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E-Book

Achtsam wirtschaften

Wegweiser für eine neue Art zu arbeiten, zu kaufen und zu leben

AutorKai Romhardt
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783451812118
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Das Vertrauen in unser ökonomisches System zeigt immer mehr Risse. Denn in vielen Bereichen hat sich die Wirtschaft von unseren wahren Bedürfnissen entkoppelt. Kai Romhardt zeigt mit seinem Buch, wie wir von Wachstumsillusionen Abschied nehmen und zu einem rechten Maß finden können, wie wir uns aus unseren Ego-Fallen befreien und wieder ein gesundes Miteinander entwickeln. Denn: Wirtschaft ist ein System, das wir jeden Tag aufs neue selbst erschaffen. Romhardt zeigt Wege auf zu mehr Achtsamkeit im Hinblick auf Arbeit, Konsum und den Umgang mit Finanzen. Und er vermittelt, wie wir wahren materiellen Wohlstand schaffen können, ohne darüber unseren geistigen Wohlstand zu verspielen.

Dr. Kai Romhardt, geboren 1967 in Hamburg, ist Initiator des Netzwerks Achtsame Wirtschaft, Unternehmensberater und Meditationslehrer. Nach dem Abitur als Jahrgangsbester, Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes, exzellentem Studium der Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen und preisgekrönter Promotion in Genf, war Romhardt auch beruflich schnell erfolgreich, unter anderem mit einem Management-Bestseller. Eine tiefe Sinnkrise führte ihn in ein buddhistisches Kloster. Und ließ ihn zum Schüler von Thich Nhat Hanh werden. Heute ist er Mitglied des Ordens Intersein und Dharmacharya in der Plum Village Dhyana Tradition. In seinen Seminaren und Vorträgen vermittelt er buddhistische Übungspraxis für unser alltägliches Leben und ökonomisches Handeln. Romhardt ist Autor zahlreicher Bücher und lebt zusammen mit seiner Familie in Berlin.

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Leseprobe

Vorwort


Als das Buch neu auf den Markt kam, schien das Thema „Achtsamkeit in der Wirtschaft“ eines für Exoten zu sein. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei, wie schön.

Dieses Buch hat vielen Akteuren – sei es in der Wirtschaft oder in spirituellen Kreisen – verdeutlicht, wie die buddhistische Lehre und Praxis konkret dabei helfen kann, eine menschlichere Wirtschaft zu schaffen. Und dass es dabei nicht allein um „die da oben“, sondern um jeden Einzelnen von uns geht. Jeder von uns schafft unsere Wirtschaft – sei es als Konsument, Sparer, Investor oder Arbeitender – jeden Tag aufs Neue. Es geht darum, bei uns selbst zu beginnen und in konzentrischen Kreisen weiter zu wirken. Alles beginnt mit unserer persönlichen Art zu arbeiten, zu konsumieren oder mit Geld umzugehen.

Ob in der Wirtschaft oder in buddhistischen Kreisen, immer mehr Menschen wird klar, dass wir nicht mit den alten ökonomischen Ideen und Werten weitermachen können. Und immer mehr Menschen hinterfragen unsere wirtschaftlichen Glaubenssätze. Mit Hilfe der buddhistischen Lehre – des Dharma – gelangen sie so zu einem neuen wirtschaftlichen Verständnis, das dem Leben dient.

Die Verabschiedung von Glaubenssätzen ist langwierig, weckt Widerstände und beginnt beim Einzelnen. Das habe ich am eigenen Körper und Geist erfahren. Denn ich war ein privilegierter Teil des Wirtschaftssystems. Neun Jahre intensive Sozialisation im ökonomischen Denken prägten meine Art, die Welt und mich selbst zu betrachten. Sie haben Spuren in meinem Geist hinterlassen.

Mein wirtschaftlicher Werdegang umfasste eine kaufmännische Ausbildung im Axel-Springer-Verlag, ein BWL-Studium in Hamburg und St. Gallen und eine Promotion zum Wissensmanagement in Genf. Dazu gesellten sich Praktika bei McKinsey&Company und Roland Berger Consultants sowie intensive Zeiten in der Studentenorganisation AIESEC und bei den Hamburger Wirtschaftsjunioren.

Im Alter von 30 Jahren hatte ich einen Management-Bestseller geschrieben, einen ökonomischen Forschungspreis gewonnen, meine ersten Unternehmen beraten und stieg als Berater bei McKinsey&Company ein. Und ich hatte Werte wie Leistung, Wettbewerbsdenken, Wachstum und Erfolg tief verinnerlicht. Sie dienten mir als Kompass. Ich atmete sie.

