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E-Book

Nahrung für Körper und Seele

Magersucht überwinden Ein Praxisbuch für Selbsthilfe & Therapie.

AutorFabienne Berg
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783955716431
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Magersucht: Was Körper, Geist und Seele brauchen Immer mehr Menschen erkranken heute an Magersucht. Die gesundheitlichen Folgen sind für die Betroffenen oft verheerend, denn kann man aus tiefer liegenden Gründen nicht mehr essen, leidet der gesamte Mensch. Der Körper leidet Hunger und wird krank. Die Seele leidet qualvoll, bis sie zu schweigen beginnt, denn ihr werden Aufmerksamkeit, Zuwendung und Wertschätzung verwehrt. Der Geist wird unerbittlich und hart, weil er in destruktiven Gedankenmustern festgehalten wird, und auch das soziale Wesen trauert, da von Magersucht Betroffene sich aus Furcht vor Nähe in sich selbst zurückziehen. Um von Magersucht heilen zu können, ist es notwendig, sich mit dem zu nähren, was Körper und Seele brauchen: Ausreichend zu essen und zu trinken für den Körper und für die Seele all das, was es braucht, um sich als glücklicher und zufriedener Mensch zu empfinden. Mithilfe gezielter Übungen, Reflexionen, Geschichten und Beispiele können Betroffene in diesem Buch lernen, sich selbst und ihre Krankheit besser zu verstehen, ihrem Körper und ihrer Seele die für eine Genesung notwendige Nahrung zu schenken und langfristig zu einem gesünderen Selbstverständnis zu kommen.

Fabienne Berg hat Sprach- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt außeruniversitäre Erwachsenenbildung studiert. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Traumabewältigung befasst sie sich vor allem mit den Auswirkungen seelischer Verletzungen sowie mit den Zusammenhängen von Heilung und Selbstfindung. Besonders liegt ihr am Herzen, andere Menschen für ihre individuellen Entwicklungsmöglichkeiten zu sensibilisieren und sie auf ihrem Heilungsweg zu unterstützen und zu stärken.

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Leseprobe

1. Magersucht – das Krankheitsbild


Magersucht ist eine sehr komplexe psychosomatische Erkrankung.

Um dieses vielschichtige Krankheitsbild fassbarer zu machen, möchte ich zunächst versuchen, ein sprachliches Bild der Magersucht zu zeichnen und erst im Anschluss daran die Symptomatik, mögliche Ursachen und Heilungsmethoden beschreiben. Bei diesem sprachlichen Bild geht es nicht um Vollständigkeit oder Wissenschaftlichkeit; vielmehr soll es dazu dienen, die Krankheit in ihrer Komplexität besser nachfühlen und verstehen zu können.

1.1 Das Bild der Magersucht


Stellen Sie sich vor, dass an einer weißen Wand ein großes Bild angebracht ist. Unter dem Rahmen gibt es ein kleines Schild, auf dem der Titel des Bildes steht. Er lautet „Das einsame Mädchen“.

In der Mitte des Bildes sitzt eine junge Frau auf dem Boden. Sie hat ihre Knie bis zu den Schultern angezogen und die Arme um ihre Beine geschlungen. Ihr Kopf berührt mit der Stirn die Knie, sodass man das Gesicht nicht erkennen kann. Als einziges Kleidungsstück trägt die Frau ein dunkles, weites Hemd, das ihr bis zu den Unterschenkeln reicht.

Ihre Unterarme, Hände und Füße sind sehr zartgliedrig. Die ganze Gestalt wirkt zerbrechlich, obwohl sie sich unter dem Hemd versteckt. Das Haar der jungen Frau wirkt stumpf und leblos, so als hätte es keine wirkliche Farbe.

Wenn man Hände und Unterarme genauer betrachtet, stellt man fest, dass die Haut der Frau schlecht durchblutet ist und dass die ganze Gestalt friert, obgleich im oberen Bereich des Bildes die Sonne scheint.

Doch von der Sonne ist die Frau wie abgeschnitten. Um ihre Person herum gibt es einen grauen Schleier, der sie wie eine Glasglocke von der Außenwelt isoliert.

Unter dem grauen Dunst bewegen sich kreisförmig spitze schwarze Pfeile. Das sind die Gedanken der Frau, die stets um dasselbe Thema kreisen und sie nicht loslassen.

