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E-Book

VEGAN-STRAIGHT-EDGE

Einblicke in eine extreme Jugendkultur

VerlagHirnkost
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl85 Seiten
ISBN9783945398746
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Als Vegan-Straight-Edge bezeichnet sich eine kleine und bislang in der Forschung wenig beachtete Gruppe Jugendlicher, die hauptsächlich in der Hardcoreszene verankert sind. Es werden zwei schon einzeln betrachtet extreme Lebensweisen miteinander vermischt. Straight-Edge beinhaltet sowohl die Ablehnung aller legalen und illegalen Drogen als auch promiskuitiven Verhaltens. Veganismus lehnt wiederum die Ausbeutung der nichtmenschlichen Tiere und somit jeglichen Konsum tierischer Produkte ab. Wie kommt diese Verbindung zustande? Worin liegt der Anreiz einer solch abstinenten Lebensweise im Jugendalter? Welche Auswirkungen hat dies auf die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben? Die Arbeit geht diesen fragen nach.

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Leseprobe

4 Straight-Edge-Hardcore


Straight-Edge als Lebensstil und die Hardcorebewegung waren von Beginn an eng miteinander verbunden und die Grenzen sind bis heute fließend. Da sich die Hardcorebewegung wiederum aus der Punkbewegung entwickelt hat, ist es notwendig, diese in angemessenem Umfang zu thematisieren. Durch die musikalische Auseinandersetzung mit den szenerelevanten Themen wird außerdem auf die Synthese einer veganen Lebensweise und Straight-Edge aus einer musikzentrierten Jugendkultur eingegangen.20

4.1 Straight-Edge


Straight-Edge hat sich in den 1980er Jahren innerhalb der Hardcorepunkszene in vielen Städten der USA als ein Gegenentwurf zu dieser etabliert. Um diesen Prozess und somit die Gründe derer Entstehung zu verstehen, muss zuerst die Entstehung der Hardcorebewegung skizziert werden.

4.1.1 Vom Punk zum Hardcore

Der Begriff Hardcore wird im Allgemeinen für eine Verschärfung eines dargestellten Sachverhalts benutzt. Ganz ähnlich trifft dies auch auf die hier vorgestellte Jugendkultur des Hardcorepunk zu. Hardcore hat sich als Musik und Szene aus und mit dem Punk entwickelt und hieß dementsprechend zu Beginn Hardcorepunk. Dabei sind, wenn auch nicht mehr im früheren Ausmaß, die Grenzen zwischen den beiden Szenen oft fließend. Die Szenegänger_innen sind nicht immer trennscharf zu unterscheiden und häufig nur durch das geschulte Auge zu erkennen. Musikalisch gesehen galt anfangs alles als Hardcore, was härter, schneller oder lauter war als der gewohnte Punksound.21 In diesem Zusammenhang kann man den Hardcorebegriff also als die Verschärfung verstehen. „Hardcore is more than music“, dieser Satz wird häufig als Credo der Szene genannt und drückt zugleich die Multiperspektivität aus, unter welcher Hardcore als Bewegung betrachtet werden soll. Die Band Have Heart benannte einen ihrer Songs nach diesem Grundsatz:

Have Heart: „More Than Music“

More than music, its more than a new dance

More than fashion, its more than a posed stance

More than music, something we live with

Beyond the cheap slogans, an act of love, an attempt to give

We have seen a lot of kids drift away now they are gone

But new blood and old ideals will keep our vision strong

More than music, it’s our life!22

Nach Büsser war die Hardcorebewegung schon immer „more than music“, was sich in ihren, dem Punk verwandten, subversiv-rebellischen Grundsätzen ausdrückt.23 Ein essentieller Unterschied zum Punk bestand jedoch von Beginn an durch eine ganz andere Einstellung der Hardcorekids24 sich selbst gegenüber und dem jugendtypisch rebellischen Verhalten, das sich im Punk der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts vor allem durch auffällige Outfits und Nonkonformismus, in Form öffentlichen Alkoholkonsums oder ähnlich provokanten Verhaltensweisen ausdrückte. Die „No-Future-Einstellung“ der Punkkultur wird im Hardcore positiv gewendet, was sich in einem weiteren zentralen Aspekt, namentlich positiv mental attitude25, zu Deutsch: einer positiven geistigen Haltung, zeigt. Noch heute kommunizieren Hardcorebands diese Tugenden über ihre Musik. PMA ist ein fester Bestandteil der Hardcoresubkultur und kann somit als Kritik und Antwort auf die als zu destruktiv, passiv und undifferenziert empfundene Protesthaltung der Punkkultur verstanden werden.26

Als Musikstil unterschied sich Hardcore anfangs kaum von Punk, lediglich die Inhalte der Texte waren andere. Es wurden mehr politische bzw. gesellschaftskritische Themen gewählt. Mit der Zeit kam es zu vielfältigen Differenzierungen und Abspaltungen, welche nicht nur musikalischen Charakter hatten, sondern auch die Inhalte und Einstellungen betrafen.

Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre zeigten sich optische Unterschiede zwischen den Anhänger_innen von Punk bzw. Hardcore. Das oft beobachtete Erscheinungsbild des Punk zeigt meist junge Menschen in zerrissenen Hosen, mit Nietengürteln, bunten Irokesenfrisuren und allerlei weiteren, möglichst schrillen Accessoires. Ganz anders dagegen sehen die meisten Hardcorekids aus. Sie tragen häufig Kapuzenpullover, Jeans und Caps, also keine besonders auffällige Bekleidung unter Jugendlichen. Erst beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass die Pullover, Shirts und Caps mit den Namen ihrer favorisierten Bands bedruckt sind, wodurch die Hardcorekids einerseits ihre Szenezugehörigkeit ausdrücken und andererseits die Bands unterstützen.27

Auf Shows – so die Bezeichnung für Konzerte in der Szenesprache – werden selbst produzierte CDs, Platten und Bekleidung verkauft. Der Eintritt ist mit 3–10 € für oftmals mehr als drei Bands sehr günstig. Hier kommt ein Ideal der Hardcorebewegung zum Tragen, welches aus der Punkbewegung stammt. Gemeint ist der Do-it-yourself-Ethos28. Beide Jugendkulturen vertreten weitgehend diesen Ansatz, welcher zum Teil um den Non-Profit-Gedanken erweitert wird. Es geht um Gemeinschaft und die Möglichkeit der Beteiligung aller. Sowohl der Eintritt für die Shows als auch die Gewinne aus den Kleidungs- und Medienverkäufen sollen lediglich der Deckung der Kosten der Bands dienen. Die Shows sind der Ort, an dem sich die Szene trifft, und hier werden durch die Songtexte der Bands, aber auch im Publikum, die szeneinternen Themen kommuniziert.

In diesem Kontext stellt sich die Jugendkultur Hardcore als eine Subkultur im oben definierten Sinn dar, da sie sich vom unreflektierten Konsumgedanken der Hauptkultur abgrenzt und ihren eigenen Platz im Rahmen der gesellschaftlich gegebenen Möglichkeiten findet. Die Bands und Szenegänger_innen sind keine kompletten Aussteiger_innen und müssen sich somit einigen Gegebenheiten fügen, aber sie versuchen innerhalb dieser ihre eigenen Werte und Normen zu verteidigen und das nunmehr seit über 30 Jahren. Bezogen auf die eingangs erwähnte Entwicklungsaufgabe des Konsumierens stellt Hardcore also der Hauptkultur ein zuweilen diametral wirkendes Konzept gegenüber, welches die Jugendlichen übernehmen oder sich davon abgrenzen können und neue, eigene Konzepte entwickeln. Auch im Hardcore sind verschiedenste Wandlungsprozesse und Abspaltungen zu beobachten, auf welche ich zum Teil eingehen werde, die in ihrer Gesamtheit und Komplexität aber den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem übersteigen würden.

Jugendtypisches Risikoverhalten wie Drogenkonsum, unvorsichtiges Sexualverhalten und ähnlich riskante Handlungsweisen sind in der Hardcoreszene ebenso zu finden wie in den meisten anderen Jugendkulturen. Die Auseinandersetzung mit diesen für die Lebensphase Jugend wichtigen Themen findet in den Texten vieler Bands ihren Platz und führte zu einer Gegenbewegung innerhalb des Hardcore.

4.1.2 Straight Edge – die Gegenbewegung zur Gegenbewegung

Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Straight-Edge bleibt es nicht aus, sich mit Songs der Hardcorepunkband Minor Threat zu befassen. Diese in den 1980er Jahren nur drei Jahre bestehende Band hat mit ihren Texten eine Bewegung ins Leben gerufen, welche bis heute besteht. Vor allem zwei Songs können als konstituierend angesehen werden. In ihnen werden die Grundsätze des Straight-Edge ausformuliert. Der erste Song stellt darüber hinaus den Namensgeber der Bewegung dar. Im Refrain ist der Satz „I’ve got the straight edge“ zu hören, und darin enthalten ist die bald als Bezeichnung für viele Anhänger_innen geltende Wortgruppe straight edge. Diese bedeutet in diesem Zusammenhang in etwa „nüchterner Vorteil“.

Minor Threat: „Straight Edge“

I’m a person just like you

But I’ve got better things to do

Than sit around and fuck my head

Hang out with the living dead

Snort white shit up my nose

Pass out at the shows

I don’t even think about speed

That’s something I just don’t need

I’ve got the straight edge

I’m a person just like you

But I’ve got better things to do

Than sit around and smoke dope

‘Cause I know I can cope

Laugh at the thought of eating ludes

Laugh at the thought of sniffing glue

Always gonna keep in touch

Never want to use a crutch

I’ve got the straight edge29

Der Song kritisiert den Umgang der meisten Szeneangehörigen und der vorherrschenden Jugendkultur mit Drogen aller Art. Er beginnt mit der Aussage: „Ich bin eine Person genau wie du“. Damit wird deutlich, dass sich der Text nicht missionarisch gegen die anderen richtet, sonder eher die Verteidigung der eigenen Sicht der Dinge darstellt. Zu dieser Zeit gab es eine hohe Erwartungshaltung...

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