Trainer oder Coachs haben das Ziel, einen Einzelnen oder ein Team zur bestmöglichen Leistung zu führen, ohne selbst an deren Ausführung direkt beteiligt zu sein. Der Coach muss nicht der bessere Spieler, Manager oder Mitarbeiter sein. Gerade beim Fußball ist offensichtlich, dass der Torwart den Ball besser fangen kann als sein Trainer. Für viele Menschen ist es einfach, zu ihrem Golftrainer zu sagen: „Ich habe ein Problem mit meinem Abschlag. Könnten Sie mir bitte eine Weile bei meinem Spiel zusehen und anschließend mit mir daran arbeiten?“ Aber nur wenige können sich vorstellen, mit einer vergleichbaren Bitte zu ihrem Vorgesetzten zu gehen. Denn diese versuchen immer noch, „besser zu sein“ als ihre Mitarbeiter, und bedenken dabei nicht, dass eine solche Haltung eher zu Konkurrenzdenken und Rivalität führt, statt Vertrauen in den Vorgesetzten und Teamgeist zu fördern. Ein Externer oder eine Führungskraft, die sich selbst als Coach sieht, kann den Mitarbeiter und damit das Unternehmen bzw. sich selbst durchaus zum Erfolg führen.
Coaching hilft, die eigene Rolle im Unternehmen zu gestalten
Definition: Coaching ist eine hochindividualisierte Beratung. Sie soll einem Mitarbeiter ermöglichen, seine Rolle im Unternehmen eigenständig besser auszugestalten, um erfolgreicher zu sein. Im Sinne der personalstrategischen Ziele des Unternehmens heißt das, Mitarbeiter in Anlehnung an die Unternehmensgrundsätze so weiterzuentwickeln, dass sie die an sie gestellten Anforderungen auch für die Zukunft erfüllen können.
Im täglichen Beratungsgeschäft und in der Literatur ist man sich über die Bezeichnung des Beraters als „Coach“ einig. Bei der zu coachenden Person findet man zwei parallele Begriffe: Klient und Coachee. In diesem Buch wird der Letztere verwendet.
Soft Skills sind trainierbar
Für einen guten Coach sind Soft Skills, die so genannten „weichen Fähigkeiten“, enorm wichtig. Diese Merkmale können beim einen Menschen stärker, beim anderen schwächer ausgeprägt sein. Die gute Nachricht ist: Soft Skills besitzen eine Gestaltungskomponente, d. h. sie sind trainier- und veränderbar. Im Rahmen Ihrer persönlichen Weiterentwicklung können Sie sie quantitativ und qualitativ erweitern und optimieren.
Kienbaum Expertentipp: Soft Skills sind trainierbar
Jeder kann seine Soft Skills trainieren und verbessern. Das Entscheidende ist, dass Sie (oder Ihr Coachee) es wollen.
Die wichtigsten Soft Skills für einen Coach sind: Integrations- und Kritikfähigkeit, Einfühlungsvermögen sowie Überzeugungskraft.
1. Integrationsfähigkeit
Integrationsfähigkeit ist das Vermögen, sich oder andere wirkungsvoll in ein bestehendes Sozialgefüge zu integrieren, unterschiedliche Interessen, Ziele und Meinungen effektiv zu bündeln und verschiedene Ideen, Ansatzpunkte und Menschen sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus sind integrationsfähige Menschen in der Lage, Gefühle und Sichtweisen anderer zu erfassen und deren emotionale Signale zu erkennen. Offenheit für Unterschiede und andere Ansichten ist dafür Voraussetzung, Kooperation und Konsens sowie Flexibilität sind entscheidende Faktoren der Integrationsfähigkeit. Durch Vielfalt und Integration entsteht ein Umfeld, das einen großen Freiraum zur Entfaltung unterschiedlicher Persönlichkeiten und Kompetenzen bietet.
Zwei Seiten der Integrationsfähigkeit
Integrationsfähigkeit hat eine aktive und eine passive Komponente:
Zum einen bezieht sie sich auf die Fähigkeit, sich selbst mit seinen Kenntnissen und Fertigkeiten gut in bestehende Gruppen eingliedern zu können, seine Rolle anzunehmen und konstruktiv mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten.
Die passive Komponente enthält die Fähigkeit, andere Menschen erfolgreich in ein Team oder eine Gruppe zu integrieren, sodass eine Gewinn bringende Zusammenarbeit stattfinden kann. In diesem Fall muss man nicht selbst Teil dieses Gefüges sein.
Integrationsfähigkeit hat folgende Kennzeichen:
Interessen, Ziele und Meinungen werden auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet.
Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Positionen werden herausgearbeitet.
Es findet eine Vermittlung zwischen konfliktären Personen oder Gruppen statt.
Es besteht Interesse an unterschiedlichen Meinungen.
Alle Gruppen- bzw. Teammitglieder werden einbezogen.
