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Das Leben annehmen

So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)

AutorMatthias Wengenroth
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl309 Seiten
ISBN9783456956831
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Kämpfen Sie mit Gefühlen und Gedanken, die Ihnen das Leben schwermachen? Haben Sie schon vieles ausprobiert, um dagegen anzugehen, und sind dabei kaum weitergekommen? Und haben Sie das Gefühl, dass währenddessen das Leben an Ihnen vorbeizieht? Die diesem Buch zugrundeliegende Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), die hier in leicht verständlicher und unterhaltsamer Weise vorgestellt wird, bietet neuartige und sehr erhellende Einblicke in die Ursachen menschlichen Leidens. Zudem zeigt ACT auf, wie wir besser mit den schwierigen Aspekten des Menschseins umgehen und gleichzeitig die eigenen Fähigkeiten und Stärken weiterentwickeln können. Dieses Buch hilft Ihnen dabei! Es zeigt Ihnen, wie Sie mithilfe einfacher, aber nachweislich wirksamer Methoden selbst die Voraussetzungen dafür schaffen können, vom Leben das zu bekommen, wonach Sie sich tief in Ihrem Inneren sehnen.

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Horizontale Tabs

Kapitelübersicht
  1. Das Leben annehmen
  2. Vorbemerkung und Dank
  3. Vorwort von Thomas Heidenreich
  4. Kapitel 1 «Don’t worry, be happy»: alles andere
  5. Kapitel 2 Warum wir Menschen leiden
  6. Kapitel 3 Akzeptanz und Bereitschaft
  7. Kapitel 4 Abstand zu Gedanken
  8. Kapitel 5 Gegenwärtigkeit: den Augenblick leben
  9. Kapitel 6 Wer bin ich?
  10. Kapitel 7 Das gute Leben
  11. Kapitel 8 In Bewegung kommen
  12. Kapitel 9 Akzeptanz und Commitment in der Praxis
  13. Literaturverzeichnis
  14. Register
Leseprobe

Kapitel 2 – Warum wir Menschen leiden


Ich war der Überzeugung, mein Gehirn sei das wunderbarste Organ meines Körpers. Bis mir klar wurde, wer mir dies sagte.

Emo Phillips

Jeder Mensch hat in seinem Leben schmerzliche Erfahrungen gemacht. Jeder Mensch hat gelitten, und es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass Menschen irgendwann einmal an einen Punkt kommen, an dem sie vor Schmerz und Leid krank werden oder gar ihren Lebensmut verlieren. Und dies trifft auch auf Menschen zu, die von außen betrachtet alles haben, um glücklich zu sein, ja, die oft sogar von anderen beneidet werden, weil sie erfolgreich, wohlhabend und beliebt sind.

Stellen Sie sich vor, wir hätten die Möglichkeit, einem Menschen aus dem Mittelalter von unserem Leben zu erzählen. Er würde sich nach unserem Alltag erkundigen: Wie sehen eure Wohnungen aus? Was tut ihr gegen Schmutz und Gestank? Was gegen die Kälte und die Hitze? Wie bewegt ihr euch fort, und welche Möglichkeiten habt ihr, euch die Langeweile zu vertreiben? Wie oft werdet ihr von Wegelagerern oder wilden Tieren überfallen? Wie schafft ihr es, euch zu ernähren, und was tut ihr, wenn ihr krank werdet? Wie alt werdet ihr überhaupt, und wie viele eurer Kinder sterben in den ersten Lebensjahren? Und so weiter.

Würden ihn unsere Antworten auf diese Fragen nicht zwangsläufig zu dem Schluss führen, dass wir – die Durchschnittsmenschen in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts – in einem regelrechten Paradies leben und ausgesprochen glücklich sein müssten? Wir alle wissen, dass dies nicht so ist. Natürlich ist die Frage schwer zu beantworten, ob wir glücklicher oder unglücklicher sind als Menschen, die zu anderen Zeiten auf der Erde gelebt haben; aber dass wir nicht so glücklich sind, wie es unsere äußeren Lebensumstände vermuten lassen könnten, ist unstrittig. Während es vor allem in den zurückliegenden hundert Jahren sagenhafte Fortschritte in Wissenschaft und Technik gegeben hat, sind wir auf dem Gebiet des menschlichen Verhaltens und Erlebens so gut wie gar nicht weitergekommen. Die Probleme auf diesem Gebiet sind immer noch bedrückend groß – und zwar nicht nur die, die in die Rubrik psychische Störungen fallen, wie Depressionen, Zwänge, Ängste oder Suchtprobleme. Auch viele andere Schwierigkeiten, die den Umgang des Menschen mit sich selbst und anderen betreffen, sind nach wie vor ungelöst. Gier, Egoismus, Rachsucht, Hass, Gewalt, Diskriminierung – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Es scheinen eher noch Probleme hinzuzukommen oder zumindest an Häufigkeit zuzunehmen (beispielsweise Mobbing oder Ess-Störungen), und die Probleme, die es schon immer gab ( z.B. aggressives Verhalten oder Besitzsucht) haben heute, gerade aufgrund des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, oft noch viel dramatischere Auswirkungen als zu früheren Zeiten der Menschheit; denken wir beispielsweise an die Gefahren durch Terrorismus oder Umweltverschmutzung.

