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E-Book

Lob der Macht

AutorRainer Hank
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783608109733
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Fulminant und scharfsinnig beschreibt Rainer Hank die Rolle der Macht. Mutig und moralfrei wird ein Menschheitsprinzip enttabuisiert, das zu unserer Welt gehört und ohne das wir im Leben nicht bestehen können. Ein aufregend-provokantes Plädoyer für die Unverzichtbarkeit der Macht! Wir verachten die Macht und müssen doch zugeben, dass wir in Wahrheit die Machtmenschen bewundern, ihrem Charisma und Charme erliegen. Rainer Hank nimmt eine überfällige Neuvermessung der Macht vor: nüchtern und in aufklärerischer Absicht analysiert er die Psychologie der Machtspiele und die Diskurse der Herrschenden, beschreibt die Erfahrungen von Macht und Ohnmacht in unserer Lebenswelt und zeigt auf, wie sehr diese miteinander verwoben sind. Herausragende Machtbiographien aus der Wirtschaft werden in ihrer Dramatik, ihren Höhen und Tiefen, eindringlich geschildert: Thomas Middelhoff, Martin Winterkorn, Ferdinand Piëch, Dieter Zetsche und etliche andere mehr. In seinem klug argumentierenden Buch kommt Rainer Hank dem Geheimnis unserer Faszination an der Macht und den Mächtigen auf die Spur. Und zeigt, warum es für uns besser ist, die Macht nicht zu verleugnen. Eine brillante Streitschrift für ein neues unverkrampftes Verhältnis zur Macht. »Rainer Hank - der Streitlustige. Einer der profiliertesten deutschen Wirtschaftsliberalen.« Martin Lüdke, Frankfurter Neue Presse

Rainer Hank, geboren 1953, ist Wirtschaftsjournalist. Er leitet seit 2001 die Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). 2009 erhielt er den Ludwig-Erhard-Preis, 2013 den Karl-Hermann-Flach-Preis und 2014 die Hayek-Medaille.

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Leseprobe

Einleitung:
Warum Macht? Warum jetzt?


Angesichts des grandiosen Erfolges der amerikanischen Fernsehserie »House of Cards« wird der Erfinder der Serie, der britische Lord Michael Dobbs, gefragt, ob die skrupellosen Abenteuer von Präsident Frank Underwood, dem Helden der Serie, der Beweis wären, dass die Menschen doch nicht so politikverdrossen seien wie oft behauptet. »Nichts da«, antwortet Lord Dobbs: »Politik ist dann interessant, wenn es nicht um Politik geht, nicht um Großbritannien, Amerika oder sonst ein Land, sondern um die großen Themen Macht, Neid, Sex.«

Hat Lord Dobbs Recht? Es sieht ganz danach aus. Oder glaubt im Ernst jemand, die Menschen fasziniere Donald Trumps Aufstieg in erster Linie, weil sie wissen wollten, wie Importzölle oder das amerikanische Gesundheitssystem unter seiner Regentschaft funktionieren? Auch bei Angela Merkel steht gewiss nicht die Neugier über ihr künftiges Rentenkonzept im Vordergrund, sondern das Mysterium ihrer Macht. Und bei VW-Patriarch Ferdinand Piëch käme niemand auf die Idee, sich über seine gewiss geniale Idee einer Plattformstrategie für unterschiedliche Fahrzeugmodelle informieren zu wollen.

Es geht um die Macht. Die Macht hat es nicht nötig, sich auf Vernunft zu berufen, sie muss einfach nur ihren Willen durchsetzen, das Risiko des Scheiterns stets im Blick. Sie ist da, ein Trieb, ein Wille, ein Drang. Das macht sie so verstörend in einer Welt, in der – durchaus aus honorigen Motiven – alles und jedes einem vernünftigen Begründungszwang unterliegt. Allen Irritationen zum Trotz ist es bislang nicht gelungen, die Macht kleinzukriegen. Wer sie leugnet – und das machen viele, nicht zuletzt die Mächtigen selbst –, muss erst recht mit der Wiederkehr des Verdrängten rechnen.

Macht fasziniert uns. Insofern ist es ein bisschen unaufrichtig, dem FDP-Chef Christian Lindner oder dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz vorzuwerfen, es gehe ihnen in Wirklichkeit »nur« um die Macht und, soll das wohl heißen, nicht um die Sache der Freiheit oder der Gerechtigkeit. Unaufrichtig ist es auch, Donald Trump wahlweise als Bösewicht oder Möchtegerndiktator in Grund und Boden zu verdammen oder lächerlich zu machen und zugleich gespannt darauf zu warten, was er jetzt wieder zusammen mit seinem Freund Putin aushecken wird und ob der Senat ihm seinen übernächsten Schachzug durchgehen lässt. Bei den meisten früheren US-Präsidenten, auch bei Erlöser Barack Obama, war unser Interesse nach Wahlsieg und Inauguration ziemlich schnell erlahmt. Das ist vielleicht nicht gerecht. Aber so ist die Welt.

