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Vimalakirti

Das Sutra von der unvorstellbaren Befreiung

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl276 Seiten
ISBN9783741243882
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Vimalakirti lautet der Name eines buddhistischen Laienanhängers, der so hoch verwirklicht war, dass er sogar den Bodhisattva der Weisheit 'besiegte'. Im vorliegenden Sutra erkrankt er - aber nur, um seinen Besuchern den Dharma darlegen zu können. Dieser Erzählrahmen bildet den Hintergrund, auf dem mit viel Witz und Lebendigkeit, Tiefgang und unglaublichen Wundern die Ideale des Mahayana nahe gebracht werden: Leerheit, Nicht-Dualität und aktives Mitgefühl zum Wohl aller Wesen. Grundlage für diese Ausgabe ist eine alte Übersetzung aus dem Japanischen von Jakob Fischer, die unter Berücksichtigung verschiedener anderer Übersetzungen überarbeitet und mit ausführlichen Anmerkungen versehen wurde. Zum besseren Verständnis des Sutras und seiner Hintergründe enthält dieser Band auch eine umfassende Einführung sowie ein Glossar.

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Leseprobe
Kapitel 1

Im Lande des Buddha


Und ich hörte Folgendes.95* Einst weilte der Buddha im Āmravāna-Hain bei Vaiśālī96* zusammen mit achttausend großen Bhikus. Bei ihnen waren zweiunddreißigtausend Bodhisattvas, die in der Welt wohl bekannte Persönlichkeiten waren, welche die große Weisheit des Buddha in sich aufgenommen und sie im höchsten Grade verwirklicht hatten. Dank der übernatürlichen Kraft, die allen Buddhas innewohnt, haben sie dies erreicht. Um die Burg der (buddhistischen) Wahrheit zu schützen, weihten sie sich der reinen Lehre; wenn sie die Lehre verkündeten, klang es wie Löwengebrüll, und ihr Ruf drang in alle zehn Richtungen97* durch die ganze Welt. Unaufgefordert gingen sie unter die Menschen, machten sie sich zu ihren Freunden und brachten ihnen Frieden. Die drei Juwelen führten sie zur höchsten Blüte und sorgten für deren ewigen Bestand. Sie unterwarfen alle Versucher (māra) und besiegten alle Irrlehren. Sie reinigten sich (an Leib und Seele) und machten sich frei von den in ihren Herzen wohnenden Leidenschaften. Ihr Herz und ihr Geist waren in Frieden und sie hatten vollkommene Befreiung erlangt.98 Vergegenwärtigung (smti), Geistesruhe (samādhi), dhāraī und Beredsamkeit übten sie ohne Unterlass.99 Sie waren vollkommen in den Tugenden100* der Wohltätigkeit, des ethischen Lebenswandels, der Geduld,101 des entschlossenen Tuns des Heilsamen, der Meditation, der Weisheit und im Geschick bei der Wahl der Mittel, die zur Befreiung führen.102 Sie überwanden das Anhaften103* am „Ich“ und verharrten in der Ruhe des geduldigen Akzeptierens des Nicht-Entstehens aller dharmas. Dieser Zustand heißt anutpattika-dharma-kānti104.

* Alle im folgenden mit Sternchen versehenen Anmerkungen verweisen auf Erläuterungen zu einem Begriff oder einer Formulierung; alle anderen Anmerkungen geben primär Unterschiede in der Übersetzung an, obgleich diese natürlich auch inhaltliche Aufschlüsse geben können. Für die meisten Begriffe finden sich im Glossar ausführlichere Erklärungen.

In der Hingabe an die Wahrheit waren sie konsequent und beharrlich und drehten das Rad des Dharmas, das unaufhaltsam dahinrollt.105 Sie verstanden die den Phänomenen zugrunde liegende Natur.106 Sie hatten Einblick in die Eigenarten und Veranlagungen aller Wesen (und wussten der Eigenart der Einzelnen entsprechend den Dharma zu lehren). Sie waren allen Wesen überlegen und hatten die Furchtlosigkeit erlangt.107 Mit Weisheit und Tugendhaftigkeit meisterten sie ihre Herzen. Ihre äußere Erscheinung und ihr Gesichtsausdruck offenbarten die Schönheit und Erhabenheit ihrer Tugenden. Allen weltlichen Schmuck hatten sie abgelegt. Ihr Ruf trug ihre Namen in die Höhe und Weite und überragte selbst den Berg Sumeru.