Menschen leiden, Tiere leiden. Ein Tier kann frieren, Hunger und Durst empfinden, Schmerz spüren, kann in Panik geraten, kann vielleicht sogar trauern. Aber während ein Tier, das alles hat, was es zum Leben braucht, natürlich und spontan die Möglichkeiten nutzt, die es in seiner Umgebung vorfindet, scheinen wir Menschen uns häufig selbst im Wege zu stehen. Anstatt uns unserer Fähigkeiten zu bedienen und unseren Spielraum zu nutzen, verzagen wir oft angesichts einer Herausforderung und geben auf, obwohl wir, nüchtern betrachtet, alle Chancen gehabt hätten, die Aufgabe zu meistern. Wir verstricken uns in sinnlose Grübeleien, quälen uns mit zermürbenden Schuldgefühlen, gefährden oder zerstören gar unsere Gesundheit, indem wir schädliche Substanzen zu uns nehmen oder zu viel oder zu wenig essen. Wir ziehen uns immer weiter zurück, bauen eine Mauer um uns auf, lassen niemanden an uns heran – und klagen gleichzeitig darüber, dass wir so einsam sind. Wir entwickeln starke Ängste vor Situationen, mit denen wir persönlich noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht haben. Wir steigern uns in die Furcht hinein, eine schlimme Krankheit zu haben, auch wenn uns ein Arzt nach dem anderen versichert, dass wir kerngesund sind. Wir zetteln schlimme Auseinandersetzungen mit Menschen an, die wir lieben und die eigentlich auf unserer Seite stehen – oder zumindest einmal dort standen. Diese Liste mit auf den ersten Blick schwer verständlichen Verhaltensweisen ließe sich endlos fortsetzen, Verhaltensweisen, die bei Tieren – und bei kleinen Kindern – übrigens sämtlich fehlen.

Leiden wir, weil wir krank sind?


Was ist es, das es uns so schwer macht, die Möglichkeiten, die uns diese Welt bietet, zu nutzen und das Beste aus unserem Leben zu machen? Warum ist es für uns Menschen so schwer, das Glück zu finden?

Man kann versuchen, diese Frage medizinisch zu beantworten: Menschen, denen es nicht gelingt, ein zufriedenstellendes Leben zu führen, leiden an einer Krankheit, einer «psychischen Krankheit». Im Bereich der Medizin hat es sich als ausgesprochen effektiv erwiesen, Krankheitsbilder zu benennen und sie anhand von typischen Beschwerden zu beschreiben, ihre Ursachen zu erforschen und herauszufinden, mit welchen Behandlungsmethoden eine Besserung am wahrscheinlichsten zu erreichen ist. Das Grundprinzip der medizinischen Herangehensweise lautet in etwa: Wenn jemand nicht fit ist und leidet, dann liegt dies daran, dass er eine Krankheit hat. Diese Krankheit wiederum hat eine bestimmte Ursache ( z.B. eine Infektion, eine Verletzung oder eine Störung im Stoffwechsel) und muss auf eine spezifische Art und Weise behandelt werden, damit der Betroffene wieder auf die Beine kommt und es ihm wieder gut geht. Dieses Denkmodell, das, wie gesagt, ausgesprochen erfolgreich war und ist, wenngleich es auch seine Grenzen hat, übertrug man auf den Bereich der Psyche. Sprich: Einem Menschen geht es schlecht, weil er eine psychische Krankheit hat. Diese hat ihre Ursachen und ist mit geeigneten Methoden zu behandeln.