Es geht um uns. Wir verachten die Macht und müssen doch zugeben, dass wir in Wahrheit die Machtmenschen bewundern, ihrem Charme und ihrem Charisma erliegen und ganz im Geheimen vielleicht selbst gerne einer wären. Diese Bewunderung hält auch dann an, wenn die Mächtigen böse oder zumindest nicht eindeutig gut sind: Unser moralisches Urteil macht ihnen das zwar zum Vorwurf, unser Vergnügen an Helden lässt es ihnen indessen – zumindest zeitweise – durchgehen. Moralisiert wird erst wieder, wenn der Bösewicht am Boden liegt. Haben wir doch gleich gewusst, dass das nicht gutgehen kann, sagen wir und vergnügen uns an Don Juans Höllenfahrt, dem dramatischen Ende jenes schuftigen Weiberhelden, bei dem die Trias von Macht, Neid und Sex eine besonders süffige, unseren Voyeurismus befriedigende Verbindung eingeht. Wissen ist Macht, sagt Dobbs: Deshalb sei es für einen Politiker im Getriebe der Macht immer gut zu wissen, wer gerade mit wem ins Bett geht.

»Politik wirkt wie eine Droge«, sagt ebenfalls Lord Dobbs, der Mann, der einer der engsten Berater der britischen Premierministerin Margaret Thatcher war. Sie feuerte ihn in einem fürchterlichen Wutanfall, als ihr schon dämmerte, was sie nicht wahrhaben wollte, dass ihre Macht im Schwinden war und nun ein Schuldiger benötigt wurde. Von der Droge Macht ist der Weg zum Sex nicht sehr weit, belehrt uns die heutige Hirnforschung: Neuronale Belohnungssysteme werden allemal aktiviert und bescheren uns ein Glücksgefühl (beim Neid, dem Leiden der Zukurzgekommenen, ist es ein bisschen komplizierter). Geld, am besten viel davon und immer mehr Geld, muss man laut Ausweis der Hirnforscher den beiden Drogen Macht und Sex noch an die Seite stellen, weshalb dieses Buch seine Beispiele nicht nur aus der Politik, sondern auch aus der Wirtschaft holt und auch über Aufstieg und Fall mächtiger Manager schreibt, die bekanntlich ganz besonders an ihren Millionen hängen.

Weshalb also jetzt ein Buch über die Macht? Einfach, weil das Thema in seiner oszillierenden Ambivalenz fasziniert, wäre die spontane Antwort. Dass man nicht der Erste sei, der darüber schreibt, stimmt. Aber ist das ein Einwand? Dass es in der Weltliteratur spätestens seit dem Hohelied ein paar gute Bücher über die Liebe gibt, hat Marguerite Duras auch nicht davon abgehalten, ihre Erzählung »Der Liebhaber« zu schreiben.

Zeitlos inaktuell ist die Sache dennoch nicht. Nach dem Zeitalter der Kollektive, in dem die Macht der Masse das Weltgeschehen bewegte (freilich auch damals mit heroischen Führern an der Spitze), sehen wir jetzt wieder empor zu den exemplarischen Einzelnen. Zudem haben in letzter Zeit ein paar Mächtige neuen Typs die Weltbühne betreten, die uns irgendwie anders vorkommen als ihre Vorgänger. Das hängt weniger mit der Landkarte von links, rechts oder dem vielbeschworenen Rechtspopulismus zusammen als abermals mit den Anmutungen der Macht: Wir beobachten – von Trump über Putin bis Orbán und Erdoğan – einen Zug zur Monopolisierung oder Zentralisierung der Macht in den Händen Einzelner. Sie verschieben eindeutig die eingespielten Systeme einer »Balance of Power« und verändern Gesellschaften wie auch deren Diskurse. Das macht die zentralen Akteure wichtiger und Überlegungen interessanter, ob und wann wir es mit Fällen von Machtmissbrauch zu tun haben, was es mit politischen Monopolstrukturen auf sich hat und ob sie – wie stets bei Monopolen – Schaden anrichten. Macht ist nicht schlimm, solange sie bestreitbar ist, ökonomisch gesprochen: solange der Markt der Macht offen ist. Bewunderung für und Verführung vom Charisma der Mächtigen fühlt sich nur dann wohl, wenn es Wettbewerb gibt, der die Chance der Entmachtung jederzeit möglich macht und vor niemandem besonderen Respekt hat. Und auch daran haben wir dann wieder unser großes Vergnügen.

Ist es Zufall, dass vergleichbare Verschiebungen in Richtung einer Monopolisierung der Macht auch im Raum des Ökonomischen zu beobachten sind? Kalifornien, das gelobte Land aller Garagen-Entrepreneure, ist längst nicht mehr das Startup-Paradies, als das es sich selbst bis heute immer noch allzu gerne sieht. In Wirklichkeit beherrscht eine kleine Gruppe gigantomaner Unternehmen – Google, Apple, Facebook, Amazon – die neue Internetwirtschaft mit mehr oder weniger charismatischen Führern an der Spitze und träumt davon, die Macht nie wieder aus der Hand zu geben. »Competition is for Losers«, sagt Peter Thiel – einer der ersten Kapitalgeber für Facebook und ausgewiesener Freund Donald Trumps –, der sich selbst als Schöpfer dauerhafter Werte sieht: »If you want to create and capture lasting value, look to build a monopoly.« So reden machttrunkene Junkies, die dem Größenwahn verfallen sind: Sie halten sich für einzigartig und unbesiegbar. Ein paar wenige Kapitalsammelstellen verwalten die gigantische Summe von elf Billionen Dollar, mit denen sie in allen großen Konzernen der Welt investiert sind. Droht hier Gefahr, womöglich größere...

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