem vorherrschenden Arbeitssystem der letzten 200 Jahre ermöglicht.
Im 21. Jahrhundert verändert die digitale Revolution unser bisheriges Verständnis von Arbeit. Auf der einen Seite wird sie als Gefahr für eine steigende Arbeitslosigkeit gesehen, da neue Technologien zu wachsender Automatisierung und somit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen können.13
Zu diesen neuen Technologien gehört natürlich auch das Internet. Mit seiner wachsenden Anzahl an Onlinemarktplätzen beginnt das Internet beispielsweise, lokale Geschäfte zu verdrängen und Arbeitsplätze freizusetzen. Auf der anderen Seite wird die digitale Revolution jedoch für viele Menschen – wie für dich als Leser dieses Buches – zur Chance für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten. Ein Leben und Arbeiten weit entfernt von den veralteten Lebens- und Arbeitsformen des vergangenen Zeitalters der industriellen Fabrikarbeit und der Arbeitsteilung.
Der technologische Fortschritt des digitalen Zeitalters kreiert neue Arbeitsplätze mit komplett neuen Arbeitsbedingungen, die zu wiederum neuen Lebensumständen führen. Willkommen im Zeitalter der digitalen Selbstständigkeit mit völlig neuen Möglichkeiten. In diesem Kapitel geht es darum, wie du dir eine ortsunabhängige Selbstständigkeit aufbaust, ohne dabei zwischen Arbeit und Leben trennen zu müssen.
Der wichtigste Baustein für dein ortsunabhängiges Leben ist ein Einkommen, das nicht an einen fixen Arbeitsplatz gebunden ist. Das Internet bietet nahezu unendliche Möglichkeiten, um Dienstleistungen und Produkte unabhängig von Ort und Zeit zu verkaufen. Im Grunde gibt es zwei Herangehensweisen:
•Du kannst als Freelancer deine individuelle Arbeitszeit anbieten oder
•mit deinem eigenen Onlinebusiness ein Geschäftskonzept umsetzen, das unabhängig von deiner Arbeitszeit funktioniert.
Mit anderen Worten: Du kannst dein Einkommen im Internet aktiv (als Freelancer) oder passiv (mit einem Produkt oder einer automatisierten Dienstleistung) verdienen.
Als Freelancer bietest du Dienstleistungen als Berater, Coach oder beispielsweise Übersetzer gegen ein vorher festgelegtes Entgelt an. Deine Einkommensgrenze entspricht dabei deiner verfügbaren Arbeitszeit und der Höhe deines Stundenlohns.
Diese Grenzen gibt es bei einem Onlinebusiness nicht, denn damit hast du die Möglichkeit, ein sich selbst verkaufendes Produkt oder eine sich selbst verkaufende Dienstleistung anzubieten, ohne dass du permanent an den Prozess der Leistungserbringung gebunden bist. Dadurch ermöglichst du eine theoretisch unbegrenzte Skalierung deines Einkommens.
Warum also überhaupt die Option eines Freelancers in Betracht ziehen? Ganz einfach: Weil der Einstieg deutlich leichter fällt und innerhalb von kurzer Zeit Geld auf dein Konto fließt. Ein Onlinebusiness setzt hingegen ein größeres Maß an Vorkenntnissen voraus und benötigt mehr Vorlaufzeit, bis es profitabel ist.
Solltest du dich noch in einem Angestelltenverhältnis befinden oder unter finanziellem Druck stehen, dann ist das Freelancing eine gute Option. In der Regel wirst du direkt nach Abschluss eines Projekts bezahlt und benötigst aus diesem Grund keine größeren Geldreserven.
Langfristig betrachtet ist es jedoch sinnvoll, sich eine passive Einkommensquelle – also eine Einkommensquelle unabhängig von der eigenen Arbeitszeit – zu erschaffen. Mit einem Onlinebusiness kannst du etwas Eigenes erschaffen, mit dem du anderen Menschen helfen und gleichzeitig aus deiner Leidenschaft ein Geschäft machen kannst. Sei dir jedoch darüber bewusst, dass Onlineunternehmer erst nach Monaten oder Jahren genügend Geld verdienen, um sich mit ihrem Unternehmen ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Als Alternative zum Onlinefreelancing und Onlinebusiness gibt es auch die Form der ortsunabhängigen Festanstellungen. Vielleicht gehörst du zu der Gruppe von Menschen, die in ihrer Festanstellung glücklich sind und sich lediglich flexiblere Arbeitszeiten und das Arbeiten außerhalb des Büros wünschen. Wir gehen darauf ein, wie du deinen Arbeitgeber mit den richtigen Argumenten zu einem »Remote Work Agreement« bewegen kannst und wie du die neu gewonnenen Freiheiten effizient nutzt.
