1 Der eiserne Kurfürst
Einleitung
Diese kleine Biographie bezeichnet Maximilian I. im Untertitel als den »eisernen« Kurfürsten, nicht als den »großen«, was verbreitet, aber umstritten ist. Schon das Erscheinungsbild des Herrschers, der sich fast immer im schlichten schwarzen Feldharnisch darstellen ließ, demonstriert Härte und Strenge, Eigenschaften, die alle, die sich über Maximilian geäußert haben, Zeitgenossen wie Nachwelt, Bewunderer wie Kritiker, für höchst kennzeichnend gehalten haben. Dazu passen viele der anderen Charakterzüge, über die weitgehende Einigkeit herrscht, so vielfältig, zum Teil sogar widersprüchlich sie erscheinen mögen. Ernst, Pflichtgefühl, Arbeitseifer, Wille, Autorität, Selbstdisziplin, Verantwortungsbewußtsein, Zielstrebigkeit, Hartnäckigkeit, Verstandesschärfe, Realismus, Vorsicht, Skrupelhaftigkeit, Sparsamkeit, Ordnungssinn, Organisationstalent, Pedanterie, Rechthaberei, Sarkasmus, Mißtrauen, Verschlossenheit, Ehrgeiz, Stolz, Rachsucht, eine stoische kriegerische Grundhaltung bar jeder Abenteuerlust und Ruhmgier, und schließlich eine tragende, zwischen enthusiastischem Überschwang und selbstquälerischer Askese schwankende tiefe Religiosität. Viele dieser Eigenschaften kamen ihm in seiner mehr als ein halbes Jahrhundert dauernden Regierungszeit in Frieden und Krieg sehr zugute, wenn sie ihn auch nicht immer sympathisch machten. Seine folgenschweren Auftritte auf der bayerischen, deutschen und europäischen Bühne fielen in eine Epoche, die gleichfalls oft als »eisernes Zeitalter« bezeichnet wird, erfüllt von Kriegen und Revolten, Glaubenskämpfen, Konflikten zwischen Ständen, Dynastien und den Organen des werdenden modernen Staates, Ketzer- und Hexenverfolgungen, Hungersnöten und Pestepidemien, von Fanatismus, heroischen Idealen und stoischem Ethos.
Maximilian kam in jungen Jahren an die Regierung, da sein Vater wegen drohenden Staatsbankrotts sein Amt niederlegte. Die ersten beiden Jahrzehnte seiner Herrschaft standen unter dem Zeichen der Innenpolitik, ganz besonders der Finanzpolitik, denn das Schicksal seines Vaters war für den jungen Herzog ein traumatisches Erlebnis. In unermüdlicher Schaffenskraft machte er aus Bayern so etwas wie einen frühabsolutistischen Musterstaat. Ausgerichtet an den Normen des tridentinischen Reformkatholizismus und der jesuitisch geprägten Gegenreformation schuf er ein bayerisches Rom. Diesen Staat führte er in den langen und schrecklichen Dreißigjährigen Krieg, den er als einer der wenigen Fürsten von Anfang bis Ende mitmachte und an dessen Ausbruch, Verlauf und Beendigung er maßgeblicheren Anteil hatte als es der Größe seines Landes eigentlich entsprach. Über Schuld und Unschuld wird zu reden sein. Jedenfalls gehörte er zu der Minderheit deutscher Fürsten, die aus dem Krieg mit Gewinn hervorgingen, indem er seine schon am Anfang gemachte Beute, die Kurwürde und damit die Rangerhöhung seines Hauses und seines Landes sowie die Oberpfalz, über die Wechselfälle des Krieges hinwegzuretten vermochte, erkauft freilich mit ungeheuren Verlusten an Gut und Leben.
Erstaunlicherweise hat dieser asketische und sparsame Herrscher es vermocht, inmitten der Anspannungen einer Staatsreform und des Krieges ein reiches kulturelles Erbe zu schaffen, das er mit ästhetischer Sensibilität und sicherem Urteil zusammentrug. Im Übergang von der Renaissance zum Barock errichtete er mit der Münchner Residenz die größte und prächtigste Palastanlage im ganzen Reich und außerdem das Landschloß Schleißheim. Er gab Bronzeskulpturen, Gemälde, Wandteppiche der höchsten Qualitätsstufe in Auftrag und legte mit erstaunlicher Kennerschaft eine Sammlung alter Meister von europäischem Rang an. Er tat das zum Teil aus Gründen der Repräsentation, des Ansehens und des Anspruchs seiner Dynastie und seines Landes, zum Gutteil aber auch aus persönlicher Leidenschaft. Das Sammeln und Genießen von Kunstwerken war neben der Pferdehaltung und der Jagd die einzige Erholung, die sich dieser arbeitswütige Herrscher gönnte. Dabei wird immer wieder deutlich, daß er in der Kunst ebenso wie in Verwaltung, Diplomatie und Kriegführung ein sicheres Gespür für Talente besaß, die er an sich zog, in seine Konzeptionen integrierte und zu denen er eine starke, wechselseitige Loyalität aufzubauen und zu erhalten vermochte. Ich habe daher Kurzbiographien einiger der Mitarbeiter Maximilians in den Text eingefügt, um auf die Wechselwirkung zwischen ihnen und ihrem Herrn aufmerksam zu machen, ohne die eine Leistung auch des größten Regenten nicht möglich und nicht verständlich ist.
