|12|2 Theoretische Einführung und Überblick
In diesem Kapitel wird zunächst ein Überblick über die zentralen Konstrukte und theoretischen Rahmenmodelle dieses Bandes gegeben. Das Kapitel vermittelt eine Grundlage zum besseren Verständnis der in den folgenden Kapiteln dargestellten Inhalte und empirischen Studien.
2.1 Zentrale Konstrukte
2.1.1 Arbeitsengagement
Engagierte Menschen investieren physische, emotionale und kognitive Ressourcen in ihre Arbeitsaufgaben und -aktivitäten (Sonnentag, Dormann & Demerouti, 2010). Sie wenden sich ihrer Tätigkeit aufmerksam zu, sind tatkräftig, begeistert und inspiriert von ihrer Arbeit (Schaufeli, Salanova, González-Romá & Bakker, 2002). Arbeitsengagement gilt als ein erfüllender motivationaler Zustand, der durch die drei Kernkomponenten Vitalität, Hingabe und Absorption (Schaufeli et al., 2002) charakterisiert ist. Vitale Mitarbeiter sind mental belastbar, energiegeladen, tatkräftig und auch in schwierigen, herausfordernden Situationen bereit, Anstrengungen in Kauf zu nehmen und Energie in ihre Arbeit zu investieren. Hingabe ist durch eine hohe Verbundenheit mit der Arbeit und dem Erleben von Stolz und Begeisterung gekennzeichnet. Unter Absorption verstehen Schaufeli et al. (2002) das völlige Aufgehen bei der Arbeit und die Tatsache, sich nur schwer von dieser lösen zu können. Damit wird Arbeitsengagement als Gegenteil von emotionaler Erschöpfung, Zynismus, mentalem Rückzug aus der Arbeit und Anspannung wahrgenommen.
Messung von Arbeitsengagement
Die Erfassung des Arbeitsengagements kann beispielsweise anhand der deutschsprachigen Version des Fragebogens Utrecht Work Engagement Scale (UWES; Schaufeli et al., 2002) erfolgen. Die UWES umfasst insgesamt 17 Items, die den drei Skalen Vitalität (Beispiel: „Bei meiner Arbeit bin ich voll überschäumender Energie“), Hingabe (Beispiel: „Ich bin von meiner Arbeit begeistert.“) und Absorption (Beispiel: „Während ich arbeite, vergesse ich alles um mich herum“) zugeordnet werden. Die Beurteilung erfolgt auf einer siebenstufigen Skala von 0 = nie bis 6 = immer.
Innovative Unternehmen benötigen engagierte, ambitionierte und motivierte Mitarbeiter, die Freude an ihrer Tätigkeit haben, um auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben (Mohrman & Cohen, 1995). In den letzten Jahren ist sowohl unter Wissenschaftlern als auch Praktikern das motivationale Konzept des |13|Arbeitsengagements stärker in den Fokus gerückt. Zudem hat die Forschung zu Einflussfaktoren und Auswirkungen von Arbeitsengagement deutlich zugenommen.
Arbeitsengagement als Form der Arbeitsmotivation
Motivation ist ein psychischer Zustand einer Person, der die Richtung, Intensität und Ausdauer (Persistenz) menschlichen Verhaltens beschreibt. Motivation befasst sich also mit den Einflussfaktoren, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten bewegen (Kleinbeck & Kleinbeck, 2009; Nerdinger, Blickle & Schaper, 2011):
Richtung: Was möchte eine Person erreichen oder vermeiden?
Intensität: Wie energisch und intensiv arbeitet die Person an der Erreichung eines Ziels?
Ausdauer: Wie persistent und ausdauernd hält die Person ihre Bemühungen aufrecht?
Die Motivation von Mitarbeitenden kann der Erklärung von Leistung und Produktivität, aber auch von Zufriedenheit und Wohlbefinden dienen.
Arbeitsengagement ist eine Form der Arbeitsmotivation und beschreibt einen umfassenden Zustand (Macey & Schneider, 2008; Rich, Lepine & Crawford, 2010; Sonnentag et al., 2010): Ein hohes Arbeitsengagement bedeutet, dass physische (Anstrengung, Energie), kognitive (Aufmerksamkeit, Konzentration) und affektive (Stolz, Freude) Ressourcen in die Arbeit investiert werden.
