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Balintgruppe
Form der → Supervision, die ursprünglich der Psychoanalytiker Michael Balint eingeführt hat. Sie dient dazu, die emotionale Beziehung zwischen Arzt (oder einem anderen Helferberuf) und Patient/Klient in einer Gruppe genau zu untersuchen, um unerwünschte Wirkungen von persönlichen Differenzen zu vermeiden. Eine typische Balintgruppe trifft sich regelmäßig für eine vereinbarte Zeit, ein Mitglied stellt einen Fall vor, während die anderen ihre Einfälle beisteuern und ein psychoanalytischer Leiter den Gruppenprozess deutet. → Helfersyndrom, Burnout
Bedingter Reflex
Ein Hund sondert Magensaft ab, wenn er Futter sieht oder riecht (→ Reflex). Der russische Physiologe I.P. Pawlow operierte Hunde und setzte ihnen einen Schlauch ein, mit dessen Hilfe er die Magensaftmenge messen konnte. Dann ließ er immer, wenn er ihnen Futter gab, ein Glockensignal ertönen. Nach einigen Darbietungen des unbedingten Reizes (Futter) zusammen mit dem bedingten Reiz (Signal) sonderten die Hunde auch dann Magensaft (in etwas geringerer Menge) ab, wenn man den Glockenton allein, ohne Futter, darbot. Ein bedingter Reflex war entstanden. Dieses berühmte Experiment von Pawlow hat weite Bereiche der psychologischen Forschung in Amerika (→ Behaviorismus) und der Sowjetunion angeregt; der Prozess des Erwerbs und des Auslöschens bedingter Reflexe und Reaktionen (→ Konditionierung) wurde herangezogen, um die verschiedenartigsten Vorgänge zu erklären. Es zeigte sich, dass die Signale «generalisiert» (verallgemeinert) werden: Der Hund sondert auch dann Speichel ab, wenn eine Pfeife ertönt oder eine andere Glocke klingt; die Speichelmenge verringert sich, wenn die Ähnlichkeit zwischen dem ursprünglichen und dem geprüften Reiz abnimmt. Eine solche Generalisierung (= Verallgemeinerung) lässt sich auch dann beobachten, wenn zum Beispiel ein Kind zunächst vor einem bestimmten Tier Angst hat (etwa vor einer Wespe, weil es einmal gestochen wurde) und diese Angst dann auf alle kleinen, fliegenden Tiere ausdehnt. Hier dürfte freilich die Reflexlehre schon nicht mehr ausreichen, um diese Angstreaktion zu erklären. Wenn das Kind die Angst nicht «braucht», um irgendetwas Unbewusstes auszudrücken, wird es kaum an ihr festhalten. Mit Hilfe der Prüfung bedingter Reaktionen kann man auch feststellen, welche Möglichkeiten des Unterscheidens von Signalen bei Tieren bestehen (indem man das ursprüngliche Signal variiert und beobachtet, ob eine Reaktion eintritt und wie stark sie ist). Durch widersprüchliche Signale kann man neuroseähnliche (→ Neurose) Störungen bei Tieren hervorrufen: Ein Hund erhält auf das Bild eines Kreises hin Futter, auf das eines Ovals einen elektrischen Schlag. Zeigt man ihm nun stufenweise Bilder, bei denen der Unterschied zwischen Kreis und Oval kaum mehr wahrnehmbar ist, dann reagiert er mit deutlich gestörtem Verhalten, beispielsweise Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Wenn bedingter und unbedingter Reiz längere Zeit nicht mehr zusammen geboten werden, wird der bedingte Reflex allmählich schwächer und verschwindet endlich ganz; er tritt allerdings nach einer erneuten → Bekräftigung rascher und stärker wieder auf als bei einem naiven Tier. → Intermittierende Verstärkung
Entstehung eines bedingten Reflexes nach dem Experiment von Pawlow.
Quelle: Klaus D. Heil «Programmierte Einführung in die Psychologie», Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg
Bedürfnis
Einer von mehreren Ausdrücken für jene spontan entstehenden oder durch äußere Reize angeregten, subjektiv als → Trieb oder Beweggrund (→ Motiv) erlebten Kräfte, die dem Erreichen eines Zieles dienen, das vom Handelnden als lustvoll oder nützlich empfunden wird. Man unterscheidet zwischen primären, biologisch vorgegebenen Bedürfnissen (Hunger, Durst, Atmung, Ausscheidung, geeignete Wärme und Luftfeuchtigkeit, Anerkennung durch eine soziale Gruppe) und sekundären Bedürfnissen, welche meist die von Kultur und Gesellschaft vorgegebenen Befriedigungsformen der primären Bedürfnisse umfassen. Gelderwerb ist ein typisches sekundäres Bedürfnis; mit Hilfe des Geldes können dann primäre Bedürfnisse befriedigt werden. Beim Menschen nehmen im Alltagsleben meist die sekundären Bedürfnisse einen größeren Raum ein, doch setzt das voraus, dass die primären Bedürfnisse zuverlässig befriedigt werden, da sie sonst dominierende Macht gewinnen («Erst kommt das Fressen, dann die Moral»). Wenn ganze Abläufe der Befriedigung eines primären Bedürfnisses bis in die Bewegungsformen hinein weitgehend starr und beständig vorgegeben sind, spricht man von → Instinkt.