2.1 Remote Worker: Kompromiss ohne Anwesenheitspflicht
»Wir haben gelernt, dass Fleiß in Stunden gemessen wird, Effizienz in Anwesenheit und Einsatzbereitschaft anhand der Menge von Privatleben, die wir bereit sind, unserem Job zu opfern.«
Markus Albers
Wie wäre es, wenn die Arbeitszeiten flexibel und der Arbeitsplatz nicht an einen festen Ort gebunden wären? Wäre es nicht super, nach Ergebnissen und nicht nach Arbeitszeit bezahlt zu werden? Für die meisten Angestellten beginnt der Büroalltag in der Regel um neun Uhr und endet je nach Ambitionen des Unternehmens und des Mitarbeiters zwischen 17 und 20 Uhr. Das ist wichtig, da nach Anwesenheit bezahlt wird und der Vorgesetzte die Angestellten kontrollieren will oder muss.
Die Technologien für mobile Büros, Heimarbeit und barrierefreie Onlinekooperation sind heute ausgereift genug, um nicht mehr fünf Tage in der Woche ins Büro fahren zu müssen. Als Freiangestellter oder Telearbeiter tauschst du Flexibilität gegen Schreibtisch und wirst nur noch nach Leistung und nicht mehr nach Anwesenheit bezahlt. Die größte Hürde ist es, deinen Arbeitgeber von den Vorteilen der digitalen Zusammenarbeit zu überzeugen.
Deine Argumente müssen die Vorteile für das Unternehmen und deinen direkten Vorgesetzten hervorheben. Nur wenn es für die Arbeitgeberseite eine Einsparung oder Erleichterung bedeutet, wirst du Zustimmung finden.
Bereite dich mit folgenden Argumenten auf das Gespräch vor, in dem du die virtuelle Zusammenarbeit vorschlägst:
•Das Unternehmen spart bares Geld für Immobilien und Ausstattung.
•Du kannst die Zeitersparnis für den Arbeitsweg für sinnvolle Dinge nutzen.
•Du bist flexibel und kannst damit auch (Online-)Termine außerhalb der Rahmenarbeitszeit wahrnehmen.
•Du wirst nur für tatsächlich erreichte Zielvereinbarungen bezahlt und nicht für reine Anwesenheit (liefere Beispiele von Arbeitsmodellen wie ROWE14 oder solche der Deutschen Bank, wo es in manchen Abteilungen einen Homeworking Day pro Woche gibt).15
•Du lieferst einen täglichen/wöchentlichen Statusbericht ab.
•Du bietest an, testweise ein bis zwei Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten und nach einem Monat die Entwicklungen zu besprechen.
•Du bietest deinem Chef an, dass er dich jederzeit wieder ins Büro holen kann, wenn die Testphase negativ verläuft.
Sollte dein Arbeitgeber diesem Modell absolut pessimistisch gegenüberstehen, dann musst du ihm beweisen, wie vorteilhaft es für beide Seiten sein kann. Lasse dich doch mal für ein paar Tage krankschreiben, wenn die nächste Grippewelle umgeht, und überrasche deinen Chef dann mit E-Mails, die deine Arbeitsergebnisse vom »Krankenbett« aus belegen.
Relatives Einkommen
Arbeit, Einkommen und Freizeit sollten im Einklang stehen. Dabei geht es um relatives Einkommen, bei dem Zeit als Währung gesehen wird. Statt für mehr Geld länger zu arbeiten, sollte es dein Ziel sein, für das gleiche Geld weniger zu arbeiten. Dies kann durch flexible Arbeitszeitmodelle und somit weniger vertrödelte Zeiten im Büro und die Ersparnis des täglichen Weges zur Arbeit erreicht werden. Rein mathematisch ausgedrückt führt dein gleichbleibendes Gehalt damit bei weniger Zeitaufwand zu einem höheren Einkommen.
Deine neu gewonnene Zeit und Flexibilität solltest du sinnvoll nutzen. Du kannst deine Arbeit mit auf Reisen nehmen. Du kannst die eingesparten Zeiten für den Arbeitsweg nutzen, um dich täglich eine Stunde lang weiterzubilden. Oder du beginnst neben deinem Haupterwerb bereits, an eigenen Projekten zu arbeiten, um damit den Schritt in die Selbstständigkeit...