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E-Book

Mut zur Nachhaltigkeit

12 Wege in die Zukunft

VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl496 Seiten
ISBN9783104901398
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Klaus Wiegandt gibt den Band ?Mut zur Nachhaltigkeit. 12 Wege in die Zukunft? heraus und versammelt darin die Top-Wissenschaftler aller für die Frage nach einem nachhaltigen Leben relevanten Disziplinen. Denn ein Leben im Sinne der Nachhaltigkeit zu führen ist mit die größte Herrausforderung und Notwendigkeit unserer Zeit. Dabei sind verschiedene Funktionen der Erde und Aktivitäten der Menschen sowie deren Wechselwirkungen untereinander zu berücksichtigen. Indem die hier versammelten Wissenschaftler den jeweils aktuellsten Forschungsstand wiedergeben, wird ein wahrhaft umfassender Überblick zum Thema Nachhaltigkeit vermittelt. Das wiederum bietet uns allen die Grundlagen dafür, die Zukunft verantwortungsvoll gestalten zu können. Mit Beiträgen u.a. von dem Klimaforscher Mojib Latif, dem Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf, dem Politologen Harald Müller und dem Ozeanologen Stefan Rahmstorf.

Klaus Wiegandt ist Stifter und Vorstand des »Forums für Verantwortung«. Im Fischer Taschenbuch Verlag hat er bereits zahlreiche Bücher zum Thema Nachhaltigkeit herausgegeben.

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Leseprobe

Der globale Wandel


Die Erde als System – biophysikalische Grenzen


In 2009 veröffentlichten Johann Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, und eine große Gruppe von anderen renommierten WissenschaftlerInnen eine Studie, in der das Ausmaß der Veränderung des Systems Erde durch menschliche Aktivitäten klar dargestellt wurde. Rockström und seine KollegInnen haben »planetare Grenzen« definiert. Die Überschreitung dieser Grenzen bringt unsichere Konsequenzen und potentiell größere und dramatische Veränderungen für Menschen und die Umwelt. Grenzen wurden auf der Basis von wissenschaftlichen Arbeiten für folgende Teile des Erdsystems festgelegt:

Veränderung des Klimas, Versauerung des Ozeans, Abbau des stratosphärischen Ozons, Veränderung des Stickstoffkreislaufs und des Phosphorkreislaufs, Verbrauch von Süßwasser weltweit, Veränderung der Landnutzung, Verlust von Biodiversität, die Menge von Partikeln in der Atmosphäre und chemische Verunreinigung.

Die letzten zwei Grenzen konnten damals noch nicht quantifiziert werden. Bei den anderen Prozessen war es möglich, die Grenze festzulegen und zu schauen, ob die Grenze schon überschritten worden ist. Die Ergebnisse zeigten, dass schon drei Grenzen überschritten wurden: Veränderung des Klimas, Verlust von Biodiversität und Veränderung des Stickstoffkreislaufs. Die AutorInnen betonten, dass es noch Wissenslücken gebe, und auch, dass die Grenzen zum Teil mit anderen Grenzen verbunden sind. Das heißt, wenn man eine Grenze überschreitet, könnte das einen Einfluss auf andere Grenzen haben. Aber nichtsdestotrotz zeigt diese Studie, dass die menschliche Entwicklung in Gefahr ist, wenn diese biophysischen Grenzen im Erdsystem ignoriert werden.

Im Jahr 2015 wurde eine neue Version dieser Studie der planetaren Grenzen veröffentlicht. Will Steffen und KollegInnen haben die gleichen Prozesse im Erdsystem angeschaut, aber zwei davon sind umbenannt worden: »Verlust von Biodiversität« wurde »Verlust der Integrität der Biosphäre« genannt, um den Einfluss von menschlichen Aktivitäten auf die gesamte Funktion von Ökosystemen zu unterstreichen. »Chemische Verunreinigung« wurde »Einbringung von neuen Substanzen« genannt, um die Tatsache widerzuspiegeln, dass neue Technologien viele verschiedene Auswirkungen haben können.

Die Ergebnisse dieser Studie sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Weiterhin sind zwei Grenzen nicht quantifiziert worden. Die Studie zeigt auch, wo noch Unsicherheiten herrschen. Vier Grenzen sind schon überschritten worden: Veränderung des Klimas, Verlust der Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung sowieVeränderung des Stickstoff- und Phosphorkreislaufs. Diese vier Grenzen werden unten weiter diskutiert.

Die Analyse von planetaren Grenzen basiert auf vielen Studien, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Zugrunde liegt die Tatsache, dass das Erdsystem in den letzten ca. 11700 Jahren, der sogenannten Holozän-Periode, relativ stabil war und die Entwicklung von Landwirtschaft, Urbanisierung und komplexen menschlichen Gesellschaften erlaubte. Wenn menschliche Aktivitäten dieses Gleichgewicht der Holozän-Periode destabilisieren, sind irreversible und plötzliche Umweltveränderungen möglich, die nicht vorhersagbar sind und die künftige Entwicklung für alle ErdbewohnerInnen in Gefahr bringen.