Die Stärke eines Bedürfnisses kann experimentell gemessen werden. Man kann zum Beispiel die Zeitspanne feststellen, über die hinweg eine Ratte Hunger und Durst in Kauf nimmt, ehe sie über eine elektrisch geladene Platte läuft. Solche Experimente haben gezeigt, dass (bei Ratten) das stärkste Bedürfnis überhaupt das einer Mutter ist, sich um ein schreiendes Kind zu kümmern; dann folgen Durst und Hunger. Um einen Sexualpartner zu erreichen, liefen manche Ratten überhaupt nicht über die elektrisch geladene Schranke.
Begabung
Die Gesamtheit der Fähigkeiten zum Vollzug kulturell geforderter Leistungen auf den verschiedensten Gebieten (zum Beispiel schulisches Lernen, Musik, Sport). Begabung ist umfassender als → Intelligenz, doch werden beide Begriffe manchmal fast gleichbedeutend verwendet, da Intelligenz bei weitem die wichtigste Begabungsform in einer technischen Zivilisation darstellt. Die frühere Auffassung von Begabung als einer festen Größe ist heute umstritten. Genauere Forschung hat gezeigt, dass schon in recht frühen Jahren die Lernfähigkeit erweitert oder eingeengt werden kann. Begabung ist also nichts Vorgegebenes, das durch geeignete Auslesemaßnahmen ermittelt werden kann, sondern ein prozesshaftes Geschehen, bei dem die Erbanlagen eine Veränderungsbreite abstecken. Sie kann gefördert werden, wobei man davon ausgehen darf, dass der Unterschied zwischen einer unterdurchschnittlichen und einer weit überdurchschnittlichen Begabung teils auf Erbeinflüssen, teils auf Umwelteinflüssen beruht, während bei dem Unterschied zwischen einer unterdurchschnittlichen und einer durchschnittlichen Begabung diese Kombination, aber auch eine einfache Folge ungünstiger Umwelteinflüsse im Fall der geringeren Begabung vorliegen kann. Das zeigt vor allem die Forschung an eineiigen, also erbgleichen Zwillingen (→ Zwillingsforschung).
Behandlung
(psychologische) Heute ungebräuchlicher Begriff, gleichbedeutend mit → Psychotherapie oder → Verhaltenstherapie.
Behaviorismus
Von J.B. Watson 1913 begründete Schule der Psychologie, die vor allem in den Vereinigten Staaten großen Einfluss gewann. Sie fordert, die Introspektion (Beschreibung und Analyse nur innerseelisch beobachtbarer Vorgänge) als unwissenschaftlich aufzugeben und sich ausschließlich mit der Messung des Verhaltens (vor allem im Tierexperiment) zu befassen. Während der Beitrag des Behaviorismus zur wissenschaftlichen Psychologie hoch einzuschätzen ist, sind andere Gesichtspunkte des Behaviorismus inzwischen aufgegeben worden. Innerseelische Vorgänge lassen sich durch Aufzeichnen beispielsweise des sprachlichen Verhaltens und des → Ausdrucks auch mit genügender Objektivität festhalten. Watsons Forderungen nach einem extremen «Molekularismus» (nur → bedingte Reflexe werden als Bausteine des Verhaltens anerkannt) sind bereits im «molaren», zweckmäßiges Verhalten einbeziehenden Behaviorismus von E.C. Tolman verlassen worden. Die gegenwärtig erfolgreichste Schule des Behaviorismus ist die von B.F. Skinner, der eine einfache Theorie (Verhalten wird durch positive und negative Reize gesteuert und kann durch deren planmäßige Veränderung ebenfalls verändert werden) und eine sehr erfolgreiche Experimentiertechnik mit verblüffenden Dressurerfolgen an den verschiedensten Tierarten und zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten in → Erziehung und → Psychotherapie verknüpft hat. Wissenschaftliche Gegner des Behaviorismus sind neben anderen die → Gestaltpsychologie, die sich gegen den Molekularismus wendet, und die → Psychoanalyse, die eine Untersuchung des menschlichen Verhaltens ohne Rücksicht auf Träume, Phantasien und unbewusste Prozesse für unvollständig hält.
Prüfgerät für die Fähigkeit von Fischen, Farbunterschiede wahrzunehmen und zu erlernen (in einer der Tüten mit unterschiedlichen Farben ist Futter).
Quelle: David Katz «Psychologischer Atlas», Benno Schwabe Verlag, Basel 1945
Bekräftigung
Verhalten wird oft durch seine Folgen positiv oder negativ bekräftigt (verstärkt): Positive Bekräftigung führt zu steigender Häufigkeit, negative Bekräftigung zu abnehmender Häufigkeit des vorangehenden Verhaltens. Man unterscheidet primäre Bekräftiger (Essen, körperlicher Schmerz) von sekundären Bekräftigern (Geld, Gewissensbisse). Primäre Bekräftiger sind in unserer biologischen Ausrüstung enthalten (Nahrungsbedürfnis, Schmerzempfindung), während sekundäre Bekräftiger im Lauf des Lebens erworben werden (kulturelle Wertvorstellungen).
Belohnung
Nach dem Verhaltensmodell von Skinner (→ Behaviorismus) ist Belohnung oder positive → Bekräftigung ein Ereignis, das jenes Verhalten, welches mit ihm räumlich und zeitlich eng zusammenhängt, bestätigt und so in Zukunft eher auftreten lässt.
Beratung
Wichtiges Teilgebiet der → angewandten Psychologie. Psychologische Beratung wird meist nach dem Lebensbereich bezeichnet, den sie betrifft:...