Außerhalb des grauen Schleiers ist das Bild hell. Die Sonne scheint aus dem oberen Drittel herunter. Einige Schäfchenwolken betupfen den blauen Himmel, unter dem das Leben stattfindet. Menschen lachen miteinander. Essen zusammen. Umarmen sich. Streiten sich. Freuen sich. Arbeiten, tanzen und faulenzen.

Doch die junge Frau unter dem Schleier kann die anderen Menschen nicht vollständig wahrnehmen. Das Zischen der schwarzen Pfeile um sie herum ist so dominant, dass sie kaum registriert, was sie verpasst. Früher hatte sie sehr wohl den Wunsch in sich verspürt, ebenso zu lachen, sich zu freuen und zu lieben. Doch jetzt ist er in weite Ferne gerückt, ist kaum noch spürbar. Die schwarzen Gedankenspeere vertreiben erfolgreich jeden Eindringling.

Auf der linken Seite des Bildes sind zwei Hände zu sehen, die sich der Frau helfend entgegenstrecken. Aber sie reagiert nicht darauf. Ihre eigenen Arme und Hände braucht sie, um sich zu wärmen und abzugrenzen.

Rechts im Bild steht ein Tablett, liebevoll zubereitet mit köstlichsten Speisen: duftendes Brot, leckerer Käse, Fisch und Fleisch, Kuchen und Eis. Auch hierauf reagiert sie nicht.

Die Gedankenspeere flüstern ihr ein, stark zu bleiben, sich nicht einzulassen auf gefährliche Versuchungen. Sich nicht auf eine Stufe zu stellen mit all den armen Schwachen um sie herum. Stärke bedeutet Widerstehen. Stärke bedeutet Disziplin. Nichts ist so wichtig, wie die Kontrolle zu behalten, Oberhand zu bewahren über den Körper mit seinen jämmerlichen Bedürfnissen. Kontrolle ist alles. Gefühle sind etwas Bedrohliches. Sie bringen selten etwas Gutes. Am besten man hungert alles weg: die Empfindungen und Bedürfnisse, jede körperliche Unförmigkeit sowieso und vor allem das Gefühl der Schwäche. Dann kann nichts passieren. Dann geht man auf Nummer sicher. Fängt man einmal mit dem Schwachwerden an, läuft alles aus dem Ruder. Also Haltung bewahren und nichts essen, spüren und fühlen!

Im Gesicht der jungen Frau sind plötzlich Tränen. Sie kullern die Wangen herunter und ihr dunkles Hemd wird ganz nass. Sie hebt den Kopf und sieht den Betrachter des Bildes an. Es ist, als weine ein kleines Kind. Ein verletztes kleines Mädchen, das die ganze Zeit darauf gewartet hat, dass jemand vor dem Bild stehen bleibt und es versteht.

Den Bann der Krankheit zu brechen ist unsagbar schwer.

Doch tief im Innern gibt es in uns allen die Verbindung zum Leben.

Das Leben ist machtvoller, heller und größer als der dunkelste Bann.

Es ist möglich zu heilen und wieder ins Leben zurückzukehren.

Daran zu glauben und zu versuchen dem Leben wieder zu vertrauen, kann der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung sein.

1.2 Merkmale der Krankheit


Die Merkmale einer Magersucht sind ausgesprochen vielschichtig und äußern sich nicht ausschließlich körperlich, sondern umfassen auch das Denken und Fühlen sowie das Verhalten der Betroffenen. Ein gewisses Untergewicht zu haben heißt noch nicht zwingend, dass eine Person wirklich magersüchtig ist. Um von Magersucht sprechen zu können, müssen mehrere der im Folgenden genannten typischen Merkmale gleichzeitig erfüllt sein.

