Kapitel 1: Was ist aus Ihren Träumen geworden?
Julia saß im Vorzimmer des Schuldirektors und wartete darauf, dass ihr Gespräch begann. Ihr Sohn war in Schwierigkeiten – mal wieder. Dieses Mal war es wirklich ernst. Sie hatte ihrem Mann eine SMS geschickt. Tom arbeitete in unmittelbarer Nähe zur Schule. Seine Antwort kam prompt. „Sorry, wichtiges Meeting, kann nicht kommen.“ Julia schäumte vor Wut. Typisch Tom, nie da, wenn seine Familie ihn brauchte. Das war ein Verhaltensmuster von ihm – und Julia begann sich ernsthaft zu fragen, ob sie noch länger so leben wollte.
Dieses Ehepaar hat eine Mauer zwischen sich errichtet. Jeder einzelne Stein steht für ein Ereignis in der Vergangenheit, bei dem der eine den anderen enttäuscht hat.
Da war Mike. Er hatte es immer geliebt, sein Leben mit Jenny zu teilen, und hatte den anderen gegenüber damit geprahlt, dass seine Frau sein „bester Freund“ war. Doch mittlerweile hatten sie ein paar Kinder und es schien, als würde Jenny in ihrer Rolle als Mutter völlig aufgehen und nicht mehr viel Zeit für ihn übrig haben. Mike fühlte sich alleingelassen und vernachlässigt und begann, immer mehr Zeit mit seinen Kumpels in der Sportkneipe zu verbringen. Darüber stritten er und Jenny häufig. Und langsam wuchs die Mauer zwischen ihnen.
Manche Paare können nicht aufhören, sich zu streiten. Überall, so scheint es, lauern Konflikte. Sie streiten, bis sie so erschöpft sind, dass sie sich körperlich krank fühlen. Irgendwann sind sie sich nicht mehr sicher, ob sie den Partner überhaupt noch mögen. Vielleicht, schlussfolgern sie, wären sie besser dran, wenn sie sich trennen würden.
„Mein Vater war ein sehr jähzorniger Mensch“, erinnerte sich eine Frau. „Er und meine Mutter stritten viel – er schrie sie an und meine Mutter reagierte verschreckt oder verschloss sich. Das Leben bei uns war sehr turbulent, auch wenn es immer wieder friedliche Phasen gab. Wäre es für uns besser gewesen, wenn sie sich getrennt hätten? Das ist schwer zu sagen und damals war eine Scheidung noch eher unüblich. Doch die Konflikte haben eindeutig Spuren hinterlassen.“
Ein bisschen Sterben
Wenn Ihre Ehe mehr von Streit als von Freundschaft geprägt ist, fragen Sie sich: „Was ist geschehen? Was ist aus unseren Träumen von lebenslanger Liebe und Treue geworden?“
Wenn Sie sich schon getrennt haben, fühlt es sich vielleicht ein bisschen so an wie Sterben. Jeder Tag, an dem Ihr Partner nicht da ist, erinnert Sie an das, was Sie verloren haben. Wenn Sie zwar noch unter einem Dach zusammenleben, sich aber emotional voneinander entfremdet haben, kann es sich ebenfalls so anfühlen, als ob etwas allmählich abstirbt – ein Traum, eine Hoffnung. Wir sprechen von einem Tal, dem „Schatten des Todes“. Doch ein Schatten ist nicht dasselbe wie der Tod an sich. Ihre Ehekrise, ob Sie nun getrennt leben oder nicht, kann auch das Tal der Heilung sein und der Schmerz, den Sie verspüren, ist vielleicht der Geburtsschmerz, der Ihrer Ehe neues Leben schenkt.
In anderen Fällen ist eine Trennung allerdings der Anfang vom Ende. Was nach Ihrer Trennung kommt, wird von dem bestimmt, was Sie und Ihr Partner in den nächsten Wochen und Monaten sagen und tun.
In einem bildhaften Vergleich könnte man sagen, dass eine kriselnde Ehe auf der Intensivstation liegt, so wie ein Mensch mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung auf die Intensivstation verlegt wird. Der Zustand Ihrer Ehe ist „äußerst kritisch“. Er kann sich jeden Moment verschlechtern, aber auch verbessern. Die richtige Behandlung entscheidet über Leben und Tod, und genau das ist die Absicht dieses Buches. Eine Notoperation ist überlebenswichtig, deshalb sollten Sie einen Therapeuten oder Seelsorger aufsuchen. Was Sie in den nächsten Wochen tun oder lassen, hat entscheidenden Einfluss auf Ihre Lebensqualität in den nächsten Jahren. Sie können davon ausgehen, dass Gott sich sehr für das Ergebnis interessiert und Sie in diesem Prozess unterstützt.
Jetzt ist nicht die Zeit, um zu resignieren und aufzugeben. Der Einsatz für Ihre Ehe ist erst dann vorbei, wenn die Sterbeurkunde ausgestellt worden ist. Die Träume und Hoffnungen, die Sie hatten, als Sie geheiratet haben, sind es immer noch wert, dass Sie dafür kämpfen. Sie haben geheiratet, weil Sie damals bis über beide Ohren verliebt waren (oder zumindest glaubten, es zu sein). Sie haben von der perfekten Ehe geträumt, in der jeder Partner den anderen glücklich macht. Was ist aus diesem Traum geworden? Was ist falsch gelaufen? Was können Sie tun, um das Geschehene zu korrigieren?
Dieser Traum kann wieder zum Leben erweckt werden. Doch das geht nicht ohne harte Arbeit: Zuhören, Verständnis, Disziplin und Veränderungsbereitschaft – Arbeit, die damit belohnt werden kann, dass Ihr Traum wahr wird.
