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Humanismus als Lebensform

Albert Salomons Verklärung der Realität

AutorClaudius Härpfer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl143 Seiten
ISBN9783531913674
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Leben und Werk des deutsch-jüdischen Soziologen Albert Salomon (1891-1966) bilden eine Einheit. Von den Nationalsozialisten vertrieben, forschte er an der New School for Social Research in New York über die humanistischen Wurzeln der Soziologie und führte sein Leben im Sinne des Humanismus als letzter Bastion intellektueller Rechtschaffenheit in einer Zeit des Totalitarismus. Das Buch rekonstruiert diese Einheit in ihren geistes- und sozialwissenschaftlichen Bezügen und vergleicht sie mit den Werken anderer Emigranten.

Claudius Härpfer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grundlagen der Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M.

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Leseprobe
4 Salomon als Humanist (S. 97-99)

Salomon gibt in seiner Dissertation folgende zusammenfassende Definition der humanistischen Lebensform: „Humanismus als Lebensform bedeutet eine Gestaltung des Lebens, in welcher die Formen des Lebens immer mit historischen Inhalten erfüllt, erlebt und gelebt werden von der Grundlage eines vom unmittelbaren Leben abgetrennten Daseins aus." Ab einem bestimmen Punkt seines Lebens, trifft dies auch auf ihn selbst zu. Zuvor durchlebte er aber in gewisser Weise die beiden Formen des Lebens, von denen er den Humanismus abgegrenzt hatte. Seine Jugend- und Studienzeit ist stark von seinen Naturformen beeinflusst und geprägt vom Charakter des Kontemplativen, worauf in den sozialdemokratischen Kreisen Berlins während der Weimarer Republik, eine Phase des aktiven Lebens folgte, in der die Geistesformen sein Handeln prägend beeinflussten.

Erst angesichts der Krise seiner Emigration wurde er dann letztendlich zum Humanisten. Zusätzlich zu seiner Beschäftigung mit dem Humanismus als zeitgeschichtlichem Phänomen oder Leitgedanken in Sachen Bildung, begann er den Humanismus für sich als Lebensform umzusetzen. Dabei war er nicht mehr einfach nur kontemplativ, sondern eingebettet in jene Tradition der Bildung, über die er in seiner Dissertation schreibt: „Für eine humanistische Lebensform aber ist entscheidend, dass sie die Objekte der Bildung zum primären Lebensstoff macht und dass durch sie als Medium überhaupt erst das Leben erlebt werden kann."

Natürlich gehen diese Formen des Lebens – ebenso wie die Schichten des Lebens, „ständig ineinander verschlungen" sind – im Alltag ineinander über, wie ja auch Simmel den kontemplativen Priester und den aktiven Kaufmann als Pole eines Kontinuums betrachtet. Im Folgenden werde ich nun versuchen, diese drei Stufen von Salomons Entwicklung darzustellen. Dass dies an dieser Stelle im Rahmen einer kleinen Monographie nicht erschöpfend geschehen kann, versteht sich von selbst. Vielmehr sollen die nachfolgenden Darstellungen einen holzschnittartigen Überblick bieten, um die Plausibilität des erarbeiteten Analyserahmens zu demonstrieren. Auf eine ausführliche Darstellung der einzelnen Schichten der Lebensformen werde ich zu Gunsten der jeweils Dominanten verzichten.

4.1 Heidelberg – Kontemplation

Im wilhelminischen Berlin als erster von zwei Söhnen eines Lammfellhändlers und einer Kaffeeimporteurstochter nach den Konventionen des jüdischen Mittelstandes aufgewachsen,315 stand sein Leben zunächst ganz im Zeichen der Kontemplation. Das Gemeinschaftsleben in das er eingebunden war, hatte sich inhaltlich von den jüdischen Wurzeln gelöst und pflegte die Rituale lediglich noch aus Gewohnheit oder Pietät gegenüber noch lebenden älteren Verwandten.

Der Glauben seines sozialen Umfeldes war weitgehend ausgehöhlt und bei den Meisten lediglich residuenhaft vorhanden. Die Predigt war „zu einem Ornament" geworden, und stand spirituell auf einer Stufe mit der Lenwandowskyschen Synagogenmusik, dem „weitaus erfolgreichste[n] Exportartikel des deutschen Judentums". 316 Man lebte mit dem Paradox, sich als deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens zu definieren und bestand darauf, sich lediglich durch den – nicht mehr ausgeführten – Glauben von den deutschen Christen zu unterscheiden. Dabei identifizierte man sich mit den großen deutschen Denkern und deren Kultur.

„Die Bildung und Lektüre lagen ausschließlich im deutschen Kulturbereich, und ein Ausbruch aus ihm, besonders gar ins Jüdische zurück, begegnete in den meisten Fällen stärksten Widerständen." Während die Deutschen selbst den „ursprünglichen Bildungsbegriff meist bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hatten", wurde dieser Begriff für viele Juden zum „Synonym ihres Judentums". Doch bei all dieser Assimilation blieb dennoch ein bitterer Nachgeschmack, denn diese Ideologie wurde weder von den Juden noch von den Deutschen vollständig vertreten. Abgesehen von formellen Anlässen, blieben die assimilierten Juden unter sich. Dementsprechend wurde Salomons Leben von Grund auf geprägt, durch seine Herkunft, seinen jüdisch klingenden Namen320 und sein jüdisches Aussehen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
1 Einleitung8
2 Der Begriff der Lebensform17
2.1 Mögliche Quellen im zeitgenössischen Kontext17
2.2 Die methodische Hauptquelle: Georg Simmel18
2.3 Die Struktur der Lebensformen34
2.4 Die Realisation der Lebensformen47
3 Die humanistische Lebensform63
3.1 Abgrenzungen66
3.2 Die Verklärung der Realität79
4 Salomon als Humanist95
4.1 Heidelberg – Kontemplation96
4.2 Berlin – Utopie104
4.3 New York – Humanismus112
5 Fazit139
6 Namensregister142

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