Frigg
I Frigg in der germanischen Überlieferung
Frigg ist als Frau des Göttervaters Odin die oberste Göttin der Germanen. Über ihre Mythen ist im Vergleich zu denen der Freya jedoch relativ wenig bekannt. Im Vergleich zu allen übrigen Göttinnen der Germanen sind die Überlieferungen zu Frigg und Freya jedoch mit großem Abstand am reichhaltigsten.
I 1. Der Name „Frigg“
Die Göttin, die in der isländischen Edda um 1220 n.Chr. „Frigg“ genannt wird, erscheint in anderen Ländern und zu anderen Zeiten unter anderen Namensvarianten:
Friggja | Schweden | schwedisch | ab ca. 1200 n.Chr. |
Frigg | Island | altnordisch | 1220 n.Chr. |
Frea | Nord- und Mittelitalien | langobardisch | 790 n.Chr. |
Fri | Großbritannien | altsächsisch | ab 750 n.Chr. |
Frîja | Niederlande, Deutschland, Schweiz, Österreich | althochdeutsch | 750-1050 n.Chr. |
Fricka (?) | Deutschland | althochdeutsch | 750-1050 n.Chr. |
Frīg | Großbritannien | altenglisch | 450-1150 n. Chr. |
Frijjo | Niederlande, Deutschland, Schweiz, Österreich | gemeingermanisch | vor 750 n.Chr. |
Das „gg“ in „Frigg“ hat sich aus dem „jj“ in „Frijjo“ entwickelt.
Der Gott Freyr, der der Bruder und Gatte der Freya ist, ist von dem Hamburger Bischof Adam von Bremen um 1075 n.Chr. „Fricco“ genannt worden.
Ein Teil der „g“-Buchstaben ist in der germanischen Sprache während der 1. germanischen Lautverschiebung (400-100 v.Chr.) und ein anderer Teil während der 2. germanischen Lautverschiebung (650-800 n.Chr.) zu einem „k“ geworden.
Da dieses „k“ in dem Latein des Adam von Bremen als ein „c“ geschrieben worden ist, muß dem „Fricco“ ein „Friggo“ vorausgegangen sein. Dieses „Friggo“ hat sich entweder in der Zeit von 400-100 v.Chr. oder von 650-800 n.Chr. in ein „k“ verwandelt.
Der Göttername „Friggo“ ist eine Parallelbildung zu „Frigg“. Sowohl „Friggo“ als auch „Frigg“ scheinen aus „Freya“ bzw. „Freyr“ entstanden zu sein.
Die erste Lautverschiebung fand 300-600 Jahre nach dem Beginn der Eroberung von Niedersachsen durch die Germanen statt, die vor dieser Zeit noch in Dänemark, Holstein, Südschweden und Südnorwegen wohnten.
Die zweite Lautverschiebung fand nach dem Ende der Völkerwanderungszeit (375-568 n.Chr.) statt.
Beide Lautverschiebungen sind also zumindestens zum Teil auch durch die Begegnung mit anderen Sprachen verursacht worden.
Die beiden germanischen Lautverschiebungen |
1. Lautverschiebung indogermanisch => germanisch 400-100 v. Chr. | 2. Lautverschiebung germanisch => Althochdeutsch 650-800 n. Chr. |
b => p | p => ff => f p => pf |
d => t | t => ss => w t => ts t => d |
Die beiden Namen „Freya“ und „Freyr“ haben sich aus der folgenden indogermanischen Wurzel heraus entwickelt:
Die Entwicklung der Namen „Freya“ und „Freyr“ |
altägyptisch | per („Haus“); z.B. in „per-aa“ für „Pharao“ („Großes Haus“) |
indogermanisch | per (Lehnwort: „Haus“) |
| priheh („Hausmitbewohner(in), Verwandte(r), Geliebte(r)“) => Frau |
| prija („Liebe“, vermutlich auch „Wiederzeugung“) |
| priheh („Göttin/Ahnin, Gott/Ahn“) => Priapos, Freyr, Freya |
| prehktos („Genitalien, Anus“) => großer Penis des Freyr |
| parikeh („Nebenfrau, Hure“) |
Aus dem altägyptischen Lehnwort „per“ für „Haus“ ist im Indogermanischen die Bezeichnung für „Hausmitbewohner(in), Verwandte(r), Geliebte(r)“ geworden. Dieser Begriff scheint auch auf die Ahnen und die Wiederzeugung ausgeweitet worden zu sein, sodaß er auch für den Ahn nach dessen Wiederzeugung (Priapos und Freyr haben beide einen großen, erigierten Penis) sowie auf die Jenseitsgöttin als die Wiederzeugungs-Geliebte (Freya) ausgeweitet werden konnte.
