3. Kapitel: Die Gemeinschaften im SGB II
Im SGB II wird zwischen drei Gemeinschaften unterschieden:
Die Bedarfsgemeinschaft | Die Haushaltsgemeinschaft | Die Wohngemeinschaft |
Die Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II)
Eine Bedarfsgemeinschaft kann in mehreren Fallkonstellationen auftreten (siehe Schema unten). Liegt eine BG (= Bedarfsgemeinschaft) vor, so kürzt sich bei Partnern die Regelleistung auf jeweils 90 % und Einkommen wird innerhalb der Bedarfsgemeinschaft untereinander prozentual verteilt bzw. angerechnet. Eine BG kann nur vorliegen, wenn mindestens eine erwerbsfähige, hilfebedürftige Person in der BG lebt.
Unterfall: eheähnliche Gemeinschaft (Einstandsgemeinschaft)
Definition:
Sie liegt immer dann vor, wenn der gemeinsame Wille vorhanden ist, mit dem vorhandenem Einkommen und Vermögen zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherzustellen, bevor eigene Bedürfnisse befriedigt werden; zusätzlich muss die Gemeinschaft von verlässlichem Bestand und auf längere Dauer angelegt sein (“verfestigte Beziehung”). Es muss eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen, die von einem gegenseitigen Einstehen in Notlagen geprägt ist.
Allein eine sexuelle Beziehung sagt darüber nichts aus, denn auch umgekehrt setzt die Einstandsgemeinschaft nicht notwendigerweise eine Intimbeziehung voraus!
Gleichgeschlechtliche Paare können auch eine “lebenspartnerschaftsähnliche BG” bilden, wenn die Partner nach dem Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit deutlich gemacht haben, auf Dauer in einer verfestigten Einstandsgemeinschaft zu leben.
Ob eine Einstandsgemeinschaft vorliegt, ist stets anhand von Indizien zu prüfen:
Dafür sprechen u.a.: | Dagegen sprechen u.a.: |
| - ernst gemeinter Untermietvertrag
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- gegenseitige Kontovollmacht
| - getrennte Wohnungen (aber: auch bei getrennten Wohnungen kann EG/ BG vorliegen!)
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- Übernahme von Schulden für Partner
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- mehrere gemeinsame Wohnungswechsel
| - geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Partner
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- gemeinsame wirtschaftliche Anschaffungen
| - Beziehung zu dritten Partnern
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- gemeinsame Schlafzimmernutzung
| - Miete und sonstige Aufwendungen werden getrennt bezahlt
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- Freizeit und Urlaube werden gemeinsam verbracht
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- Begünstigung in Versicherung Nutzungsbefugnisse über Vermögensgegenstände des anderen
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Das Vorliegen der Einstandsgemeinschaft (EG) wird vermutet (§ 7 Abs. 3a SGB II), wenn
- man (als Partner!) länger als 1 Jahr zusammenlebt (und gemeinsam wirtschaftet) oder
- mit einem gemeinsamen Kind zusammenlebt oder
- Kinder oder Angehörige im Haushalt (gemeinsam) versorgt oder
- man (wechselseitig) befugt ist, über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen
Die in Klammern eingefügten Worte/ Voraussetzungen stehen so nicht im Gesetz, dürften/ müssten aber im Wege der verfassungs-konformen Auslegung herangezogen werden.
Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen vor, wird das Vorliegen einer EG aber nur vermutet, kann also vom Hilfebedürftigen widerlegt werden!! Liegt keines dieser Kriterien vor, muss das Jobcenter beweisen, dass eine EG vorliegt!
Der TIPP der Kanzlei Löwenrecht:
Das Jobcenter handelt oftmals vorschnell, nimmt mit Zusammenzug sofort eine BG/ EG an. Es kann zwar sein, dass diese bereits ab Zusammenzug vorliegt, aber dies muss das Jobcenter – solange keine Ausnahme nach § 7 Abs. 3a SGB II vorliegt- nachweisen. Also: Widerspruch einlegen!
In der Praxis werden oft Hausbesuche durchgeführt, um zu sehen, wie die „Partner“ leben/ wohnen: lebt man in getrennten Zimmern, so soll dies darauf hindeuten, dass man keine EG bildet; lebt man auf engerem Raum zusammen, soll meist eine EG vorliegen. Na ja…..