Dieses medizinische Modell ist mit einer Reihe von Vorteilen verbunden. Die Gesundheit gilt bei uns als hohes Gut, und die Bekämpfung von Krankheiten betrachten wir als Aufgabe von höchstem Rang. Diejenigen, die sich dieser Aufgabe widmen, verfügen über hohes Ansehen und werden großzügig mit Mitteln ausgestattet. Davon profitieren auch Wissenschaftler und Praktiker, die sich mit der Erforschung und Behandlung der sogenannten psychischen Krankheiten befassen – unter anderem Psychotherapeuten, Psychiater und Psychotherapieforscher und -forscherinnen. Auch die Leidenden selbst profitieren. Sie werden nicht mehr als von bösen Mächten besessen betrachtet und einer entsprechenden Behandlung zugeführt – etwa auf dem Scheiterhaufen verbrannt –, wie dies in früheren Jahrhunderten geschah, sondern gelangen in den Genuss der Rechte, die kranken Menschen in unserer Gesellschaft zustehen.

Andererseits hat das Modell klare Grenzen. So hat es sich letztendlich als sehr schwierig erwiesen, einzelne psychische Krankheiten oder Störungen zu definieren und sinnvoll voneinander abzugrenzen. Zwar gibt es solche «Kataloge», die psychische Erkrankungen anhand ihrer Symptome beschreiben, die Praxis zeigt aber zweierlei: Erstens fällt die Zuordnung zu einer bestimmten Störung sehr schwer, und viele, wenn nicht gar die meisten Menschen, die sich wegen psychischer Probleme an einen Arzt oder Psychologen wenden, leiden nicht nur an einer, sondern an mehreren Störungen gleichzeitig (man spricht von Komorbidität). Und zweitens weiß man, dass die Methoden, die in der Psychotherapie entwickelt und getestet wurden, in der Regel nicht nur für solche Menschen hilfreich sind, die unter einer bestimmten Störung leiden, sondern für einen Großteil der Patienten – unabhängig davon, welche Störung man diagnostiziert. Es ist sinnvoll, dass der Arzt, wenn ein bauchschmerzgeplagter Patient zu ihm kommt, zunächst untersucht, ob die Bauchschmerzen stressbedingt sind oder die Folge einer Lebensmittelvergiftung darstellen oder auf eine Blinddarmentzündung zurückgehen, vor allem deshalb, weil er diese Krankheiten unterschiedlich behandeln muss. Wenn aber von den Patienten mit Bauchschmerzen die meisten unter Stress stünden, zugleich auch etwas Verdorbenes gegessen sowie einen entzündeten Blinddarm hätten und hülfe das, was dem gestressten Patienten hilft, auch dem Blinddarmpatienten und dem Patienten mit dem verdorbenen Magen, dann wäre diese Art der Diagnostik weniger sinnvoll.

Ein weiteres Argument gegen die Aussage «Menschen leiden, weil sie eine psychische Krankheit haben» ist die weite Verbreitung psychischer Probleme. Aus den im ersten Kapitel genannten Zahlen geht deutlich hervor: Seelisches Leid stellt eher die Regel als die Ausnahme dar. Wenn aber ein Phänomen wie das Erleiden einer psychischen Störung so weit verbreitet ist, dass jeder dritte Mensch davon betroffen ist, dann ist die Annahme, dass all diese Menschen eben eine Krankheit haben und dass – im Umkehrschluss – der «normale» Zustand die Gesundheit wäre, nicht besonders plausibel.

Vielmehr müssen wir uns fragen, ob es nicht etwas in uns Menschen gibt, das es uns grundsätzlich schwer macht, zufrieden zu leben und mit uns selbst und unseren Artgenossen gut auszukommen – auch wenn die äußeren Bedingungen günstig sind. Die Antwort, die die Akzeptanz- und Commitment-Therapie auf diese Frage gibt, stellt die Rolle unseres Verstandes in den Vordergrund. Steven Hayes und andere Forscher und Forscherinnen haben sich über zwanzig Jahre lang intensiv mit unserem Denken und unserer Sprache befasst: Das Ergebnis ist die bereits im ersten Kapitel erwähnte...

