Eigentlich weiß man auch schon ohne die Definitionen der Wohngebäudeversicherungsbedingungen ganz gut, was es bedeutet, wenn es irgendwo brennt. Dennoch kann es auch bei der Frage nach einem Brand zu Abgrenzungsproblemen kommen. Das Missgeschick des Hobbykochs, z.B. wenn ihm der Braten „verbrannt“ ist, würde noch keinen Versicherungsfall darstellen. Abgesehen davon wäre der Braten auch kein Teil eines Wohngebäudes, sondern Hausrat.
Unter einem bestimmungsgemäßen Herd versteht man den Ort, an dem ein Feuer brennen soll, also z.B. der Docht einer Kerze oder der Brenner in der Heizungsanlage eines Mehrfamilienhauses. Sachen, die dort |20|verbrennen, sind also nicht versichert, da sie ja bestimmungsgemäß verbrennen. Dies trifft für die Kerze und für das Heizöl zu. Wer also als Eigentümer eines Mehrfamilienhauses viel Heizöl (versichertes Gebäudezubehör, s. Kapitel 2) nachbestellen muss, kann die Kosten nicht von der Gebäudeversicherung erstattet bekommen, da das Heizöl bestimmungsgemäß verbrannt ist. Eigentlich logisch!
Wenn aber durch die Kerze oder durch die Heizungsanlage ein Feuer entsteht, das auf andere Sachen übergreift, so hat das Feuer seinen bestimmungsgemäßen Herd verlassen und genügend Kraft gehabt, sich auszubreiten. Dies wäre versichert!
Demgegenüber ist zum Beispiel die Brandstiftung ein Feuer ohne einen bestimmungsgemäßen Herd, denn das Gebäude ist ja an sich nicht zum Brennen bestimmt. Gleiches gilt für ein Feuer, das aufgrund eines technischen Defektes eines Haushaltsgerätes oder einer Anlage entsteht.
Schäden durch starke Hitze sind aber erst dann ein Brandschaden, wenn es zu einer offenen Lichterscheinung kam. Wem also das heiße Bügeleisen auf den Parkettboden fällt und dadurch lediglich ein Brandfleck entsteht, der bekommt den Schaden am Parkett nicht erstattet (Ausschluss „Sengschaden“)[13]. Erst wenn der Parkettboden dadurch Feuer fängt und es zu einer offen Flamme kommt, liegt ein Brand vor.
Hierzu nun unser erster Schadensfall, bei dem wir die Frage des Brandes noch genauer unter die Lupe nehmen wollen. Gleichzeitig gehen wir auch schon kurz auf die „versicherten Sachen“ ein. Wie schon erwähnt, gibt es allgemeine – und auch zu jeder Gefahr – klar definierte Ausschlüsse, die man jeweils mitprüfen muss. Aber das machen wir für die Gefahr Brand jetzt einfach gemeinsam mit unserem ersten Schadensfall „Brennende Leidenschaft …“
|21|Schadensfall 1: „Brennende Leidenschaft …“
Wiebke bewohnt seit Jahren allein ein renovierungsbedürftiges Einfamilienhaus in Mannheim. Vor zwei Tagen hat sie mit ihrem Freund Hasso nach nur zweiwöchiger intensiver Freundschaft Schluss gemacht.
Hasso kommt darüber nicht hinweg. Aus Zorn und verletzter Eitelkeit wirft er einen mit Stofffetzen umwickelten und in Benzin getränkten, brennenden Stein durch die Wohnzimmerscheibe von Wiebkes Wohnung. Wiebke kann noch rechtzeitig das Haus verlassen und überlebt unbeschadet. Allerdings brennt das Haus bis auf die Grundmauern vollkommen ab. Die Brandermittler von Polizei und Feuerwehr schätzen den Gebäudeschaden auf 200.000 €. Wiebke hat eine Wohngebäudeversicherung, aus der maximal 280.000 € für einen Wiederaufbau zur Verfügung stehen. Diese Summe wird von einem Architekten auch als ausreichend eingeschätzt.
Wiebke verlangt daher von ihrem Versicherer die Erstattung der Wiederaufbaukosten in Höhe von 280.000 €. Zu Recht?
Lösung
Der Versicherer könnte zum Ersatz des entstandenen Gebäudeschadens nach § 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 1 (a) und Nr. 2, § 5 VGB verpflichtet sein. Hierfür ist Voraussetzung, dass eine versicherte Sache durch eine versicherte Gefahr zerstört oder beschädigt oder infolgedessen abhandengekommen ist.
