Einleitung
Das vorliegende Buch enthält verschiedene Beiträge aus den Bereichen »Forschung«, »Klinik« und »Prävention«, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema »Bindung und emotionale Gewalt« beschäftigen. Im Rahmen der Ergebnisse aus der Forschung werden auch anhand von Fallbeispielen Erfahrungen aus der klinischen Arbeit vermittelt, um die therapeutischen Möglichkeiten und die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie, Begleitung und Beratung bei Menschen, die emotionale Gewalt erfahren haben, aufzuzeigen sowie Hinweise zur Prävention zu geben.
Der vorliegende Band beginnt mit der Darstellung von Möglichkeiten der Prävention in Bezug auf emotionale Gewalt. Nach einer Einführung in das Thema durch Karl Heinz Brisch stellen Katharina Trost und Swinde Landers das Grundkonzept und das Design einer Evaluationsstudie über das primäre Präventionsprogramm »SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern« und die jeweils gewonnenen Forschungsergebnisse – speziell zu den Müttern und ihren Kindern – vor, während Julia Quehenberger in einem separaten Beitrag über die spezifische Arbeit mit den Vätern und die Ergebnisse bezüglich der Vater-Kind-Beziehung berichtet. Es werden jeweils die Ergebnisse der Längsschnittstudie dargestellt und es wird aufgezeigt, dass etwa depressive Erkrankungen und Traumatisierungen der Eltern nicht zwangsläufig an die nächste Generation weitergegeben werden müssen. Vielmehr können durch frühzeitige bindungsorientierte Prävention nach dem Programm SAFE® solche Teufelskreise zwischen Generationen unterbrochen werden. Es werden auch die unterschiedlichen Ergebnisse bezüglich der Eltern aus den SAFE®-Gruppen denen der Eltern aus den Kontrollgruppen gegenübergestellt und diskutiert. Alena Beck und Isabelle Walter geben einen Einblick in die Ergebnisse der Nachuntersuchung, die stattfand, als die Kinder sieben bis acht Jahre alt waren. Wenn die SAFE®-Kinder in die Grundschule wechseln, erleben sie nochmals ein bindungsrelevantes Ereignis, das je nach innerem Arbeitsmodell von Bindung mit besonders viel Stress verbunden sein kann. In diesem Zusammenhang wurden sie deshalb zusammen mit ihren Eltern nochmals untersucht.
Bei einer Elternschaft in bestimmten schwierigen Lebenslagen können an solche Situationen adaptierte SAFE®-Spezial-Programme eingesetzt werden; es gibt hier eine große Spannbreite der flexiblen Adaptation von SAFE an besondere Kontexte. Verschiedene Autorinnen und Autoren berichten über Pilotprojekte mit Eltern und Kindern in Risikokontexten; sie zeigen, wie SAFE®-Spezial-Programme in ganz verschiedenen Bereichen erfolgreich eingesetzt wurden, und stellen die damit gewonnenen Erfahrungen dar: Brigitte Forstner und Laura Meinardi-Weichhart haben mit Müttern der Mutter-Kind-Station einer Justizvollzugsanstalt gearbeitet; Diana Roder führte eine Pilotstudie mit suchterkrankten Eltern durch; Imen Belajouza berichtet über die Erfahrungen mit SAFE® bei Elternschaften in schwierigen Lebenslagen, etwa bei mehrfach belasteten Eltern; Laura Meinardi-Weichhart arbeitete mit obdachlosen Eltern und ihren Kindern, Wiebke Baller mit psychiatrisch erkrankten und traumatisierten Eltern und Oliver Schwald hat das SAFE®-Programm für Eltern nach Erfahrungen von Folter, Flucht und Krieg adaptiert und mit ihnen durchgeführt.
Brigitte Forstner und Catherina Hilmer schildern, wie das SAFE®-Programm auch zur Schulung von Krippenerzieherinnen und Eltern eingesetzt werden konnte. Hierbei handelt es sich wiederum um eine spezielle Variante des SAFE®-Programms, bei der sowohl mit den Erzieherinnen (bzw. Erziehern) als auch mit den Eltern gerade in der Phase der Eingewöhnung sehr kleiner Kinder in die Krippe gearbeitet wird. Ziel war es, die sichere Bindung des Kindes an die Eltern sowie an die neue Bindungsperson »Krippenerzieherin« zu fördern, was, wie die Ergebnisse zeigen, auch erreicht werden konnte.