Inhaltsverzeichnis
Das Leben annehmen1
Inhalt7
Vorbemerkung und Dank11
Vorwort von Thomas Heidenreich13
Kapitel 1 «Don’t worry, be happy»: alles andere17
Automatisches Denken und der Umgang mit Gefu?hlen20
Das Nicht-wörtlich-Nehmen von Gedanken24
Akzeptanz und Achtsamkeit26
Verhaltenstherapie und ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie)30
Theorie und Erfahrung30
Dazulernen und Umlernen32
Verhalten, Gefu?hle und Gedanken33
Was können Sie von diesem Buch erwarten?40
Kapitel 2 Warum wir Menschen leiden43
Leiden wir, weil wir krank sind?45
In unseren Köpfen: die Denkmaschine47
1. Denkmaschinen sind arrogant47
2. Denkmaschinen sind ziemlich negativ eingestellt49
3. Denkmaschinen vergessen nichts50
4. Auch Denkmaschinen begehen Fehler51
5. Denkmaschinen präsentieren ihre Produkte, als wären sie Realität57
6. Denkmaschinen spielen gern Gefu?hlspolizei60
7. Denkmaschinen können mit der Gegenwart nicht viel anfangen65
8. Denkmaschinen sind Begru?ndungs- und Rechtfertigungsweltmeister67
Kapitel 3 Akzeptanz und Bereitschaft71
Bereitschaft und Akzeptanz – die Alternative zur Kontrolle84
Akzeptanz lernen86
Weshalb Hoffnungslosigkeit kreativ sein kann87
Das Bereitschaftstagebuch91
Anti-Akzeptanz-Sätze unseres Verstandes94
Sollte man Bereitschaft begrenzen?96
Natu?rliches und selbst gemachtes Leid97
Was Gefu?hle sind und was sie zu sein vorgeben99
Kapitel 4 Abstand zu Gedanken105
Techniken der kognitiven Defusion109
Hitliste der häufigsten Negativgedanken erstellen110
Aus einem Aber ein Und machen111
«Raus mit der Sprache»113
Den Verstand wie ein eigenständiges Wesen behandeln114
Sprachliche Verfremdung von Gedanken115
Cyberdefusion117
Kennen Sie den? Kommt ein Verstand zum Arzt …119
Der pragmatische Blick122
Gedanken beobachten127
Gedanken als solche benennen und kategorisieren129
Bewertung oder Beschreibung?129
Verschiedene Versionen der eigenen Geschichte schreiben132
Wann sollten wir auf Abstand zu unseren Gedanken gehen?135
Kapitel 5 Gegenwärtigkeit: den Augenblick leben139
Achtsamkeit: offen sein fu?r das, was jetzt ist140
Was Achtsamkeit nicht ist142
Die drei Facetten der Achtsamkeit144
Wozu Achtsamkeit?146
Achtsamkeit u?ben148
Achtsames Atmen149
Inventur innerer Ereignisse150
Die Körperreise153
Achtsamkeit im Alltag154
Mögliche Schwierigkeiten beim Praktizieren von Achtsamkeit161
Woran kann man Achtsamkeit erkennen?163
Kapitel 6 Wer bin ich?167
Das Ich in der Schublade170
Das Ich im ständigen Fluss der Gefu?hle und Gedanken176
Das Ich auf dem Zuschauerrang184
Raus aus der Schublade187
Identitätchen-wechsel-dich188
Ich bin nicht der Typ, der … Oder doch?191
Das Leben als Schachspiel194
Kapitel 7 Das gute Leben197
Werte, psychologisch betrachtet200
Wozu Werte?204
Die eigenen Vorstellungen von einem guten Leben erkennen215
Die Wie-will-ich-mein-Leben-leben?-Collage218
Bei der eigenen Trauerfeier dabei sein219
Das Wertetagebuch220
Ru?ckblickend betrachtet: Im Reinen und Unreinen mit den eigenen Werten221
Der Wertekompass223
Mögliche Schwierigkeiten223
Welche Richtungen will ich einschlagen?226
Kapitel 8 In Bewegung kommen231
Commitment: es ernst meinen236
Mögliche Barrieren236
… außer man tut es241
Sich selbst ein guter Unterstu?tzer sein241
Mitgefu?hl242
Werte, Ziele, Handlungen244
Ausfu?hrungsabsichten formulieren245
Verabredung mit dem Schrecken247
Rechthaberei u?berwinden253
Verzeihen lernen255
Umgang mit Ru?ckschlägen258
Fortschritte beobachten und wu?rdigen262
Kapitel 9 Akzeptanz und Commitment in der Praxis265
Die Panik aus heiterem Himmel265
Was denken die bloß von mir?271
Was wäre, wenn …? Leben im dauerbesorgten Zustand276
Wie kann man nur so etwas denken? Der Kampf mit dem «Kletteräffchen»281
Das schwarze Loch284
Nikotin – die kleine Sucht291
Schluss296
Literaturverzeichnis299
Register303

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