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E-Book

Viereckige Bonsai-Katzen

Die weltgrößten modernen Mythen

AutorAlex Boese
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783644441514
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wahr oder falsch? Katzen, die in viereckige Flaschen gesteckt und so verstümmelt als exklusive Kultgegenstände verkauft werden. Eine Website, auf der man Eizellen von Supermodels ersteigern kann. Biologisch manipulierte Obstbäume, auf denen Fleisch wächst. «Murmelmaschinen» bei der BBC, die den Angestellten ein gutes Gefühl vermitteln. Friedhöfe als Themenparks. Diamanten aus der Asche Ihrer Angehörigen. Eine SMS an Jesus. Oder die Idee, dass Microsoft die katholische Kirche kaufen wollte. Hoax, Fake, Internet-Ente - oder doch wahr? Alex Boese sammelt seit Jahren die kuriosesten Geschichten und zeigt, wie man Fälschungen leicht entlarven kann.

Alex Boese hat Wissenschaftsgeschichte an der University of California studiert und in den USA bereits mehrer populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht. Er lebt in Nähe von San Diego.

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Leseprobe

2 Körper


Wissenschaft und Technik bringen uns der Verwirklichung eines uralten Traums immer näher: der Fähigkeit, den eigenen Körper zu verändern und nachzubessern. Doch viele dieser Eingriffe werden nicht aus medizinischer Notwendigkeit vorgenommen. Oft genug ist Eitelkeit die treibende Kraft. Statt also «schneller, stärker und besser» zu werden, wie der Sechs-Millionen-Dollar-Mann in der gleichnamigen Fernsehserie, werden wir lediglich abgefahrener, bizarrer und gefakter.

DAS SIND DIE FAKTEN 2.1
Supermodels sehen in Wirklichkeit ganz anders aus.

Stars und Models haben in aller Regel von der Natur ein gutes Aussehen mitbekommen – dennoch sehen sie nicht ganz so gut aus, wie sie uns auf den Titelseiten der Hochglanzmagazine entgegenlächeln, wo ihre Haut stets makellos ist, ihre Zähne strahlend weiß und ihr Haar ein Traum. Sie bekommen ziemlich viel Unterstützung.

Make-up und Beleuchtung zum Beispiel können für das Erscheinungsbild eines Menschen wahre Wunder wirken, aber solche Methoden sind eigentlich schon von gestern. Heutzutage ist es oft einfacher, das fertige Foto zu verändern anstelle des Menschen. Dank Bildbearbeitungssoftware können Graphiker heute Falten beseitigen, Hautunreinheiten verschwinden lassen, den Teint glätten, Fett wegschmelzen, Brüste vergrößern oder Bäuche schrumpfen lassen, alles mit einem Mausklick. «Digitale Schönheitschirurgie» ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass man selten ein Foto in einem Mode- oder Unterhaltungsmagazin findet, das nicht bearbeitet wurde.

Aber wann geht eine solche Nachbearbeitung zu weit? Wenige Menschen haben ein Problem mit der Entfernung von Pickeln oder Haaren, die sich verirrt haben. Ganz im Gegenteil, die meisten Stars erwarten, dass die Zeitschriften sich um solche Details kümmern, bevor Fotos von ihnen veröffentlicht werden. Hochgezogene Augenbrauen, im übertragenen Sinne, gibt es erst dann, wenn der Körper einer Person so massiv verändert wird, dass die Bilder dem realen Menschen nicht mehr gleichen – und, wichtiger noch, wenn das ohne Zustimmung des Betroffenen geschieht.

So vergrößerten Graphiker auf dem Kinoplakat für den Film Underworld die Oberweite der Hauptdarstellerin Kate Beckinsale so enorm, dass es an irreführende Werbung grenzte. Die Schauspielerin sah sich gezwungen, die Verantwortlichen zu bitten, sich ein wenig zu mäßigen. Auch Kate Winslet war nicht begeistert, als sie sah, dass ihr Bild auf der Titelseite von GQ digital nachbearbeitet worden war, um sie langbeinig und schlank aussehen zu lassen. Sie war stolz auf ihre deutlich kurvigere reale Erscheinung und verkündete, dass alle Männer, die sie kenne, «es mögen, wenn Mädchen einen Arsch haben». Victoria Beckham hingegen protestierte nicht, als die Plakate für ihre Parfum-Kreation Intimately Beckham sie mit einem vollen, runden Hinterteil zeigten, obwohl es einige Kommentare darüber gab, dass ihr Gesäß im wahren Leben weitaus flacher aussieht. Ähnlich wilde Spekulationen löste im Jahr 2007 eine Ausbuchtung an der Vorderseite der von David Beckham beworbenen Armani-Unterwäsche aus.