Abschließend wird unter dem Aspekt »emotionale Prävention« auch das Programm »B.A.S.E.® – Babywatching« vorgestellt. Jeanette Hollerbach berichtet von den Ergebnissen einer Evaluationsstudie, die in Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Stadtschulamt durchgeführt werden konnte. Am Ende der Intervention zeigte sich, dass die Kinder in den »B.A.S.E.® – Babywatching«-Gruppen – im Vergleich zu den Kontrollgruppenkindern – wesentlich weniger aggressiv und empathischer sein konnten und auch weniger Ängste hatten. Alle diese Präventionsergebnisse sind sehr vielversprechend und positiv und sollten in weiteren Studien repliziert werden.
Die Reihe der Beiträge nach diesem einleitenden Teil zur Prävention beginnt Shelley Riggs. Sie erklärt den Zyklus der emotionalen Misshandlung im Netzwerk der Bindungsbeziehungen und berichtet über ihre bahnbrechenden Längsschnittstudien zur Weitergabe von emotionaler Gewalt über Generationen und davon, wie dieser Zyklus der Weitergabe von Gewalt durch entsprechende Interventionen erfolgreich unterbrochen werden kann.
Anna-Lena Zietlow und Corinna Reck haben eine eindrucksvolle Studie zur postpartalen Depression und Angststörung und ihrer Auswirkung auf das Beziehungserleben der Mutter, die Mutter-Kind-Interaktion und die Entwicklung des Kindes durchgeführt. Es zeigte sich, dass Depression und Angst einen gravierenden Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben und hier Anlass für den Einsatz entsprechender Präventionsprogramme besteht.
Sabine Aust schildert anschließend die Bedeutung von frühen Stresserfahrungen auf die Entwicklung emotionaler Fertigkeiten und arbeitet aufgrund ihrer Studien die Folgen für die individuellen Unterschiede in der neuronalen Entwicklung und die Bedeutung von protektiven Faktoren heraus.
Der Beitrag von Henry Parens beschäftigt sich mit dem bösartigen Vorurteil, das nach seinen Ausführungen sehr wohl in seiner Entstehung verständlich wird und keineswegs ein Freibrief – so Parens – für das Ausleben von emotionaler Gewalt ist.
In einem klinischen Beitrag lässt Tilmann Moser deutlich werden, wie der mörderische Blick eine Form von emotionaler Gewalt sein kann, die langfristige Auswirkungen und Folgen für die psychische Entwicklung der Person haben kann. In der therapeutischen Arbeit, die er schildert, taucht in der Übertragung und Gegenübertragung dieser mörderische Blick entsprechend wieder auf und muss behandelt werden.
Dominic Carbone schildert eindrücklich die kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung eines »gegenabhängigen« Bindungsverhaltens. Dieses ist dadurch charakterisiert, dass erwachsene Patienten in Reaktion auf die frühe Zurückweisung durch Angehörige und Peers Bindungsverhaltensweisen entwickelt haben, die darauf abzielen, eigene Bindungsbedürfnisse abzuwehren. Carbone hat zur Behandlung eines solchen Bindungsstörungsverhaltens ein spezifisches Therapiemodell entwickelt und evaluiert.
Das bisher erfolgreich bei Kindergartenkindern und Schulkindern eingesetzte Präventionsprogramm »B.A.S.E.® – Babywatching« wurde inzwischen auch erfolgreich im Altenheim mit Senioren, die unter Demenz leiden, zur Prävention gegenüber emotionaler Gewalt eingesetzt. Johanna Pohl schildert die ersten Erfahrungen mit dem Einsatz dieses Präventionsprogramms bei einer Gruppe von Senioren und berichtet über erstaunlich positive Ergebnisse im Hinblick auf Gedächtnis, emotionale Wachheit und Freude an der Beobachtung der Mutter-Kind-Interaktion.
In einem Übersichtsbeitrag stellt Joachim Bauer die Bedeutung von Spiegelneuronen und Resonanz für die Entstehung des kindlichen Selbst und seiner Bindungsfähigkeit dar. Dabei zitiert er viele neurowissenschaftliche Arbeiten und erklärt an neuesten Studienergebnissen, wie wichtig Spiegelneuronen sind und wie sie sich auf die Entwicklung psychischer Funktionen auswirken bzw. wie bei Fehlen der emotionalen Präsenz von Bindungspersonen die Entwicklung eines gesunden Selbst gestört werden kann.
Eileen Zurbriggen und Ella Ben Hagai beschreiben die Folgen früher emotionaler Misshandlung für das Leben und die Beziehungen der erwachsenen Personen. Aus ihren Studien wird sehr schnell deutlich, wie langfristig – bis ins Leben als Erwachsener – die Auswirkungen ...