Sie sind hier
E-Book

Kursbuch 196

Religion, zum Teufel!

VerlagKursbuch Kulturstiftung gGmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783961960385
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Während die ersten Weihnachtsmärkte öffnen und wieder einmal diskutiert wird, ob es nicht aus Rücksicht auf andere Gläubige 'Wintermarkt' heißen müsse und sich der Einzelhandel sowieso längst dem Gott des Mammons verschrieben hat, hallt die Aufforderung des Kursbuchs durch die Dunkelheit: 'Religion, zum Teufel!' Eine besondere Stellung in diesem Kursbuch nimmt der Beitrag von Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff ein, der systematische Gedanken über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche anstellt. Weitere Essays kommen von Islamwissenschaftler Reinhard Schulze, Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen und Soziologe Aladin El-Mafalaani, einen Gastbeitrag steuert Gesundheitsminister Jens Spahn bei.

Seit 2012 erscheint das Kursbuch unter der Herausgeberschaft von Armin Nassehi und Peter Felixberger. ARMIN NASSEHI (*1960) ist Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und einer der wichtigsten Public Intellectuals in diesem Land. Im Murmann Verlag veröffentlichte er unter anderem 'Mit dem Taxi durch die Gesellschaft', in der kursbuch.edition erschien 'Gab es 1968? Eine Spurensuche'. PETER FELIXBERGER (*1960) ist Programmgeschäftsführer der Murmann Publishers. Als Buch- und Medienentwickler ist er immer dort zur Stelle, wo ein Argument ans helle Licht der Aufklärung will. Seine Bücher erschienen bei Hanser, Campus, Passagen und Murmann. Dort auch sein letztes: 'Wie gerecht ist die Gerechtigkeit?'. Das Kursbuch wurde 1965 von Hans Magnus Enzensberger zusammen mit Karl Markus Michel gegründet. Als einer der wichtigsten kritischen Begleiter der bundesdeutschen Öffentlichkeit setzte die Kulturzeitschrift Themen, die sonst nicht auf der öffentlichen Agenda standen. Demgegenüber gilt es heute, im vorhandenen Themendickicht neue Schneisen zu schlagen und überraschende und ungewohnte Verbindungen herzustellen. Unter der Herausgeberschaft von Peter Felixberger und Armin Nassehi bietet das Kursbuch solche neuen unerwarteten Perspektiven an. Nicht die großen Unterschiede werden diskutiert, sondern das, was einen Unterschied macht.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Armin Nassehi
Editorial

Die aktuelle Theodizee-Frage lautet: Wie konnte Gott es zulassen, dass es dieses Kursbuch gibt? Über Religion, zum Teufel! Wir wissen es nicht, wir nehmen es nur als Hinweis, dass er womöglich nur sporadisch in seine Schöpfung eingreift. Allmächtigkeit ist ja nicht unbedingt eine Verpflichtung, sich um alles zu kümmern. Oder er hat uns einfach gelassen, um zu sehen, was dabei herauskommt. Dass der Teufel, der Diabolos, der Durcheinanderwerfer, mit auf dem Titel steht, bitten wir nicht nur zu entschuldigen, sondern auch wörtlich zu nehmen, denn wenn es ums Religiöse geht, scheint vieles eher durcheinandergeworfen zu sein, konflikthaft, unversöhnlich, polemogen. Aber das ist sein Job. Der katholische Katechismus jedenfalls versichert uns: Seine Macht ist endlich, weil er selbst nur Geschöpf ist und nicht Gott. Wenn er Geschöpf ist, gründet er also selbst in Gott, der sich etwas dabei gedacht haben muss. Wahrscheinlich deshalb dürfen wir auch ein Kursbuch über Religion machen, zum Teufel!

Unser Zugriff ist eher traditionell und wenig tricky. Wir meinen das mit der Religion wirklich ernst. »Religion« ist uns nicht einfach Chiffre für Religionsersatz, Sinnsuche oder nur Metapher, sondern die Beiträge dieses Kursbuchs setzen direkt an konkreten religiösen Phänomenen an. Einen Schwerpunkt bildet der Islam – im Beitrag von Johanna Pink wird darüber aufgeklärt, wie naiv die Rezeption des Koran erfolgt. Die beliebte Technik, sich die passende Sure für die eigene gewünschte Wirkung durch Wörtlichkeit und Dekontextualisierung von Text zurechtzulegen, konfrontiert die Islamwissenschaftlerin mit dem Hinweis auf die »störrische Mehrdeutigkeit der Schrift« – eine wunderbare Formulierung. Monika Wohlrab-Sahr diskutiert die Frage, inwiefern Säkularität nicht nur ein westliches Muster, sondern auch in anderen religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen aufzufinden ist, auch in der islamischen Tradition. Sie misstraut ebenso traditionalistischen wie auch postkolonialen Festlegungen etwa des Islam darauf, das ganz Andere des Westens zu sein. Aladin El-Mafaalani macht in seinem Beitrag auf die Anfälligkeit des Islam für Extreme aufmerksam – es paaren sich Erfahrungen der selbst erlebten Schwäche mit denen eines Überlegenheitsgefühls, womit er eine Teilerklärung für das Potenzial und die Limitationen religiöser Identifikation für migrantische Jugendliche in Deutschland präsentiert.