Diese biophysischen Grenzen, die einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit definieren, sind von Kate Rayworth mit sozioökonomischen Aspekten ergänzt worden. Diese Kombination reflektiert viel besser die Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung: Es ist notwendig, die biophysikalischen Grenzen zu respektieren und gleichzeitig Armut zu bekämpfen und eine gute Lebensqualität für alle zu erreichen. Abbildung 2 zeigt diese Kombination. Die sozioökonomischen Aspekte geben eine innere Grenze, während die biophysischen Prozesse die äußere Grenze aufzeigen. Dazwischen liegt ein Raum, in dem die Menschheit in einer sicheren Umwelt mit sozialer Gerechtigkeit gedeihen kann.

Ist es möglich, innerhalb des Ringes zu bleiben? Würde die Eliminierung von Armut nicht zwangsläufig eine Überschreitung der biophysischen Grenzen bedeuten? Rayworth beantwortet diese Fragen mit einem eindeutigen »Nein!«. So zeigt sie zum Beispiel, dass die zusätzlichen Kalorien, die gebraucht werden für die 13 % der Weltbevölkerung, die heute unter Hunger leiden, nur 1 % der heutigen globalen Lebensmittelversorgung ausmachen. Eine Elektrizitätsversorgung für die 19 % der Bevölkerung, die heute keine Elektrizität haben, würde laut Rayworth die globalen CO2-Emissionen nur um 1 % erhöhen. Der größte Stress für die planetaren Grenzen heute ist der Konsum der reichsten 10 % der Gesellschaft und die dazugehörigen Produktionsmuster. Ungefähr die Hälfte der CO2-Emissionen werden von nur 1 % der Weltbevölkerung produziert. 33 % des globalen nachhaltigen Stickstoffbudgets wird für die Fleischproduktion in Europa benutzt – und das sind nur 7 % der Weltbevölkerung.

Planetare Grenzen. Quelle: Steffen et al.

Die Kombination von planetaren und sozioökonomischen Grenzen. Quelle: Rayworth (2012)

Die vier planetaren Grenzen, die schon überschritten wurden


Klima

Wie in unserem Buch (2007) detailliert beschrieben, gilt Klimawandel als das mit Abstand wichtigste Umweltproblem der Zukunft. Seit 2007 haben sich der Wissensstand und die Klimapolitik weiterentwickelt (s. dazu den Beitrag von Mojib Latif in diesem Buch).

Das Jahr 2015 war das wärmste Jahr seit 1880 (s. Abbildung 3). Temperaturdaten von der US-Behörde NASA zeigten aber, dass die globale Erdoberflächentemperatur im Februar 2016 1,35 °C höher war als die durchschnittliche Temperatur für diesen Monat im Zeitraum 19511980. Einen Anstieg um 1,35 °C gab es bislang nicht. Der frühere Rekord (1,15 °C) wurde allerdings im Januar 2016 gemessen.

 

In den Jahren 2013 und 2014 veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) den fünften Sachstandsbericht. Es wurde berichtet, dass die Erwärmung der Erde eindeutig zu sehen ist und dass es »äußerst wahrscheinlich« ist, dass menschliche Aktivitäten die Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts waren. Es sind bereits Veränderungen des globalen Wasserkreislaufs, Schmelzen von Schnee und Eis, Ansteigen des mittleren globalen Meeresspiegels und auch einige Veränderungen von extremen Wetter- und Klimaereignissen zu beobachten.

Globaler Land-Ozean-Temperaturindex der NASA (18802015)

Quelle: http://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs_v3/

Der Sachstandsbericht des Weltklimarats unterstreicht, dass die Klimaveränderungen der letzten Jahrzehnte bedeutende Folgen für Umwelt und Menschen gehabt haben. Empfindliche Ökosysteme wie Korallenriffe oder die Arktis zeigen jetzt schon die Folgen des Klimawandels. Die Erträge von wichtigen Grundsteinen der Ernährung, Weizen und Mais, werden überwiegend negativ beeinflusst, und in vielen Regionen werden Wasserressourcen beeinträchtigt.

 

Was könnten die künftigen Entwicklungen sein? Um diese Frage zu beantworten, wurden neue Klima- und sozioökonomische Szenarien entwickelt. Es gibt eine Reihe von Szenarien, weil sowohl die sozioökonomische Entwicklung als auch die künftigen Klimapolitikmaßnahmen die Emissionen von Treibhausgasen beeinflussen können. Dementsprechend zeigen die Szenarien, dass die mittlere globale Erdoberflächentemperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 0,9 °C bis 5,4 °C gegenüber vorindustriellen Werten ansteigen. Diese Werte sind natürlich mit einigen Unsicherheiten versehen.

Sehr wichtig in der Diskussion des künftigen Klimawandels ist die Frage, wie viel Treibhausgase noch emittiert werden dürften, wenn wir eine gefährliche Veränderung des Klimas vermeiden wollen. Dazu berichtet der Weltklimarat, dass die kumulativen CO2-Emissionen, das heißt die Summe der Emissionen seit Beginn der Industrialisierung, weitgehend die mittlere globale Erwärmung der Erdoberfläche in diesem Jahrhundert bestimmen. Wenn die mittlere globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 66 % auf weniger als 2 °C begrenzt werden muss, müssen die kumulativen CO2-Emissionen seit 1870 auf etwa 2900 Gt CO2 begrenzt werden. Ungefähr zwei Drittel davon wurden bis zum Jahr 2001 bereits emittiert. Also, um die Erwärmung unter 2 °C zu halten, können nur noch ca. 1000 Gt CO2 emittiert werden.

Zusammenfassend: Klimawandel bleibt eine große...

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