Ich weiß, dass jetzt einige von Ihnen sagen: „Das klingt gut, aber es wird nicht klappen. Das haben wir schon so oft versucht. Außerdem glaube ich nicht, dass mein Partner es noch einmal mit mir versuchen würde.“
Vielleicht haben Sie recht, doch Sie sollten nicht davon ausgehen, dass die ablehnende Haltung Ihres Partners für immer so bleibt. Ein Geschenk, das Gott uns Menschen gemacht hat, ist die Freiheit, dass wir uns frei entscheiden dürfen. Wir können uns ändern; wir können uns sogar zum Besseren ändern. Vielleicht sagt Ihr Ehepartner im Moment noch: „Ich bin damit durch. Ich habe das Thema abgeschlossen. Darüber will ich nicht mehr reden!“ Doch in zwei Wochen oder zwei Monaten ist Ihr Partner vielleicht doch bereit, das Gespräch mit Ihnen zu suchen. Viel hängt davon ab, wie Sie sich in der Zwischenzeit verhalten und wie Ihr Partner auf das Wirken des Heiligen Geistes reagiert.
Andere von Ihnen wenden ein: „Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich noch an dieser Ehe arbeiten will. Ich habe es schon so oft versucht und so viel investiert. Es wird schiefgehen, deshalb kann ich genauso gut jetzt die Brocken hinschmeißen!“ Für solche Gefühle habe ich großes Verständnis. Ich weiß, dass man nach vielen vergeblichen Versuchen irgendwann nicht mehr den Wunsch verspürt, es noch einmal zu probieren. Man sieht keinen Hoffnungsschimmer mehr und ist davon überzeugt, dass man keine Chance mehr hat. Die eigenen Gefühle ermutigen einen nicht gerade, noch mehr in die Ehe zu investieren. Das ist der Grund, weshalb ich niemals frage: „Wollen Sie an Ihrer Ehe arbeiten?“ Sondern ich stelle die Frage: „Werden Sie an Ihrer Ehe arbeiten?“ In einer Krisenzeit wollen wir meistens nicht mehr. Doch wir sollten uns an unsere Werte erinnern, an das Versprechen, das wir einander gegeben haben, und an unsere Träume – und wir sollten uns bewusst dafür entscheiden, alles dafür Nötige zu tun, um diesen Werten, Versprechen und Träumen treu zu bleiben.
Wo sollen wir uns Hilfe suchen? Für diejenigen unter uns, die Christen sind, gibt es eine zuverlässige Quelle, an die wir uns wenden können, wenn wir Orientierung brauchen. Diese Quelle ist die Bibel. Vielleicht werfen auch nicht-religiöse Menschen mal einen Blick in die Bibel, doch als Christen werden wir durch den Heiligen Geist dazu gedrängt. In der Bibel finden wir nicht nur Orientierung, was wir zu tun haben, sondern auch die Aufforderung, es wirklich in Angriff zu nehmen. Auch Menschen, die nur zufällig in der Bibel blättern, können von solchen Aussagen wie diesem Paulus-Zitat ermutigt werden: „Alles kann ich durch Christus, der mir Kraft und Stärke gibt“ (Philipper 4,13). Wenn wir zu Christus gehen, finden wir fremde Hilfe, wenn unsere eigenen Kraftreserven erschöpft sind.
Der falsche Weg!
Wenn wir in der Bibel nach Richtlinien für unsere Ehe suchen, entdecken wir zwei Straßenschilder: Auf dem einem steht Falscher Weg, auf dem anderen Umleitung. Auf dem Schild, das den falschen Weg markiert, steht als Ziel Scheidung. Auf dem Umleitungsschild steht als Ziel Ehegemeinschaft. Lassen Sie mich die Bedeutung und Richtung dieser beiden Schilder erklären.
Nach den Richtlinien des Alten und des Neuen Testaments ist eine Scheidung immer der falsche Weg. Als Gott in der Schöpfung zu Adam und Eva sagte: „Vermehrt euch, bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz!“ (1. Mose 1,28), gab er auch nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass die Ehebeziehung nicht auf eine lebenslange Dauer angelegt sein sollte. Der erste Hinweis auf eine Scheidung steht in den Schriften des Mose2. Mose gab die Erlaubnis zur Scheidung, doch das wurde von Gott niemals gebilligt oder unterstützt. Jesus erklärte später den Pharisäern, dass Mose die Scheidung nur deshalb erlaubt habe, „weil er euer hartes Herz kannte“ (Matthäus 19,8), dass jedoch von Anbeginn der Zeit die Scheidung nicht zu Gottes Plan gehörte. Jesus unterstrich, dass Gottes Vorstellung für uns Menschen eine monogame, lebenslange Ehebeziehung ist. Als Gott die Ehe schuf, war Scheidung keine Option. Gott schuf die Scheidung genauso wenig, wie er sich die Polygamie ausdachte. Das sind menschliche Erfindungen. Und in Gottes Augen sind diese Erfindungen falsch.
Andererseits zeigt das Umleitungsschild, auf dem als Ziel Ehegemeinschaft steht, dass Sie weder das Ziel aus den Augen verloren haben noch vom Weg abgekommen sind. Stattdessen nehmen Sie gerade den umständlichen Weg der Trennung, da die Brücke Ihres Zusammenlebens eingebrochen ist. Streitigkeiten haben Ihre Ehe-Brücke geschwächt und der Weg zu einer neuen Gemeinschaft in Ihrer Ehe ist nicht länger eine direkte, gerade Straße.
Vielleicht fügt Ihnen das Umleitungsschild auch...