3 (Unbewusste) Beeinflussung durch Aussehen
Quizfrage: Ein Mann bittet auf offener Straße eine Frau um ihre Telefonnummer, um sie später zu einem Date einzuladen. Wann sind seine Erfolgschancen am größten?
a) Wenn der Mann einen schwarzen Gitarrenkoffer mit sich trägt?
b) Wenn der Mann eine schwarze Sporttasche dabei hat?
c) Wenn der Mann nichts davon dabei hat?
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Es gehört sicherlich zu den großen Ungerechtigkeiten unseres Daseins, dass manche Menschen mit makelloser Schönheit gesegnet sind und dadurch - ohne etwas leisten zu müssen - enorme Vorteile genießen. So wird schon im Kindesalter hübschen Schülern Fehlverhalten eher verziehen (Dion, 1972), ihre Leistungen werden besser bewertet (Landy & Sigall, 1974)1 und sowohl in der Jugend als auch im Alter werden schöne Menschen im Durchschnitt als intelligenter eingestuft (Zebrowitz, Hall, Murphy & Rhodes). Die Schönheit einer Person überstrahlt also wie ein Halo den Rest ihrer Persönlichkeit. Dieses Kapitel soll aber über den wohlbekannten „Halo-Effekt“ hinausgehen und Forschungsergebnisse zusammenfassen, in denen man durch einfache Veränderungen im Aussehen teilweise enorme Effekte erzielen konnte.
So ließ sich beispielsweise beobachten, dass Kellnerinnen, denen man ein professionelles Make-up verpasst hatte, häufiger von Männern Trinkgeld erhielten (55% vs. 32%), als wenn sie kein Make-up trugen (Guéguen & Jacob, 2011). Ebenso konnten Frauen mit Make-up auch eher damit rechnen, von Männern per Anhalter mitgenommen zu werden (24% vs. 15%; Guéguen & Lamy, 2013) oder von Männern in einer Bar angesprochen zu werden (Guéguen, 2008). Gleiches ließ sich feststellen, wenn man den BH einer jungen Frau von Körbchengröße A bis Körbchengröße C aufpolsterte (siehe Tabelle; Guéguen, 2007a; Guéguen, 2007b)2.
Wer an dieser Stelle die Oberflächlichkeit der Männer beklagt, dem sei versichert: Viele Frauen sind auch nicht besser.
Denn während Männer sich bei der Partnerwahl stark auf Äußerlichkeiten konzentrieren, lassen sich Frauen besonders vom sozialen Status eines Mannes beeinflussen. Ließ man beispielsweise einen attraktiven Komplizen aus einem teuren Auto (Audi A5; Wert: 55.000 Euro) aussteigen und eine Passantin um eine Telefonnummer fragen, war die Erfolgsquote dreimal höher, als wenn der selbe Mann aus einem 15 Jahre alten Renault (Wert: 800 Euro) ausstieg (Guéguen & Lamy, 2012)3.
Dass Frauen aber nicht nur ein Herz für materielle Dinge haben, sondern auch eine romantische Ader besitzen, legen die Ergebnisse eines Feldexperiments mit 300 Frauen im Alter von 18 bis 22 Jahren nahe (Guéguen, Meineri & Fischer-Lokou, 2014). Erneut schickte man einen attraktiven Komplizen auf die Straße, um Frauen um Dates bzw. die Telefonnummer zu bitten. Allerdings führte der Verbündete während des Anmachversuchs entweder einen schwarzen Gitarrenkoffer, eine schwarze Sporttasche oder gar nichts (Kontrollgruppe) mit sich. Wen würden die Frauen eher daten wollen? Den Sportler oder den Musiker? Wie man Abbildung 3.1 entnehmen kann, fiel das Ergebnis eindeutig aus: Die Anfrage des (vermeintlichen) Musikers wurde dreimal häufiger akzeptiert als die des Sportlers. Vermutlich löst die Gitarre – ähnlich wie auch Blumen (siehe Kapitel 8.4 ) – bei den Frauen allerlei romantische Assoziationen aus (Priming). Vielleicht wird einem Mann mit Gitarre aber auch ein interessanteres Sozialleben („Er ist in einer Band!“) zugeschrieben als einem Mann mit Sporttasche.
Abbildung 3.1 Basierend auf Daten von: Guéguen, N., Meineri, S., & Fischer-Lokou, J. (2014). Men’s music ability and attractiveness to women in a real-life courtship context. Psychology of Music, 42(4), 545-549.
3.1 Kleider machen Leute?
Wenngleich in vielen „Verändern Sie Ihr Leben“-Ratgebern darüber zu lesen ist, wie wichtig doch ein eleganter Kleidungsstil für die Außenwirkung ist, wird in den seltensten Fällen darauf eingegangen, welche Forschungsergebnisse dieser Behauptung zu Grunde liegen und wie groß die Effekte eigentlich sind.