Doch ich war nicht glücklich, noch nicht einmal zufrieden. Etwas lief falsch. Wo war die versprochene Belohnung für all meine Bemühungen? Statt zur Ruhe zu kommen, statt zufrieden zu werden, baute sich hinter jedem bestiegenen Berg ein neues Gebirge, neuer Druck auf. Die Zweifel am Sinn meines Weges wuchsen, machten mir Angst und schließlich kapitulierten mein Körper und Geist vor diesem Widerspruch.

In der anschließenden Sinnkrise hinterfragte ich alles, an das ich bisher geglaubt hatte. Was macht mich wirklich glücklich, was macht mich zufrieden, was kann ich tun, um ein sinnvolles Leben zu führen? Was ist meine tiefste Motivation? Mit welchen Augen schaue ich auf die Welt?

Diese Fragen stellte ich mir vor 18 Jahren, sie gaben meinem Leben und meiner Arbeit eine neue Richtung. Nach intensivem Suchen und Studieren fand ich die besten Antworten in der buddhistischen Lehre, Meditation und Übungspraxis. Insgesamt zwei Jahre verbrachte ich in buddhistischen Übungszentren. Meine Sicht auf mich selbst und mein Denken über das, was wir Wirtschaft nennen, änderte sich umfassend. Ich begann, die wahren Quellen von Glück und Zufriedenheit zu sehen, und befreite mich schrittweise von Konkurrenz-denken, innerer Unruhe und anderen inneren Quälgeistern. Mir wurde klar, dass wir bei unserem eigenen Geist ansetzen können und müssen, wenn wir uns selbst und unsere Wirtschaft verändern wollen. Wenn wir eine achtsamere und sinnvollere Wirtschaft wollen, dann gilt es, uns selbst zu verändern. Ohne die Zähmung und Weiterentwicklung unseres Geistes werden uns Konsum, Geld und Arbeit nicht glücklich machen können. Im Gegenteil, sie können uns selbst und unsere Gesellschaft zerstören.

Das, was ich in diesem Buch vorstellen möchte, sind die Koordinaten einer „Achtsamen Wirtschaft“. Einer Wirtschaft, die dem Leben dient. Einer Wirtschaft, deren Akteure sich um Klarheit und tiefe Bewusstheit für ihre Taten bemühen, die sich aus falschen ökonomischen Glücksversprechen befreit und sinnvolle Aktivitäten entwickelt haben.

Wirtschaft sollte neu gedacht werden und sich von scheinbaren ökonomischen Wahrheiten oder Normalitäten als auch von destruktivem Denken und Handeln lösen, denn vieles kann einem einfachen Glück im Wege stehen: Gnadenlose Selbstbewertung, Dauervergleich, latente Unzufriedenheit und falsche Koordinatensysteme und Glücksvorstellungen. In hunderten von Gesprächen und Austauschrunden habe ich von persönlicher Transformation gehört, die ihren Ausgangspunkt in der Meditations- und Achtsamkeitspraxis gefunden hatte.

Noch vor zehn Jahren schienen Buddhismus und Wirtschaft, Meditation und Produktion, Mitgefühl und wirtschaftlicher Erfolg zwei Welten zu sein – zwei unvereinbare Welten. Ich war mir sicher, dass dem nicht so ist. Das hatte ich persönlich und in meiner Arbeit im Netzwerk Achtsame Wirtschaft erfahren. Den Schatz des Dharma, die heilsame Transformationskraft der Achtsamkeitspraxis sichtbar und erlebbar zu machen und auf konkrete Felder des Wirtschaftens anzuwenden, das war die Hauptmotivation für das Verfassen dieses Buches.

Dass ein solcher Wandel möglich ist, davon war und bin ich zu tiefst überzeugt. Ich habe es im Kleinen und im Großen erlebt – persönlich und durch meine Freunde und Freundinnen im Netzwerk Achtsame Wirtschaft, in dem wir uns seit 2004 gemeinsam treffen und die verschiedensten Aspekte achtsamen Wirtschaftens vertiefen und mit ihnen experimentieren. Wir wollen die Grundpfeiler unseres Wirtschaftssystems furchtlos betrachten, verändern und durch heilsamere Denkweisen und Werte verändern. In einer Zeit von Unsicherheit, Krisen und Umbrüchen, sind die Rückkehr zum Wesentlichen und die Abkehr von Gier, Hass und Verblendung von größter Bedeutung.