Der Beitrag von Reinhard Schulze weist auf die grundlegende Verwandtschaft der islamischen und der christlichen Tradition im Hinblick auf das Verhältnis von Religion und Staat hin, ähnlich wie Wohlrab-Sahr zielt sein Beitrag nicht darauf, hier Differenzen einebnen zu wollen, aber doch darauf, hinzuweisen, dass die Differenzierungserfahrung zwischen Religion und säkularer Sphäre keine westliche Exklusivität besitzt. Der Beitrag ist hochaktuell – was deshalb erwähnt werden muss, weil er genau 30 Jahre alt ist. Wir drucken den Beitrag des Berner Islamwissenschaftlers aus dem Kursbuch 93 von 1988 nach, das den Titel Glauben hatte. Die Aktualität des Themas wie auch die Aktualität, auf die Parallelität mancher historischer Antezedenzbedingung der heutigen Situation nach 30 Jahren erneut hinweisen zu müssen, war uns Anlass, diesen Text mit freundlicher Genehmigung des Autors in dieses Kursbuch aufzunehmen.

Das Verhältnis von Politik/Staat und Religion ist auch das Thema des Beitrags von Karsten Fischer, der die Untiefen des Verhältnisses von Religion und Kirche zum liberalen Verfassungsstaat auslotet und über die Versöhnung von religiösen Ansprüchen und Demokratie nachdenkt. Mein eigener Beitrag nimmt das Verhältnis von Religion und Politik anders in den Blick: Er versucht, die Politisierbarkeit des Religiösen in weltgesellschaftlichen Konfliktlagen mit einer Teilanaloge der Funktionen von Politik und Religion zu erklären. Johann Hinrich Claussen schließlich hat auch Widersprüchlichkeiten im Fokus: Er fügt sechs »Mosaiksteine« aneinander, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Verhältnis und der Bedeutung von Migration und Religion beschäftigen, und zwar in den USA in Zeiten Trumps, im postkolonialen Frankreich mit seinem Umgang mit dem Islam und in Deutschland, das ganz unterschiedliche Facetten dieses Zusammenhangs aufweist.

Das Verhältnis von Politik und Religion ist auch Thema eines Gastbeitrags, den wir in dieses Kursbuch aufgenommen haben, nämlich von Jens Spahn, CDU-Politiker und Bundesgesundheitsminister. Warum Jens Spahn? Spahn hat öfter darauf hingewiesen, dass er als konservativer und nach Selbstauskunft eher pragmatischer Politiker sich selbst in seiner Politik durchaus religiös motiviert sieht, aber Religion nicht in erster Linie als Generator von Moral versteht. Wir haben Spahn um diesen Beitrag gebeten, weil wir uns davon Auskunft versprochen haben, wie denn diese Differenz zu anderen politischen Selbstpositionierungen als religiöser Politiker aussehen könnte. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Spahn sein Bekenntnis zur und seine Erklärung der Demokratie durchaus mit einer religiösen Begründung verbindet.

Diedrich Diederichsen entwickelt auf der Suche nach dem Verhältnis von Pop-Musik und Religion eine ungewöhnliche These. Für ihn liegt das religiös-ekstatische Potenzial der Pop-Musik in der Überwindung der Distanz von Intimsphäre und öffentlicher Sichtbarkeit. Die Rezeption von Pop-Musik lebt davon, dass Bilder, körperliche Erfahrung und musikalische Praxis durch die technische Visibilisierung und ständige Wiederholung zu so etwas wie Offenbarungserfahrungen führen. Die technische Aufzeichnung ist hier gewissermaßen der Träger religiöser Erfahrung.

Die stärkste These dieses Kursbuchs entwickelt ohne Zweifel der Salzburger katholische Theologe Gregor Maria Hoff, den wir gebeten haben, systematisch über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche nachzudenken. Er nähert sich dem Thema nicht nur moralisch und nicht mit der Geste des zwar ehrlichen, aber letztlich folgenlosen Bedauerns, wie man es von der Kirche bis dato gehört hat. Er argumentiert sehr radikal, indem er die Wurzel des Missbrauchsskandals direkt im Klerikalismus und daraus resultierenden Amtsverständnis des katholischen Priesters auffindet. Er spricht von einer Sakralisierungsfalle, in die man weiter tappen wird, wenn es nicht gelingt, hier grundlegend am Amts- und Kirchenverständnis der Kirche selbst zu rütteln. Radikalisiert man seine These, dann waren es nicht nur Priester in mehr oder weniger großer Zahl, die sich hier schuldig gemacht haben, sondern die Kirche als solche.

