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E-Book

Wer hat eigentlich die Ringe?

Tipps vom Profi für alle Trauzeugen

AutorThomas Sünder
VerlagBlanvalet
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641199456
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Die zehn Gebote für Trauzeugen
Gestresste Brautleute können ein Lied davon singen: Im Vorfeld einer Hochzeit gibt es jede Menge zu tun - wie gut, wenn man Trauzeugen hat, die einem mit Rat und Tat zur Seite stehen! Doch viele haben keinen Schimmer, welche Stolpersteine ein rauschendes Fest im Handumdrehen zum Albtraum machen: Ob vergessene Ringe, Mut antrinken, peinliche Spiele, langweilige Reden oder unpassende Hochzeitsfilmchen - die Liste ist länger, als man denkt. Aber es geht auch anders: In diesem Buch erfahrt Ihr, wie Ihr es Euch garantiert nicht mit dem Brautpaar verscherzt!

Thomas Sünder, Jahrgang 1975, wuchs in einem hessischen Dorf auf und studierte in Marburg alles, was man für den Job eines professionellen Hochzeits-DJ braucht: Neuere Deutsche Literatur und Medien, Philosophie und Kunstgeschichte. Nach einem Volontariat zum PR-Berater machte er sich als Musiker, DJ und Texter selbstständig. Im Jahr 2013 veröffentlichte er mit »Wer Ja sagt, darf auch Tante Inge ausladen« einen sehr erfolgreichen Hochzeitsratgeber, der 2019 bei Blanvalet als aktualisierte Neuausgabe erscheint. Der Nachfolger »Wer hat eigentlich die Ringe?« ist der erste Ratgeber für Trauzeugen und alle Hochzeitsbegleiter. Thomas Sünder hat in zwölf Jahren über fünfhundert Hochzeiten betreut und Brautpaare inhaltlich bei der Planung unterstützt. Er selbst ist ebenfalls verheiratet und lebt mit seiner Frau Sylvia in Hamburg.

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Leseprobe

Sünde 2: Aktionismus

Die Hochzeitssaboteure

Ein warmer Sommerregen prasselt gegen die Fenster, draußen weht ein scharfer Wind. Leider hat sich bei dieser Hochzeitsfeier Mitte August die Sonne hinter stahlgrauen Wolken versteckt. Der geplante Empfang im Garten der Düsseldorfer Toplocation fällt daher heute buchstäblich ins Wasser. Doch die Brautleute Agathe und Dieter haben für diesen Fall alles bestens geplant: Das Serviceteam hat rechtzeitig alles für den Empfang im Vorraum des Festsaals aufgebaut. An Stehtischen mit weißen Hussen werden Sekt und Fingerfood gereicht. Die Stimmung der rund achtzig Gäste ist gelöst, alle plaudern lebhaft.

Ich mische mich unter die Grüppchen, um zu prüfen, ob die Lautstärke der Hintergrundmusik in Ordnung ist. Ich bin DJ, und es ist für mich die dreiundzwanzigste Hochzeit des Jahres. Bisher war es eine Saison mit vielen schönen Feiern. Was mir hier und heute allerdings Kopfzerbrechen bereitet, ist das Verhalten der beiden Trauzeugen, Emma und Jaques, die selbst auch ein Ehepaar sind. Alles fing damit an, dass sie nicht auf meine E-Mails geantwortet haben. Ich hatte wissen wollen, ob ihrerseits Beiträge geplant waren, um diese mit dem Zeitplan des Brautpaars abzugleichen, über den ich Bescheid wusste. Besonders wichtig ist bei Feiern dieser Größenordnung aus meiner Sicht die Frage, wann und wo Technik von mir benötigt wird, beispielsweise Mikrofone für Reden. Ein Anruf bei Trauzeugin Emma einige Tage vor der Hochzeit hatte mich sehr besorgt zurückgelassen. Sie sagte, sie und Jaques hätten einige Spiele geplant, würden aber spontan entscheiden wollen, wann diese stattfinden sollten. Ich solle den Brautleuten bloß nichts erzählen, das sei eine Überraschung. Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen.