Besonderheiten und Fehlerquellen bei der Einstandsgemeinschaft
Das Jobcenter ist allgemein befugt, bei verweigerter Mitwirkung des Hilfebedürftigen zur Aufklärung des Sachverhalts die Leistungen gemäß §§ 60 ff. SGB I einzustellen oder zu entziehen. Dabei muss es allerdings Ermessen ausüben, was oftmals vergessen wird.
Weitere Voraussetzung einer Entziehung ist, dass der Betroffene zur Mitwirkung verpflichtet sein muss, eine Belehrung über die Folgen fehlender Mitwirkung erhalten hat (Achtung. Hier ist der SGB II Träger nachweispflichtig!!) sowie eine Fristsetzung zur Mitwirkung erfolgt ist, vgl. § 66 SGB I.
Sehr häufige Fehlerquelle: Werden die Leistungen deshalb versagt/ entzogen, weil man Unterlagen des “Partners” nicht vorgelegt hat, so ist dies rechtswidrig, wenn das Vorliegen einer EG bestritten wird. Denn der Hilfeempfänger hat keine rechtliche Möglichkeit, diese Unterlagen zu erhalten, wenn sein “Partner” ihm diese nicht gibt.
Das Jobcenter muss dann das Vorliegen einer EG feststellen, um dann über § 60 Abs.4 Nr.1 SGB II die Auskünfte direkt vom Partner selbst zu holen. Dabei sind für den Partner aber die §§ 62, 63 SGB II zu beachten, die zu Schadensersatz oder Bußgeld führen können!
Die Gemeinschaften im SGB II : Schema: wann liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor? |
Nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte / Lebenspartner | “Umgangsbedarfsgemeinschaft” | Über Kind begründete Bedarfsgemeinschaft |
man kann auch innerhalb einer Wohnung getrennt leben, wenn getrennte Räume benutzt und getrennt gewirtschaftet wird; eine nur vorübergehende Trennung (z.B. Ausland, Haft) hebt die BG nicht auf (man wird dann aber als “alleinstehend” behandelt = 100 % Regelleistung)) | Für die Dauer des Aufenthalts eines Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil entsteht tageweise BG; Kind erhält ALG II / Sozialgeld anteilig | 1. Nicht erwerbsfähige Eltern / nicht erwerbsfähiger Partner |
| | 2. Leben mit einem erwerbsfähigen unverheiratetem Kind |
| (Regelleistung vom Kind : 30 * Aufenthaltstage) Vgl. BSG 07.11.06 B 7b AS 14/06 R | 3. in einem Haushalt |
Man lebt erst dauernd getrennt, wenn der Wille zur gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensführung aufgegeben wurde; Maßstab ist das Familienrecht; trotz räumlicher Trennung kann also eine BG vorliegen | Aufenthalt muss aber mindestens 12 Stunden andauern (BSG 02.07.09, B 14 AS 75/08 R) | (endet also, wenn Kind heiratet, 25 Jahre alt wird, ein eigenes Kind hat oder mit seinem Partner zusammenzieht) |
Teil 2: wann liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor?
Unverheiratete leibliche Kinder unter 25 Jahren gehören zur BG, wenn | Unverheiratete Stief-Partnerkinder unter 25 Jahren, wenn leiblicher Elternteil mit im Haus wohnt (vgl. § 9 Abs.2 SGB II) | Einstands gemeinschaft (EG) | BG auch bei Leistungsausschluss? |
1. Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln (z.B.Kindergeld, Unterhalt, Wohngeld) sichergestellt werden kann (sonst gehören sie nicht zur BG!) | | “eheähnliche Gemeinschaft” | Ja, aber keine Begründung einer BG, wenn man von Leistungen komplett ausgeschlossen ist Bsp: Vater und 13 jähriges Kind erhalten ALG II Leistungen; Vater wird stationär untergebracht, dann erhält das Kind nur noch Sozialhilfe |
| Der Einstandswille des Partners für Stiefkind muss aber auch hier gesondert geprüft werden (vgl. LSG Baden-Würtemberg 19.04.07, L3 AS 1740/07 ER-B) | (siehe vorige Seiten) | |