Einflussfaktoren und Konsequenzen von Arbeitsengagement
Bisher ist aus der Literatur bekannt, dass sowohl Eigenschaften der Person als auch äußere Einflüsse bei der Arbeit bzw. arbeitsbezogene Faktoren in positivem Zusammenhang mit hohem Arbeitsengagement stehen (Kahn, 1990; Salanova, Llorens & Schaufeli, 2011; Schmitt, Zacher & De Lange, 2013; Sonnentag et al., 2010). Dies ist umso stärker der Fall, je höher die Arbeitsanforderungen für Arbeitende sind.
Empirisch belegt wurde der Einfluss von Selbstwirksamkeit und Optimismus auf Engagement in der Arbeit. Auch Erholung am Feierabend und das Verfolgen erholender Aktivitäten fördert Arbeitsengagement (Sonnentag et al., 2010). Als wichtiger arbeitsbezogener Einflussfaktor gilt ein hoher Handlungsspielraum, also die Gestaltung von Arbeitsplätzen, sodass Menschen viel Freiraum für eigene Entscheidungen haben und sie (weitestgehend) selbst festlegen können, wie und mit welchen Mitteln sie ihre Arbeitsaufgaben ausführen. Weitere arbeitsbezogene Faktoren, die Engagement fördern, sind beispielsweise das Vorliegen von Feedback über die eigene Leistung und soziale Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen.
Arbeitsengagement hat positive Auswirkungen sowohl auf den Arbeitenden selbst als auch auf die Organisation (Christian, Garza, & Slaughter, 2011; Rich et al., 2010). So geht Arbeitsengagement mit höherem Wohlbefinden der Mitarbeiter, mit positiven Einstellungen gegenüber der Tätigkeit und der Organisation einher. Dies |14|spiegelt sich mitunter in hoher Arbeitszufriedenheit und proaktivem, selbststartendem und zukunftsorientiertem Verhalten in der Arbeit wider. Weiterhin konnte die bisherige Forschung zeigen, dass Arbeitsengagement einhergeht mit aufgabenbezogener Arbeitsleistung und Indikatoren von Arbeitsleistung wie einem positiven Serviceklima und hoher Kundenzufriedenheit (Christian et al., 2011; Kahn, 1990; Rieb ct al., 2010; Sonnentag. 2003) (Abbildung 1).
Abbildung 1: Einflussfaktoren und Auswirkungen von Arbeitsengagement
In diesem Band sollen weitere Einflussfaktoren auf Arbeitsengagement dargestellt werden. Es wird angenommen, dass
das Auftreten täglicher positiver und negativer Ereignisse bei der Arbeit sowie Emotionen und Stimmungen von Mitarbeitern und Führungskräften das Arbeitsengagement beeinflussen,
es nicht nur Unterschiede im Erleben von Arbeitsengagement zwischen Mitarbeitern gibt, sondern dass es auch innerhalb von Mitarbeitern zeitliche Veränderungen im Arbeitsengagement gibt. Arbeitsengagement kann täglich variieren und durch das Auftreten von Ereignissen und resultierenden Emotionen bei der Arbeit vorhergesagt werden.
Unter Berücksichtigung dieses Ansatzes lassen sich nicht nur Mitarbeiter hinsichtlich ihres Arbeitsengagements miteinander vergleichen, sondern man kann auch dynamische Veränderungen im Arbeitsmanagement innerhalb einzelner Mitarbeiter fokussieren. Beispielsweise lässt sich dabei innerhalb eines Mitarbeiters das Ar|15|beitsengagement und die Motivation an einem Tag mit der Ausprägung an einem anderen Tag vergleichen. Dabei kann man herausfinden, inwiefern Arbeitsereignisse, Emotionen und deren Regulation in ihrem täglichen Auftreten vorhergesagt werden können (Bledow, Schmitt, Frese & Kühnel, 2011; Sonnentag, 2003). Das Wissen um die täglichen Einflussfaktoren auf Engagement und Motivation kann in der organisationalen Praxis dabei helfen, direkt an diesen täglichen Prozessen anzusetzen. Dies kann beispielsweise durch die Förderung positiver Ereignisse bei der Arbeit und den Umgang mit negativen Situationen und Vorkommnissen geschehen.
Exkurs: Tagebuchstudien zur Erfassung von Arbeitsengagement, Emotionen, Stimmungen und deren Regulation im Moment des Geschehens
In der empirischen arbeits- und organisationspsychologischen Forschung werden zur Untersuchung von Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen von Arbeitnehmern häufig sogenannte Querschnittstudien durchgeführt.
Querschnittstudien sind einmalig durchgeführte empirische Befragungen von Personen im Arbeitskontext, die eine Momentaufnahme der in der untersuchten Stichprobe derzeit vorherrschenden Eigenschaften, Einstellungen oder Verhaltensweisen geben. Anhand der...