Autsch! Schon beim Vorgespräch mit dem Brautpaar – das ich als DJ mit meinen Kunden immer führe, um Wünsche und Erwartungen konkret abzustecken – hatten mir Agathe und Dieter ganz klar zu verstehen gegeben, dass sie Hochzeitsspiele »total furchtbar« fänden und dass sie auf keinen Fall irgendwelche »dämlichen Beiträge« wünschten. Sie hätten das schon auf mehreren Hochzeiten als Gäste miterlebt und sich abwechselnd gelangweilt und fremdgeschämt. Aus diesem Grund würden sie es ganz anders machen wollen. Laut Plan sollte es genau zwei Reden geben: die des Brautvaters und die des Brautpaars. Der Rest der Feier sollte aus einem leckeren Essen mit drei Gängen und einer ausgelassenen Party mit Tanz bestehen.

Als ich mich während des Empfangs am großen Tag also unters Partyvolk mische, komme ich zufällig an einem Grüppchen mit Braut und Bräutigam vorbei und höre, wie Trauzeugin Emma darauf besteht, die Braut müsse mit Sekt anstoßen. Agathe wehrt sich: »Du weißt doch, ich bin schwanger. Ich trinke keinen Alkohol.«

Forsch knöpft Emma ihr jedoch den Orangensaft ab und drückt ihr ein Sektglas in die Hand. Ihr Kommentar: »Papperlapapp! Mit O-Saft kann man doch nicht anstoßen!«

Na, das geht ja gut los. Wenn Emma schon Agathes Bedürfnisse als Schwangere nicht respektiert, wie wird es dann mit ihren Wünschen als Braut aussehen? Mir schwant Übles. Wenig später verfestigt sich mein Unbehagen. Der Bräutigam bittet zum Ende des Empfangs die Gäste vom Vorraum in den Festsaal. Sofort drängen sich die Trauzeugen Emma und Jaques in Richtung Tür und packen ein weißes Bettlaken aus. Darauf ist in unregelmäßigen Strichen ein großes Herz gemalt, in das die Namen der Brautleute gekritzelt sind. Selbst meine fünfjährige Nichte hätte das schöner hinbekommen. Der hässliche Lappen wird von Emma und Jaques vor der Tür aufgespannt. Sie erwarten nun, dass sich das Brautpaar da durch schneidet. Das nötige Werkzeug reicht ihnen Jaques.

Selbstverständlich sind die kurzen Nagelscheren, die nun die Besitzer wechseln, vollkommen stumpf. Agathe und Dieter machen gute Miene zum bösen Spiel und versuchen, sich durch den Stoff zu arbeiten. Quälend langsam verstreichen die Minuten unter dem gelegentlichen Knirschen von reißenden Baumwollfasern. Der Unterhaltungswert dieser Farce ist gleich null. Gelegentliche Kommentare von Jaques wie »Aller Anfang ist schwer, Ihr schafft das, sieht doch gut aus!« helfen weder dem Brautpaar noch unterhalten sie die gelangweilten Zuschauer. Denn es kann außer den Trauzeugen einfach niemand nachvollziehen, warum dieses Herz unbedingt ausgeschnitten werden soll. Ich hoffe, dass die Hochzeitssuppe zur Vorspeise nicht kalt wird. Denn eigentlich hat die Küche die Ansage, um Punkt 18.30 Uhr zu servieren. Nun haben wir schon Viertel vor sieben!

Einigen Gästen wird es zu doof, und sie gehen an dem Laken vorbei durch die Tür. Der geplante gemeinsame Einzug in den Saal, mit dem Brautpaar festlich an der Spitze, hat sich damit erledigt. Als das zerfranste Herz endlich herausgetrennt ist, besteht Emma darauf, die Braut müsse hindurchgetragen werden. Zwar stellt die zierliche Agathe für den robusten Dieter gewichtsmäßig keine Herausforderung dar, doch sie trägt einen ausladenden Reifrock. Wie soll der bitte durch das Herz passen?

Tut er nicht. Die festen Ringe unter dem Stoff bleiben an den Kanten des Herzens hängen. Was folgt, ist eine Dessousschau, die die umstehenden Gäste beschämt wegsehen lässt. Während sich der Rock auf der Vorderseite des Lakens verfängt, ragen die in weiße Nylonstrümpfe gehüllten Beine der Braut auf der anderen Seite in den Raum. Agathe ist knallrot im Gesicht. Emma und Jaques sind die Einzigen, die lachen. Ehe auch noch das Höschen seiner Angetrauten zum Vorschein kommt, bricht Dieter das Manöver ab und startet einen neuen Versuch. Mit dem Rücken voran zwängt er sich und Agathe samt Rock in gebückter Haltung durch das vage herzförmige Loch. Das Laken ist nun endgültig hinüber und wird garantiert nicht als hübsches Andenken behalten. Wir liegen dank dieser sinnlosen Aktion bereits fünfundzwanzig Minuten hinter dem Zeitplan. Der Frust ist dem Brautpaar deutlich anzusehen. Bloß Emma und Jaques scheinen das nicht zu bemerken. Hauptsache, sie haben ihr Ding durchgezogen.