Körperliche Merkmale

  • Starkes Untergewicht; der Body-Mass-Index (BMI) liegt bei Frauen unter 17,5 und bei Männern unter 18,5.
  • Schlechte Durchblutung führt zu kalten Händen und Füßen und zu einer verstärk­ten Kälteempfindlichkeit insgesamt. Die Betroffenen frieren leicht.
  • Langsamer Puls und erniedrigter Blutdruck; zuweilen kommt es zu Ohnmachtsanfällen.
  • Schlafstörungen (vor allem Durchschlafschwierigkeiten)
  • Bei Frauen: Aussetzen der Regelblutung
  • Trockene Haut und trockene Kopfhaare, bis hin zu verstärktem Haarverlust
  • Gefühl der Reizüberflutung, verstärkte Geräusch- und Lichtempfindlichkeit
  • Nachlassen des sexuellen Interesses

Der BMI errechnet sich wie folgt:

Gewicht in kg, geteilt durch Körpergröße in m².

Ein Beispiel: Eine Frau wiegt 55 kg bei einer Körpergröße von 1,65 m.
Man rechnet 55 : 1,65² = BMI von 20,2.

Merkmale in Bezug auf die Gedanken- und Gefühlswelt

  • Angst vor Gewichtszunahme und vor Kontrollverlust über die Nahrungsaufnahme
  • Gewichtsabnahme vermittelt ein Gefühl der Stärke und des Sieges; verstärkte Verknüpfung von Selbstwertgefühl mit dem eigenen Körpergewicht.
  • Körperschemastörung: Betroffene haben eine gestörte Wahrnehmung ihres Körpers; empfinden sich als zu dick, selbst wenn sie vollkommen abgemagert sind; schätzen ihren Körperumfang falsch ein.
  • Stimmungsschwankungen, Gereiztheit und / oder depressive Verstimmungen
  • Zwanghafte Fixierung auf das Essen und auf das Gewicht; ständiges Kalorienzählen, Vermeiden von fetthaltigen Nahrungsmitteln, Lesen von Diätratgebern u.Ä., permanente gedankliche Beschäftigung mit den Themen Essen und Gewicht
  • Schuldgefühle z.B. nach Heißhungerattacken

Merkmale in Bezug auf das Verhalten und auf das Verhältnis zur Umwelt

  • Zwanghafte Ritualisierung der Nahrungsaufnahme. Beispielsweise wird nur zu bestimmten Uhrzeiten bzw. Tageszeiten gegessen oder nur bestimmte Lebensmittel, nur bestimmte Lebensmittelkombinationen usw.
  • Permanente Gewichtskontrolle (tägliches Wiegen)
  • Sozialer Rückzug; soziale Kontakte beschränken sich auf das Notwendigste
  • Vermeiden von Situationen, in denen man essen „muss“, wie z.B. Einladungen, Restaurantbesuche usw.
  • Vermeiden gemeinsamer Nahrungsaufnahme. Betroffene können nicht gut im Beisein anderer Menschen essen.
  • Soweit das noch möglich ist: Ständige Betriebsamkeit, indem man z.B. über Sport bzw. körperliche Aktivitäten (z.B. sinnloses Treppensteigen) versucht, an Gewicht zu verlieren.
  • Paralleles Auftreten anderer Zwangshandlungen, z.B. übertriebener Ordnungssinn und andere Kontrollzwänge

1.3 Mögliche Ursachen von Magersucht


Magersucht ist, wie eingangs erwähnt, eine sehr komplexe Erkrankung, die sich sowohl auf körperlicher Ebene als auch im seelischen Bereich manifestiert und auswirkt. Ebenso vielfältig wie das Krankheitsbild sind auch die Theorien, die über die Ursachen aufgestellt und diskutiert wurden und werden. Manche Theorien gehen von medizinischen Ursachen aus, wie z.B. von einer genetischen Prädisposition oder biochemischen Fehlsteuerungsprozessen im Gehirn. Andere hingegen halten eher soziokulturelle Faktoren als ausschlaggebend, wie z.B. das Streben nach den gängigen gesellschaftlichen Schönheitsidealen, den Erziehungsstil der Eltern oder traumatische Erfahrungen, wie beispielsweise sexuellen Missbrauch. Die eine und eindeutige Ursache für das Ausbilden einer Magersucht gibt es aber anscheinend nicht. Wahrscheinlicher ist bei einer so komplexen psychosomatischen Erkrankung ein jeweils sehr individuelles und vielschichtiges Bündel von Ursachen. Nicht jedes sexuell missbrauchte Mädchen wird zwangsläufig magersüchtig. Nicht jede Frau, deren Mutter oder Schwester an Essstörungen leidet, bildet ebenfalls eine Essstörung aus.