Bereits im Indogermanischen finden sich Ansätze, das ursprüngliche „per“ zu einem „prij…“ oder einem „prehk…“ weiterzuentwickeln.
Das indogermanische „prija“ für „lieben“ wurde im altnordischen zu einem „frijan“ für „lieben“. Hier ist das „p“ in der 2. Lautverschiebung (650-800 n.Chr.) zu einem „f“ geworden.
Das Altnordische „frijan“ für „lieben“ ist im Altenglischen ab ca. 400 n.Chr. durch die 2. Lautverschiebung zu „frigan“ für „Liebe, Freund“ geworden. Dies ist eine Parallele zu der Entwicklung des Namens „Freyja“ zu „Frigg“.
Auch im Altnordischen findet sich diese Umwandlung eines „j“, das auch als „y“ geschrieben worden ist, in ein „g“ wie z.B. in „fraegd“ für „Ruhm“, das sich von „Freyr“ für „Herr, Fürst, Gott Freyr“ ableitet.
Leider läßt sich diese Verwandlung des „j“ in ein „g“ zunächst einmal zeitlich nicht sicher einordnen.
Es gab noch eine weitere Verwandlung des Namens „Freyr“, bei der aus dem „j“ bzw. „y“ ein „d“ geworden ist: „frod“ für „Weisheit“, „froedi“ für „Zaubersprüche“, „fridandi“ für „gut“, „frida“ für „verehren“, „frid“ für „Schönheit“ und der Name „Frodi“, mit dem in den Sagas der König bezeichnet wird, zu dem der ehemalige Gott Freyr umgedeutet worden ist.
Aus diesen etwas ausführlicheren Betrachtungen ergibt sich, daß der Göttinnen-Name „Frigg“ mit dem Göttinnen-Namen „Freya“ identisch ist. Auch aus dem Namen des Gottes „Freyr“ wurde über ein nicht erhaltenes „Friggo“ die Variante „Fricco“.
In der folgenden Übersicht sind die nicht überlieferten, sondern nur erschlossenen Varianten mit einem „*“ versehen.
Die Namen „Freya“, „Freyr“ und „Frigg“ |
Freya => Freyja => Frigga => Frigg => Fricka* |
Freyr => Freyjr* => Friggo => Frigg (?) => Fricco |
Frigg und Freya sind somit ursprünglich dieselbe Göttin gewesen. Die beiden Lautverschiebungen, die die Veränderung des Namens „Freya“ zu „Frigg“ bewirkt haben, liegen zeitlich kurz nach der Expansion der Germanen von Südskandinavien aus nach Mitteleuropa (ab 750 v.Chr.) und kurz nach der Absetzung des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr (um 500 n.Chr.) durch den bei den Südgermanen entstandenen Göttervater Odin.
Somit liegt die Vermutung nahe, daß sich der Name „Freya“ bei den Südgermanen unter dem Einfluß der vielen Sprachen, denen sie begegnet sind, zu „Frigg“ entwikkelt hat. Bei diesen Südgermanen, also bei dem Teil der Germanen, die Südskandinavien verlassen hatten und nach Mitteleuropa gezogen sind, ist Frigg dann zu der Frau des bei...