Leider wird es im weiteren Verlauf des Abends nicht besser. Im Gegenteil, das Motto der Trauzeugen scheint zu sein: Schlimmer geht immer. Gleich nach der Suppe war eigentlich nur eine kurze Rede geplant, doch die beiden präsentieren einen Film. Oder versuchen es zumindest. Erst einmal wird der Beamer nicht von ihrem Laptop erkannt. Es folgt eine Viertelstunde mit ratlosem Kabelumstecken, bis endlich ein Standbild erscheint. Jetzt fällt Jaques ein, dass der Laptop für achtzig Zuschauer vielleicht zu leise sein könnte. Womit er absolut recht hat. Aber seine Frage, ob ich das mal eben an meine Musikanlage anschließen kann, muss ich verneinen. Die steht nämlich im Nebenraum, bei der Tanzfläche, wo später nach dem Essen bei einer Cocktailbar die Party stattfinden soll. Selbst wenn ich ein zwanzig Meter langes Kabel dabeihätte und an seinen Computer anschließen würde – hier im Saal würde niemand etwas davon hören. Hätte er rechtzeitig vor der Feier auf meine Mails geantwortet und mich informiert, hätte ich einen Verstärker im Festsaal installiert. Jetzt ist es zu spät.

Als der Film endlich startet, ahnt niemand, dass dies der Auftakt zu über dreißig Minuten gähnender Langeweile ist. Der Zusammenschnitt wackliger Smartphone-Sequenzen zeigt wildfremde Menschen in einer Fußgängerzone, die dem ihnen unbekannten Brautpaar zur Hochzeit gratulieren. Da der Ton miserabel ist, ist das meiste kaum zu verstehen. Als kurze Episode in einem originellen Film hätte das Ganze ein netter Gag sein können, doch als abendfüllende Sensation taugt der Wackelfilm bei Weitem nicht. Die Unruhe im Saal wird größer, immer mehr Leute bestellen die nächste Runde Wein und Bier.

Zwischendurch erscheint der Bankettleiter des Hauses bei mir und fragt, ob ich weiß, wie lange der Vortrag wohl noch dauern wird. Er ist nervös, weil das Fleisch vom Hauptgang langsam beim Warmhalten austrocknet. Leider kann ich seine Frage nicht beantworten, also wendet er sich direkt an die Trauzeugen. Ihre Antwort kann ich nicht hören, doch ich sehe, wie der Bankettleiter kopfschüttelnd von dannen zieht und verzweifelt auf seine Armbanduhr blickt. Das spricht Bände.

Als das Elend endlich ein Ende findet und die Leinwand dunkel wird, servieren die Kellner flink den angetrockneten Hauptgang. Teilweise an leeren Plätzen, denn viele Gäste mussten nach der ermüdenden Zwangsvorführung erst mal auf Toilette oder an die frische Luft. Der Bräutigam hat mittlerweile nicht nur einen Ring am Finger, sondern auch zwei unter den Augen. Die hübsche Braut sitzt apathisch neben ihm und scheint zu resignieren. Das ist schon längst nicht mehr ihr Fest, sondern das von Emma und Jaques.

Zwischen Hauptgang und Dessert folgt auf Geheiß der Trauzeugen das Spiel »Wadenraten«, bei dem die Braut mit verbundenen Augen die nackten Unterschenkel von fünf männlichen Gästen abtasten muss. Auf diese Weise soll sie herausfinden, welcher davon der Bräutigam ist. Es gelingt ihr beim dritten Versuch. Dass fünf gestandene Männer ihre Beinbehaarung entblößen müssen und sich damit zum Affen machen, bringt nicht einen einzigen Lacher. Es ist allen Beteiligten sichtlich unangenehm – denen, die unfreiwillig im Rampenlicht stehen genauso wie denen, die zum Zugucken verdonnert sind. So langsam frage ich mich, ob Emma und Jaques ihre Brillen zu Hause vergessen haben und ganz einfach nicht sehen, was sie da gerade anrichten.

Den hinterhältigsten Sabotageakt in Bezug auf den Ablaufplan haben die beiden zum Nachtisch eingefädelt. An diesem Punkt soll eigentlich die Hochzeitstorte hereingebracht werden, die als Eröffnung des Dessertbuffets...

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