Neue und benachteiligte Mitarbeiter und Kollegen werden eingebunden.
Es besteht Konsens- und Dialogorientierung, Kompromissbereitschaft und Moderationsfähigkeit.
Verdeckte Spannungen und Konflikte werden aufgedeckt.
2. Kritik- und Feedbackfähigkeit
Feedback enthält positive und negative Rückmeldungen
Durch Kritik und Feedback gibt jemand darüber eine Rückmeldung, wie er das Verhalten eines anderen Menschen subjektiv wahrgenommen hat. Dabei ist es zunächst unwesentlich, ob es sich um positiv oder negativ wahrgenommene Verhaltensweisen handelt. Auch die Kritik- bzw. Feedbackfähigkeit hat zwei Seiten. Sie beschreibt die Bereitschaft, Rückmeldung vorbehaltlos anzunehmen und daraus zu lernen, sowie das Talent, anderen Personen konstruktiv Rückmeldung zu geben.
Kienbaum Expertentipp: Feedback aktiv einholen
Wollen Sie Ihre Leistungen und Kompetenzen erweitern, kann ein aktiv eingefordertes Feedback Sie dabei sehr unterstützen. Viele Menschen scheuen jedoch davor zurück, Kritik zu äußern bzw. aktiv danach zu fragen, weil sie ausschließlich negative Aspekte damit verbinden und ihren Selbstwert infrage gestellt sehen. Aber Sender und Empfänger sind beide dafür verantwortlich, dass dieses Instrument sinnvoll eingesetzt und zum weiteren Erfolg genutzt wird.
Wirksames Feedback ist das Resultat einer offenen, konstruktiven und wertschätzenden Kommunikation zwischen Sender und Empfänger. Der Empfänger entscheidet, ob er Kritik bzw. Feedback erhalten will. Nur wenn er die Bereitschaft dazu hat – und den Willen, sich entsprechend zu kontrollieren und zu entwickeln –, kann er die Rückmeldung auch adäquat aufnehmen. Anderenfalls empfindet er sie nicht als unterstützend, sondern eher als bedrohlich.
Prinzipien für Feedbackgeber
Gutes Feedback folgt einigen Regeln
Daneben bestimmt die Art und Weise, wie der Sender seine Rückmeldung gibt, darüber, ob Kritik und Anregungen als konstruktiv anerkannt und genutzt werden:
Transparenz:
Der Feedbackgeber muss seine Wahrnehmung so wiedergeben, dass der Empfänger erkennen kann, welche Verhaltensweisen zu welchem Ergebnis führen. Wahrnehmung und Beschreibung müssen für den Empfänger transparent sein.
Offenheit:
Nur wenn der Sender offen und ehrlich äußert, was er subjektiv wahrgenommen hat, kann der Feedbacknehmer diese Anregungen Gewinn bringend einsetzen.
Konkretheit: Rückmeldungen sollten sich immer auf konkrete, nachvollziehbare Situationen beziehen.
Feedback beschreibt Verhalten, nicht Eigenschaften
Beschreiben von Verhalten statt von Eigenschaften:
Feedback ist keine Attacke gegen eine Person und soll andere nicht dazu zwingen, eine Verteidigungshaltung einzunehmen. Angriff oder generelles Infragestellen der Person führt zu Rechtfertigungen und Ausflüchten, aber nicht zu einer tatsächlichen Verhaltensänderung.
Beispiel für ein verfehltes Feedback
„Du bist immer so unzuverlässig. Niemand hier kann sich auf dich verlassen. Wahrscheinlich hast du Besseres zu tun!“
Eine solch aggressive Anklage schafft beim Angesprochenen eher Reaktanz und Widerstand. Wenn Sie allerdings die Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens beschreiben, verdeutlichen Sie dem Feedbacknehmer, was die Konsequenzen seiner Verhaltensweisen sind und motivieren ihn dadurch, sein Verhalten anzupassen bzw. zu verändern.
Äußern von Wünschen und Informationen statt Vorwürfe und Angriffe:
Der Feedbacknehmer sollte wissen, in welche Richtung er sich verändern soll, damit er mit seinem Verhalten nicht mehr aneckt.
Deutlich machen, was das Verhalten bewirkt, nicht, was es möglicherweise auslöst:
Oft werden dem Empfänger die Folgen seines Tuns dadurch erst deutlich.
Beispiel für ein gelungenes Feedback
„Wenn du nicht zur vereinbarten Zeit ankommst, dann können wir alle nicht arbeiten – das stört uns. Wir würden uns wünschen, dass du in Zukunft pünktlich bist, damit wir unsere knappe Zeit sinnvoll einsetzen können.“
Prinzipien des Feedbacknehmens
Nicht nur der Sender, sondern auch der Empfänger muss sich an einige Regeln halten, damit ein Feedback wirklich seinen Zweck...