Die Möglichkeiten von Foto-Manipulationen beschränken sich allerdings nicht auf das digitale Herausarbeiten von Bauchmuskeln oder das Vergrößern von Brüsten. In extremen Fällen kann die Redaktion einer Zeitschrift sich für eine komplette «Körpertransplantation» entscheiden – das heißt, der Kopf eines Menschen wird auf den Körper eines anderen montiert. Das passierte Julia Roberts – sehr zu ihrer Verärgerung – 2003 auf dem Cover der Juliausgabe des Magazins Redbook. Der einzige mildernde Umstand war die Tatsache, dass der Körper, auf den ihr Kopf draufgesetzt wurde, eine jüngere Version ihres eigenen war. Doch das bekannteste Beispiel für diese grassierende Unsitte stammt aus dem Jahr 1989, als am 26. August auf dem Cover des TV Guide die Talkmasterin Oprah Winfrey zu sehen war, die sich in einem hauchdünnen Kleid auf einem Haufen Geld räkelte. Oprah sah hinreißend aus  – doch nur der Kopf war ihr eigener. Der Körper stammte von einer Werbe-Aufnahme der Schauspielerin Ann-Margret aus dem Jahr 1979. Die Zusammensetzung, für die weder Oprah noch Ann-Margret ihre Zustimmung gegeben hatten, kam ans Licht, als Ann-Margrets Modedesigner das Kleid wiedererkannte.

Doch was man in Modemagazinen sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, entdeckt man bald einen riesigen Sumpf von Bildmanipulationen, die von den verschiedensten Obsessionen motiviert sind.

Die Nacktbilder Ihrer Lieblingsschauspielerin, die man im Internet finden kann? Das sind wahrscheinlich Fakes, zusammengebastelt von einem Enthusiasten, der lange Stunden darüber geschwitzt hat. Noch weitaus verstörender sind die Bilder von ultra-mageren Models, die man ebenfalls im Internet finden kann. Diese Gespenster posieren in Bikinis, ausgemergelten Leichen gleich, während die Haut sich über ihre spindeldürren Körper spannt.

FrankenOprah?

Solche Bilder sind die Produkte der «Pro-Ana»-Community (kurz für Pro Anorexie), einer Bewegung der Magersüchtigen im Internet. Diese unglücklichen Opfer einer gestörten Körperwahrnehmung, die sie unaufhörlich mit dem Gefühl quält, zu dick zu sein, verändern auf digitalem Weg die Fotos von Models, um sie wie Skelette aussehen zu lassen. Diese Bilder dienen dann als «thinspiration», als Ansporn für die Betroffenen, noch weiter abzunehmen.

Hochgradig problematisch wird das Ganze, wenn jemand, der nicht der Pro-Ana-Bewegung angehört, zufällig über diese Bilder stolpert und glaubt, dass sie echte Models zeigen, die sich bis auf Haut und Knochen heruntergehungert haben. Das ist nicht der Fall. Im Großen und Ganzen kann man festhalten, dass Models in der Regel nicht dazu ermuntert werden, so dünn zu werden, dass ihre Erscheinung furchterregend wirkt, auch wenn viele von ihnen einen Cheeseburger dringend vertragen könnten.

DAS SIND DIE FAKTEN 2.2
Über keinen Körperteil wird mehr gelogen als über den Penis.

Eine ganze Industrie lebt ausschließlich davon, die weibliche Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Aussehens auszunutzen. Doch auch Männer haben ihre Komplexe  – besonders, wenn es um das Organ zwischen ihren Beinen geht.

Es stimmt nicht, dass von allen Kreaturen im Tierreich der Mensch im Verhältnis zu seiner Körpergröße den größten Penis hat. Diese Ehre gebührt dem Rankenfußkrebs. Der Mensch folgt erst an zweiter Stelle. Doch in der Disziplin «Tierarten, die sich die meisten Gedanken über ihre Penisgröße machen», liegt der Mensch unangefochten auf Platz eins. An irgendeinem Punkt in der Evolution des Menschen wurde Penisgröße mit Männlichkeit und gesellschaftlicher Vormachtstellung gleichgesetzt. Wer einen großen Penis hatte, war das Alphamännchen. Ein modernes Beispiel für die nach wie vor wirksame Faszination großer Penisse ist die kuriose Geschichte von Rasputins Fortpflanzungsorgan.

Im Jahr 1916 betäubte und vergiftete eine Gruppe russischer Adeliger den Mönch Grigori Rasputin, den man für den Geliebten der Zarengattin Alexandra Fjodorowna hielt. Als das nicht ausreichte, um ihn umzubringen, schlugen sie auf ihn ein, schossen auf ihn und ertränkten ihn schließlich in der Newa. Irgendwann im Laufe dieser Vorgänge wurde ihm der Penis abgeschnitten, dessen Länge gut 33 Zentimeter betragen haben soll. Getrennt von seinem früheren Besitzer schlug dieses Organ noch einen bemerkenswerten weiteren Weg ein.

Angeblich fand eine Putzfrau den Penis und konservierte ihn. Später kam er in den Besitz einer Gruppe in Paris lebender Russinnen, die ihn als Reliquie verehrten und in einer hölzernen Schatulle verwahrten. Rasputins Tochter Maria fand es allerdings unziemlich, dass der Penis ihres Vaters bei diesen Damen wohnte, und verlangte seine Herausgabe. Bei ihr blieb er, bis sie 1977 in Kalifornien starb. Danach gelangte er zu einem Antiquitätenhändler, der ihn, zusammen mit einigen Manuskripten Marias, in einem Samtbeutel entdeckte. Der Händler verkaufte das inzwischen weitgereiste Organ an das Auktionshaus Bonhams, dessen Experten allerdings feststellen mussten, dass sie nicht etwa einen Penis, sondern eine vertrocknete Seegurke erstanden hatten.

Der echte Penis galt als verschollen, bis er  – oder zumindest etwas, das dafür ausgegeben wurde  – 1994 im neu...

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