Ehrlicherweise muss man sagen, dass gewöhnliche Veränderungen in unserem Kleidungsstil (z.B. Rock anstelle von Hose) wohl kaum mit großartigen Verhaltensveränderungen (z.B. mehr Hilfsbereitschaft) von Seiten unserer Mitmenschen einhergehen (Harris et al., 1983). Wer jedoch ein Make-Over von sehr schludrig zu sehr elegant und nobel durchmacht, wird sich wahrscheinlich wundern, wie freundlich ihm viele Menschen auf einmal gesinnt sind. So ließ man in einer Untersuchung einen Pizza-Boten entweder in normaler, lässiger Kleidung (Jeans, T-Shirt, Sneakers) oder im noblen Business-Anzug die Pizza bei den Kunden ausliefern. Während man ihm in lässiger Kleidung im Durchschnitt nur 3,23 Euro Trinkgeld gab, spendierte man ihm fast doppelt so viel, wenn er einen Anzug trug (6,01 Euro; Jacob & Guéguen, 2014).
Abbildung 3.2 Wer einen noblen Anzug trägt, kann mit mehr Hilfsbereitschaft von seinen Mitmenschen rechnen.
In anderen Experimenten ließ sich beobachten, dass Passanten einem mit Anzug und Krawatte bekleideten Mann deutlich häufiger beim Überqueren einer roten Ampel folgten (siehe Tabelle; Guéguen & Pichot, 2001) oder eher bereit waren, einen Zehntel-Dollar, den sie in einer Telefonzelle gefunden hatten, an den Besitzer zurückzugeben (Bickman, 1971).
Sehr bedenklich stimmt allerdings, dass Menschen offenbar aufgrund der Kleidung auch Rückschlüsse auf die Intelligenz einer Person ziehen. Behling und Williams (1991) zeigten 750 Schülern und 159 Lehrern die Bilder einer Schülerin und eines Schülers, welche unterschiedliche Kleidung trugen. Um eine mögliche Störquelle zu beseitigen, hatte man die Gesichter geschwärzt. Wie sich herausstellte, wurden Schüler mit verwaschenen Jeans, T-Shirt und (ungebundenen) Tennisschuhen für weniger intelligent gehalten als stylisch gekleidete Schüler in noblen Anzügen (mit Krawatte)4.
Letztlich kommt es bei der Auswahl der Kleidung aber nicht nur darauf an, wie nobel und elegant man durch sie wirkt, sondern auch, ob man als Mitglied der Gruppe wahrgenommen wird. In einer in den 70er-Jahren durchgeführten Untersuchung hatte man zwei Hippies (lange Haare, Sandalen, Stirnband) und zwei „Normalos“ (kurze Haare, normal gekleidet) losgeschickt, um insgesamt 384 Studenten um einen Zehnteldollar für ein Telefongespräch zu bitten. Wie sich herausstellte, wurde den Hippies von anderen Hippies häufiger geholfen als von Normalos. Das gleiche ließ sich auch umgekehrt beobachten (Emswiller, Deaux & Willits, 1971).
3.2 Rote Kleidung macht Frauen attraktiver…
Rot ist bekanntlich die Farbe der Liebe. Wenn man uns die Aufgabe gibt, ein Zeichen romantischer Verbundenheit zu malen, würden wahrscheinlich viele von uns ein rotes Herz malen. Aber wie weit reicht die Symbolkraft der Farbe Rot in unserem Alltag?
Guéguen (2012) ließ 120 Versuchspersonen ein Bild einer Frau bewerten, deren T-Shirt man mit einem Bildbearbeitungsprogramm entweder rot, grün, blau oder weiß eingefärbt hatte. Hatte die Frau ein rotes T-Shirt an, wurde sie nicht nur als attraktiver eingestuft, sondern man unterstellte ihr auch ein erhöhtes sexuelles Interesse. Hierzu passen auch die Ergebnisse einer Untersuchung auf einer Online-Dating-Plattform, in welcher man die Farbe der Kleidungsstücke von 64 Frauen überarbeitet hatte. Wenn die Frauen auf den Profilbildern rote anstelle von schwarzen, weißen, blauen, gelben oder grünen Oberteilen trugen, nahmen mehr Männer Kontakt zu ihnen auf.
Allerdings können sich Frauen die Wirkung der Farbe Rot auf Männer auch in anderen Situationen zunutze machen. So können sie nicht nur darauf hoffen, eher von Männern per Anhalter mitgenommen zu werden (siehe Tabelle; Guéguen, 2012)5, sondern sie können auch damit rechnen, als Kellnerinnen im Restaurant mehr Trinkgeld zu bekommen (siehe Tabelle; Guéguen & Jacob, 2014)6.
In beiden Szenarien hatten die roten T-Shirts übrigens keinen Effekt auf weibliche Versuchspersonen. Somit kann zum Beispiel ausgeschlossen werden, dass die Autofahrer auf die roten T-Shirts einfach eher aufmerksam wurden (Rot gilt ja auch als Signalfarbe). Stattdessen waren wahrscheinlich tatsächlich die romantischen Ambitionen der Männer für die gefundenen Effekte verantwortlich.
3.3 Die Macht der Uniform
Einer der Hauptgründe, weshalb viele Versuchspersonen im Milgram-Experiment dazu gebracht werden konnten, einem wehrlosen Bürger lebensgefährliche Schocks zu verabreichen, war sicherlich der Autorität ausstrahlende graue Labor-Kittel des Versuchsleiters. Wenn man den Versuchsleiter durch einen Normalbürger ohne Labor-Kittel ersetzte, ging der Gehorsam der Versuchspersonen deutlich zurück.
Die „Macht der Uniform“ ist mittlerweile gut dokumentiert.
Schon im Jahr 1974...