Ich erlebe eine große Sehnsucht, sich von diesen Geistesgiften zu befreien. In meiner Arbeit mit Banken, Versicherungen oder Energieerzeugern, mit Sozialträgern, NGOs oder Behörden, Unternehmensberatungen oder mittelständische Betriebe – überall stoße ich auf Menschen, die sich diese Befreiung für sich und ihre Organisationen wünschen. Ich stoße auf große Ängste und großen Mut. Hinter jeder Rolle, jedem Titel treffe ich auf Menschen, die sich für ihr Leben sehr Ähnliches wünschen: Mehr Verbundenheit, mehr Zufriedenheit, mehr Sinn und mehr Liebe. Und die darunter leiden, dass sie sich im Strom ihrer Arbeit und den Kontakt zu Wesentlichem verlieren. Es ist wunderbar zu erleben, wenn sich diese Verbundenheit aufs Neue einstellt. Wenn eine Gruppe nach Jahren zum ersten Male wieder einander zuhört oder den Mut findet, die wahren Probleme zu benennen und die lähmende Angst zu überwinden, die uns in so vielen Bereichen der Wirtschaft die Lebensenergie raubt.

In der Gesellschaft ist die Offenheit für das Thema Achtsamkeit über die Jahre in vielen Lebensbereichen deutlich gewachsen. Ja, heute beobachten wir gar einen wahren Hype um das Thema. Manager lassen sich meditierend für Wirtschaftsmagazine ablichten, die Anzahl wissenschaftlicher Studien zum Thema explodiert. Diverse Zeitschriften, Institute, Studien, Beratungsunternehmen tragen inzwischen das Wort Achtsamkeit im Namen. Was wird diese Bewegung verändern? Welche Ideen von Wirtschaft müssen neu gedacht, welche scheinbaren ökonomischen Wahrheiten oder Normalitäten abgelegt werden? Wie tief muss der Wandel gehen? Eins ist klar: Der Wandel fängt bei uns selbst an, indem wir erkennen, wie wir selbst unserem einfachen Glück im Wege stehen.

Aktuell wird viel über säkularen Buddhismus geschrieben, einen Buddhismus, der sich von seinen historischen Bezügen und Begrifflichkeiten und jeder Anmutung von Religiösität verabschiedet, um höhere Anschlussfähigkeit in unserer Gesellschaft zu erzielen. Die Verheißung, dass Achtsamkeit zu erhöhter Leistungsfähigkeit, Effektivität, Durchhaltevermögen und Stressresistenz führt, dominiert hauptsächlich in ökonomischen Zusammenhängen. Die klassische Motivation der Achtsamkeitsschulung, die Kultivierung von Sammlung, Einsicht und Weisheit sowie Mitgefühl spielt weiterhin nur eine untergeordnete Rolle. Durch diese zunehmende Bekanntheit und Verbreitung des Themas Achtsamkeit kommen zwar immer mehr Menschen mit der Praxis in Kontakt und erhalten heilsame Impulse für ihr Leben, gleichzeitig wird die Tiefe des Dharma dadurch immer weiter vereinfacht. Daher müssen wir auf der Hut sein, aus einem lebenslangen Praxisweg und einer ethisch gegründeten Lebenshaltung kein Tool zu machen, das den Turbokapitalismus auf eine noch höhere Stufe der Selbstausbeutung hebt, denn: In meiner Erfahrung tun wir uns selbst und anderen keinen Gefallen, wenn wir uns selbst überholen.

Dieses Buch entscheidet sich bewusst dafür, die buddhistischen Wurzeln seiner Inspiration zu benennen und verwendet seine zentralen Begrifflichkeiten. Ich liebe das Dharma und das dürfen auch alle wissen. Ich liebe die Tiefe und Unermesslichkeit seiner Lehren und bin mir bewusst, dass ich auch als Dharmalehrer in vielen Feldern der Praxis immer noch am Anfang stehe.

Wenn ich für ein Seminar, einen Vortrag, ein Coaching oder einen Workshop angefragt werde, frage ich heute meist: „Wie buddhistisch darf es denn sein?“ Das Problem mit manchen Angeboten zum Thema Achtsamkeit besteht darin, dass man meint, dass man Achtsamkeit trainieren und dabei Fragen der Ethik ausklammern könnte. Doch das ist nicht möglich, wir berühren zwangsläufig eine...

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