Ihr Glaube war tief und gediegen und hart wie ein Diamant. Der Schatz des Dharmas leuchtete über die ganze Welt und ihr die Welt erlösendes Mitgefühl108 fiel wie erfrischender Tau auf die Menschen herab. Ihre Worte waren so treffend und ihre Stimme so rein und fein, dass ihnen nichts gleichkam. Sie hatten das Gesetz vom Abhängigen Entstehen109 (pratītya-samutpāda) tief durchdrungen. Mit jedem Irrtum hatten sie gebrochen, vor allem mit den beiden (zur allgemeinen Auffassung gewordenen) Irrtümern vom Sein und Nichtsein110*, wovon bei ihnen auch nicht die geringste Spur haften blieb. Die Furchtlosigkeit und Überzeugung, mit der sie den Dharma lehrten, glich dem Brüllen des Löwen und ihre Reden rollten wie Donner dahin. Ihr irdischer Leib war dem Diesseits schon entrückt und frei von jeder Gebundenheit.111* Wie die Bezwinger der Meere nach edlen Perlen jagen, so sammelten sie die Kleinodien der Lehre. Die tiefgründigsten Wahrheiten verstanden sie bis ins Kleinste, begriffen klar das Ziel des Kommens und Gehens der Lebewesen, und die Handlungen der Menschen durchschauten sie bis auf den Grund des Herzens112. Sie näherten sich der dem Buddha innewohnenden unvergleichlich hohen Weisheit, den zehn Kräften113 (bala), den (vier) Furchtlosigkeiten (vaiśāradya), und den achtzehn Tugenden114*. Obwohl sie von Wiedergeburten in ungünstigen Daseinsformen frei waren,115 erschienen sie als königliche Ärzte in den fünf niederen Bereichen, wo sie die Krankheiten der Wesen heilten, indem sie die entsprechende Medizin verabreichten.116

Die unfassbaren Tugenden und Verdienste verwirklichten sie restlos. Alle Buddhaländer, die sie betraten, wurden durch und durch gereinigt, und niemand, der sie sah und hörte, blieb ohne die Segnungen der Befreiung. Alles, was sie unternahmen, war von Erfolg gekrönt. So waren alle diese Bodhisattvas mit den höchsten Tugenden ausgestattet. Ihre Namen waren:

Samatāvalokita (der die Gleichheit sieht), Asamatāvalokita (der die Ungleichheit sieht), Samatāsamatāvalokita (der die Gleichheit und Ungleichheit sieht), Samādhīśvararāja (der mächtig ist als König der Meditation), Dharmeśvara (der in allen Dingen frei und unabhängig ist), Dharmalakaa (dessen Verdienst um den Dharma offenbar wird), Prabhālakaa (der die Natur des Lichts begreift), Prabhāvyūha (der Lichtgeschmückte), Mahāvyūha (der mit Majestät Geschmückte), Ratnakūa (der Schätze-Sammler), Supralāpakūa (der Beredsamkeit-Sammler), Ratnahasta (der mit Schätzen Beladene), Ratnamudrāhasta (dem das Siegel über den Schatz anvertraut ist), Sadotthitahasta (der mit den beständig erhobenen Händen), Sadāvalammmbitahasta (der mit den herabhängenden Händen), Sadāprarudita (der ständig voll Mitgefühl gegenüber den Leidenden ist), Harendriya (der Freude fühlt), Hararāja (König der Freude), Supralāpaghoa (der mit der Rednerstimme), Ākāśagarbha (der den Himmel umfasst), Ratnadīpahara (der die Fackel für den Schatz hält), Ratnaśūra (der ein Held ist, so kostbar wie ein Edelstein), Ratnadarśana (dessen Wissen kostbar wie ein Edelstein ist), Indrajāla (der Indras juwelenbesetztem Netz gleicht), Prabhājāla (der dem Netz unübertrefflichen Glanzes gleich ist), Nālambanamāhita (der über die Ursachenlosigkeit der Dinge nachdenkt), Jñānakūa (der die Fülle der Weisheit hat), Ratnavijaya (der in der Welt reichste Besitzer von Schätzen), Devarāja (König der Gottheiten), Mārapramardana (der das Böse zerschmettert), Vidyatgua (der die Natur des Lichtes hält), īśvararāja (der mächtige König), Guņālakāra (der mit allen Fähigkeiten ausgestattet ist), Sihanāda (der wie ein Löwe brüllt), Stanitaghoa (dessen Stimme wie Donner klingt), Parvatasaghātaghoa (dessen Stimme wie stürzende Berge klingt), Gadhahastin (der wie ein Elefant riecht), Śvetagadhahastin (der wie ein weißer Elefant riecht), Nityodyukta (der immer Fleißige), Anikiptadhura (der Ruhelose), Sujāti (einer, der aus bester Familie stammt), Pupavyūha (der sich mit Blumen schmückt), Avalokiteśvara (der Herr des Mitgefühls gegenüber allen Leidenden), Mahāsthāmaprāpta (der große Macht besitzt), Brahmajāla (der Brahmas Juwelennetz ähnlich ist), Ratnadaa (der mit dem Edelsteinzepter), Ajita (der Unbesiegte), Alakāraketra (der Besitzer des Landes des Glanzes), Suvarņacūā (der mit den goldenen Locken), Maņicūā (dessen Haar mit einem kostbaren Edelstein geschmückt ist), Maitreya, Mañjuśrīkumārabhūta (Mañjuśrī, der mit auserlesener Tugend begabt, der Prinz des Dharmas).

Die Zahl dieser Bodhisattvas belief sich auf zweiundreißigtausend. Ferner waren da zehntausend brahmarājas117* und śikhis118* und andere. Sie alle waren aus den anderen vier Himmelreichen gekommen, um zu Füßen des Buddha (Śākyamuni) seine Lehrrede zu hören.

Weiter waren noch zwölftausend devendras119*, diese wiederum aus den anderen vier Reichen, zu dieser Versammlung gekommen. Dazu gesellten sich die machtvollen Götter der devas und nāgas (Schlangengötter), die Götter der yakas, der gandharvas, der asuras, der garuas, der kinaras, der mahoragas und andere.120* Auch alle möglichen Bhikus (Mönche) und Bhikunīs (Nonnen), Upāsakas und Upāsikās (Laien-Schüler und -Schülerinnen) waren gekommen.

So von dieser Versammlung unzähliger Hunderttausender umgeben, lehrte der Buddha den Dharma. Wie Sumeru, der König der Berge121 über das Meer hinausragt, so saß er stolz auf dem mit vielen Edelsteinen geschmückten Löwenthron, hoch über allen, die da versammelt waren.

Zu jener Zeit lebte in Vaiśālī ein Millionärssohn (ghapati-suta)122* namens Ratnakūa (Schätze-Sammler). Er war mit fünfhundert anderen Söhnen reicher Leute zum Buddha gekommen. Jeder von ihnen trug in den Händen einen mit sieben kostbaren Kleinodien geschmückten Baldachin. Sie warfen sich dem Buddha zu Füßen und brachten dem Meister die Baldachine als Weihegeschenke dar. Da plötzlich wurden diese fünfhundert Baldachine durch die übernatürliche Kraft des Buddha in einen einzigen verwandelt, sodass er die dreitausend großen Tausendwelten überspannte, und die Gestalt der weiten, sich nach allen Richtungen ausdehnenden Welt spiegelte sich darin wider. Es spiegelten sich in diesem Prachtbaldachin zahlreiche Berge wider, wie der Sumeru, der Himālaya, der Muchinlida, der Mahāmuchinlida, der Gandhamada, der Ratna, der Suvara, der Kāla, der Cakravāa und der Mahācakravāa, die Ozeane,...

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