Ich bin während meiner Recherche über die Erkrankung auf eine sehr interessante Definition gestoßen. Das folgende Zitat stammt aus einer Informationsbroschüre der Parkland-Klinik in Bad Wildungen-Reinhardshausen. Diese Klinik ist eine Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie und hat u.a. eine Fachabteilung für Ess­störungen.

„Nach unserem Verständnis ist eine Essstörung Ausdruck und Lösungsversuch seelischer Konflikte, die aus früheren Erfahrungen...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt6
Vorwort12
Teil I: Einführung18
1. Magersucht – das Krankheitsbild20
1.1 Das Bild der Magersucht20
1.2 Merkmale der Krankheit22
1.3 Mögliche Ursachen von Magersucht24
1.4 Gesundheitliche und soziale Folgen26
1.5 Heilung von Magersucht29
2. Das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele32
Teil II: Nahrung für die Seele34
3. „Die Entscheidung liegt bei mir“ – Autonomie40
3.1 Die Geschichte von der Nuss-Nougat-Creme40
3.2 Autonomie42
3.3 Magersucht und Autonomie44
3.4 Praktische Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Autonomie46
4. „Du bist wunderbar, so wie du bist“ – Perfektionismus48
4.1 Nina48
4.2 Perfektionismus53
4.3 Magersucht und Perfektionismus54
4.4 Praktische Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Perfektionismus55
5. „The time of my life“ – Selbstwert56
5.1 Linda56
5.2 Selbstwert und Selbstliebe59
5.3 Magersucht und Selbstwertschätzung61
5.4 Praktische Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstliebe62
6. „Das Geschäft meines Lebens“ – Kontrolle64
6.1 Meine Geschichte65
6.2 Kontrolle und Vertrauen67
6.3 Magersucht und Kontrollverhalten69
6.4 Praktische Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Vertrauen70
7. „Einen Schritt vor und zwei zurück: Mit dir zu sein – meine große Angst und mein größtes Glück“ – Nähe und Konfliktverhalten72
7.1 Julias Geschichte72
7.2 Nähe und Konfliktverhalten74
7.3 Magersucht und Nähe75
7.4 Praktische Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit dem Thema Nähe76
Teil III: Nahrung für den Körper78
8. „Vom Haben zum Sein“ – Aussöhnung und liebevoller Umgang mit dem eigenen Körper82
8.1 Warum ist dieser Schritt notwendig?82
8.2 Was erfordert dieser Schritt?83
8.3 Was bewirkt dieser Schritt?85
9. „Sexuell zu sein heißt, frei zu sein“ – Sexualität und Geschlechterrollen86
10. Strategien, um wieder mehr und gesünder zu essen90
Teil IV: Magersucht überwinden: Ein Zehn-Schritte-Programm92
11. Ein Motivationsbild entwerfen96
12. Schritt 1: Suchen Sie sich Hilfe98
13. Schritt 2: Machen Sie Ihre Heilung zur absoluten Priorität in Ihrem Leben100
14. Schritt 3: Suchen Sie sich Menschen, denen Sie Ihre Probleme mitteilen können und die Sie verstehen102
15. Schritt 4: Entwickeln Sie Ihren Sinn für Spiritualität104
16. Schritt 5: Hören Sie damit auf, Ihre Nahrungsaufnahme weiter zu beschränken und zu kontrollieren106
17. Schritt 6: Lernen Sie, sich eine gesunde Nahrungsmenge zusammenzustellen und diese kontinuierlich zu sich zu nehmen108
18. Schritt 7: Stellen Sie sich mutig Ihren Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten110
19. Schritt 8: Fördern Sie Ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten112
20. Schritt 9: Lernen Sie einen gesunden Egoismus114
21. Schritt 10: Lassen Sie andere Menschen an Ihren Erfahrungen und Lernprozessen teilhaben116
Teil V: Entspannungsübungen118
Übung 1: Baum der Ruhe121
Übung 2: Die Seele umarmen123
Übung 3: Papierflieger125
Übung 4: Veranda127
Übung 5: Fluss des Lebens129
Hilfreiche Adressen132
Literatur134
Dank135
Über die Autorin136

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