Persönlichkeit und Zeitalter bringen es mit sich, daß über Maximilian I. mehr geschrieben wurde als über andere bayerische Herrscher. Er selbst hat als unermüdlicher Held des Schreibtisches und Bürokrat eine enorme Menge an Akten hinterlassen, die noch keineswegs alle erschlossen und publiziert sind, so daß noch mit manchem Fund und mancher Überraschung zu rechnen ist. Auch war Maximilian ein großer Förderer der Geschichtsschreibung. Der dritte Band der von ihm in Auftrag gegebenen Geschichte Bayerns, der sich ausschließlich mit seiner Regierungszeit beschäftigt und den sein letzter Beichtvater, der Jesuit Johannes Vervaux (s. S. 53), unter dem Pseudonym Johann Adlzreiter verfasst hat, ist noch immer grundlegend.
Natürlich ist man von da an in allen Gesamtdarstellungen der bayerischen Geschichte oder des Dreißigjährigen Krieges mehr oder weniger ausführlich auf Maximilian I. eingegangen. Maßgeblich wurde vor allem Sigmund von Riezlers Bayerische Geschichte, deren 6. Band (1903) der Zeit 1508–1651 gewidmet ist, ein Werk, das bis fast zum Ende des 20. Jahrhunderts die ausführlichste und gediegenste Gesamtdarstellung geblieben ist und auch heute noch mit Gewinn gelesen wird. Gleichzeitig veröffentlichte Felix Stieve, ein ausgezeichneter Kenner der Materie, zahlreiche nach wie vor wichtige Einzeluntersuchungen und schrieb einen ausführlichen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie (1885). Was aber lange Zeit fehlte, war eine große monographische Biographie Maximilians. Am ehesten entsprach dem Kurt Pfisters gehoben populärwissenschaftliche Publikation von 1948. Einen guten Ersatz bot in vieler Hinsicht 1980 der 2. Teil des von Hubert Glaser herausgegebenen Katalogwerks zur Ausstellung »Wittelsbach und Bayern«, der in einem Katalog- und einem Aufsatzband erschien und unter dem Titel »Um Glauben und Reich« die Regierungszeit Maximilians I. behandelt. Zusammen mit dem Ergänzungsband »Quellen und Studien zur Kunstpolitik der Wittelsbacher«, vor allem in kunstgeschichtlicher Hinsicht und in der Präsentation des Bildmaterials, ist er bis heute unerreicht. Rasch hintereinander erschienen dann zwei von herausragenden Kennern verfaßte Biographien: zuerst die kompakte, auch ein breites Publikum ansprechende von Andreas Kraus aus dem Jahr 1990 und dann die von Dieter Albrecht aus dem Jahr 1998, die mit ihren 1176 Seiten die Krönung eines Lebenswerkes darstellt und wohl auf sehr lange Zeit als Standardwerk gelten darf. Helmut Neuhaus spricht nicht umsonst davon, daß, wer sich dem Thema Maximilian I. nähere, »Albrecht-Land« betrete. 2002 wurde schließlich in der Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte eine große Aufsatzsammlung veröffentlicht, die auf ein anläßlich des 350. Todesjahres des Kurfürsten (2001) stattgefundenes Symposium zurückging. Unter den zahlreichen Einzeldarstellungen sei hier hervorgehoben die Untersuchung Heinz Dollingers zur Finanzreform Maximilians 1598–1618 (1968), die weit mehr bietet, als ihre thematische und zeitliche Beschränkung zu versprechen scheint. Im Übrigen sei auf die Bibliographie verwiesen.
Angesichts der Fülle und Vielfältigkeit des Sujets einerseits und des begrenzten hier zur Verfügung stehenden Raumes andererseits erschien es mir zweckmäßig, nicht eine gleichmäßige Präsentation der langen Lebens- und Regierungszeit des Protagonisten zu versuchen, sondern die laufende Erzählung möglichst knapp zu halten und in diese mosaikartig etwas ausführlichere kleine Blöcke zu signifikanten Themen und zu wichtigen Persönlichkeiten einzustreuen und in vielen Zitaten möglichst oft Maximilian und seine Zeitgenossen im »Originalton« zu Wort kommen zu lassen. Soweit es sich nicht um Übersetzungen aus dem Latein, Italienischen oder Französischen handelt, habe ich die ursprüngliche Schreibweise beibehalten, auch wenn sie auf den ersten Blick oft schwer verständlich erscheint. Ich empfehle, die Texte laut zu lesen, dann klären sich die Probleme sofort und die Zitate entfalten ihren vollen Reiz. Besonders schwierige Wörter und Ausdrucksweisen finden sich in Klammern erklärt. Verwiesen sei auch auf die Zeittafel.
Schwerpunkte habe ich bei der Innen-, Finanz- und Kulturpolitik der ersten beiden Regierungsjahrzehnte und bei den für Maximilian I. ausschlaggebenden Ereignissen der Jahre 1618–1623 gelegt, die um die böhmisch-pfälzische Frage kreisten. Die politischen und militärischen Ereignisse der folgenden zweieinhalb Jahrzehnte waren für Bayern in vieler Hinsicht eine Funktion dieser Initialkrise des langen Krieges. Den weiteren Verlauf bis hin zum Westfälischen Frieden in vergleichbarer Ausführlichkeit zu schildern, hätte den Umfang gesprengt. Nur dem zukunftsweisenden Verhältnis zu Frankreich habe ich noch etwas breiteren Raum gewidmet. Ich darf hier verweisen auf meine gleichfalls in diesem Verlag erschienenen Biographien Tillys und Gustav Adolfs, ferner auf einen in Vorbereitung befindlichen Band zum Thema »Der Dreißigjährige Krieg in Bayern«, in dem ich auf die ständig vernachlässigte Schlußphase des Krieges 1635–1648 gebührend eingehen werde.
Ich danke meiner Verlegerin Elisabeth Pustet, die in ihrem unverwüstlichen...