I. Versicherte Sache
Versichert sind die im Versicherungsschein bezeichneten Gebäude mit ihren Gebäudebestandteilen und Gebäudezubehör, einschließlich unmittelbar an das Gebäude anschließender Terrassen auf dem im Versicherungsschein bezeichneten Versicherungsgrundstück, § 5 Nr. 1 VGB.
Definition: Gebäude, § 5 Nr. 2 (a) VGB:
Gebäude im Sinne dieser Regelungen sind mit dem Erdboden verbundene Bauwerke, die der überwiegenden Nutzung zu Wohnzwecken bestimmt sind und gegen äußere Einflüsse schützen können.
|22|Für das Gebäude von Wiebke bestand eine Gebäudeversicherung. Ihr Haus ist damit das versicherte Gebäude, das in diesem Fall bis auf die Grundmauern abgebrannt ist. Dies stellt eine Zerstörung dar.
Zwischenergebnis
Es wurde ein versichertes Gebäude im Sinne des § 5 Nr. 2 (a) VGB zerstört.
II. Versicherte Gefahr
Das versicherte Gebäude müsste durch eine versicherte Gefahr zerstört worden sein. Vorliegend könnte sich die Gefahr eines Brandes nach § 2 Abs. 1 (a) und Nr. 2 VGB verwirklicht haben.
Definition Brand, § 2 Nr. 2 VGB:
Brand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.
Zwar stellte der umwickelte Stein einen bestimmungsgemäßen Herd dar – der Stein war von Hasso zum Brennen bestimmt worden – doch das Feuer konnte diesen Herd verlassen und hat sich aus eigener Kraft ausgebreitet. Ein Brand liegt somit vor.
Zwischenergebnis
Das versicherte Gebäude wurde durch eine versicherte Gefahr zerstört, sodass der Versicherer dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet ist.
III. Vorsätzliches Herbeiführen des Versicherungsfalles (subjektiver Risikoausschluss)
Fraglich ist aber, ob der Versicherer nach § 81 Abs. 1 VVG aufgrund der vorsätzlichen Handlung des Hasso von der Leistungspflicht frei sein könnte. Dafür müsste Hasso allerdings Versicherungsnehmer gewesen sein. Dies ist nicht der Fall, denn Wiebke ist Versicherungsnehmerin und sie selbst hat den Schaden nicht verursacht.
|23|Hinweise auf mögliche andere Ausschlüsse nach § 1 Nr. 2 oder § 2 Nr. 5 VGB sind nicht gegeben.
Zwischenergebnis
Der Versicherer ist trotz der vorsätzlichen Handlung des Hasso zur Leistung verpflichtet.
IV. Entschädigungshöhe
Es stellt sich die Frage, in welcher Höhe der Versicherer zur Leistung verpflichtet ist.
Wiebke fordert vom Versicherer die volle Versicherungssumme, also 280.000 €. Hiergegen könnte der Umstand sprechen, dass die Brandermittler von Polizei und Feuerwehr den Schaden lediglich auf 200.000 € geschätzt haben.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die Brandermittler lediglich den Schaden zum Zeitwert ermitteln wollten, um das Ausmaß der Straftat einschätzen zu können. Nach § 249 BGB entspricht dies dem Wert des Gebäudes vor dem Schaden, also wenn der Schaden nicht eingetreten wäre. In § 14 Nr. 2 VGB ist der Zeitwert als Neuwert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles abzüglich der Wertminderung – insbesondere durch Alter und Abnutzungsgrad – definiert.
Der Gebäudeversicherer hat hingegen grundsätzlich die ortsüblichen Wiederherstellungskosten des Gebäudes, einschließlich der Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles zu ersetzen („Gleitender Neuwert und Neuwertversicherung“, § 14 Nr. 1 (a)(aa) VGB).
Eine Ausnahme würde nur für den Fall gelten, dass das Gebäude bereits zum Abbruch bestimmt oder sonst dauerhaft entwertet war. In diesem Fall müsste der Versicherer nur noch den vor dem Schaden erzielbaren Verkaufspreis ohne Grundstücksanteile („Gemeiner Wert“) erstatten.[14]
|24|Definition: Gemeiner Wert § 14 Nr. 3 VGB
Soweit ein Gebäude zum Abbruch bestimmt oder sonst dauerhaft entwertet ist, werden versicherte Sachen nur unter Zugrundelegung des erzielbaren Verkaufspreises ohne Grundstücksanteile (Gemeiner Wert) entschädigt.
Ein solcher Umstand könnte sich bei dem Gebäude von Wiebke aufgrund der Renovierungsbedürftigkeit ergeben. Einen Hinweis auf einen bevorstehenden Abbruch des...