Besonders freuen wir uns über die kleine Geschichte »Drei Tannen« von Sibylle Lewitscharoff. Sie handelt von drei Tannen auf der Flucht. Der Ton der Geschichte kommt in diesen zwei Sätzen wunderbar zum Ausdruck: »Sie wollen jetzt bestimmt wissen, wie es Tannen schaffen können, einfach mal so davonzulaufen, schließlich haben sie keine zwei Beine, sondern bloß einen Stamm. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht.« Das stimmt – aber lesen Sie selbst.

Ralph Niese war zweifellos der spannendste Beiträger dieses Kursbuchs. Denn er hat es mit seinem Abgabetermin verteufelt aufregend gemacht. Wir waren aber von seinen Bildern so angetan, dass wir die Begriffe Redaktionsschluss und Druckdatenabgabe mit hohen Freiheitsgraden ausstatteten. Am Ende lieferte der Character Designer, Comic Artist und Illustrator dann doch noch. Die künstlerische Vielfalt seiner Teufel öffnet die Türen in Fantasie- und unbewusste Zwischenwelten. Ein echter Kontrapunkt.

Der Brief einer Leserin, inzwischen mit der Ordnungsnummer 23, kommt diesmal von Elke Buhr, Chefredakteurin von Monopol – Magazin für Kunst und Leben. Elke Buhr hat nach Erscheinen des Kursbuchs 195 an den Verlag geschrieben und bat, man möge den »Herren Herausgebern« mitteilen, dass das Missverhältnis von 14 Autoren gegenüber einer Autorin die Wirklichkeit nicht adäquat abbilden könne. Recht hat sie, auch wenn es immerhin zwei Autorinnen waren. Wir haben Elke Buhr eingeladen, den Brief einer Leserin für dieses Kursbuch zu übernehmen, um uns das genauer zu erklären. Wir freuen uns, dass sie diese Einladung angenommen hat. Wenigstens hinweisen möchten wir darauf, dass die Zahl der angefragten und die Zahl der dann wirklich schreibenden Frauen erheblich, um nicht zu sagen: eklatant differiert – und wir wissen, dass wir mit dieser Erfahrung nicht unbedingt alleine sind. Wir wissen es von anderen Redaktionen und Herausgebern, und Elke Buhr berichtet es selbst in ihrem Brief.

Über die Gründe ließe sich trefflich verhandeln. Sie haben ganz sicher auch damit zu tun, dass Männer es womöglich gewohnter sind, zuzusagen, bevor sie genau wissen, ob sie es können. Diese Erfahrung des eher Skrupulösen mache ich zugegebenermaßen bisweilen auch als Hochschullehrer – und versuche dem durchaus aktiv zu begegnen. Dass manchmal bei der Auswahl von Personen uns durchaus potenzielle Autorinnen verborgen bleiben, wollen wir gerne konzedieren – ebenso wie wir versichern, hier noch genauer hinzusehen.

Aber – und es ist doch kein unbedeutendes Aber: Nicht teilen können wir einige der Prämissen, die den Ärger von Elke Buhr nähren. Eine davon ist, dass der Unterschied der Autorengeschlechter sich eins zu eins auf die Sache übertragen lässt, wenn uns, wenigstens in eine Frage verkleidet, vorgerechnet wird, dass wir offensichtlich »Gegenwart und Zukunft der Medien« zu 87,5 Prozent für...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Ethik - Moral

Erfolgsfaktor Verantwortung

E-Book Erfolgsfaktor Verantwortung
Corporate Social Responsibility professionell managen Format: PDF

Unternehmerische Wohltaten sind nicht neu: Spenden haben beispielsweise eine lange Tradition. Neu hingegen sind die Professionalisierung des unternehmerischen Engagements und die Verkettung mit der…

Erfolgsfaktor Verantwortung

E-Book Erfolgsfaktor Verantwortung
Corporate Social Responsibility professionell managen Format: PDF

Unternehmerische Wohltaten sind nicht neu: Spenden haben beispielsweise eine lange Tradition. Neu hingegen sind die Professionalisierung des unternehmerischen Engagements und die Verkettung mit der…

Erfolgsfaktor Verantwortung

E-Book Erfolgsfaktor Verantwortung
Corporate Social Responsibility professionell managen Format: PDF

Unternehmerische Wohltaten sind nicht neu: Spenden haben beispielsweise eine lange Tradition. Neu hingegen sind die Professionalisierung des unternehmerischen Engagements und die Verkettung mit der…

Erfolgsfaktor Verantwortung

E-Book Erfolgsfaktor Verantwortung
Corporate Social Responsibility professionell managen Format: PDF

Unternehmerische Wohltaten sind nicht neu: Spenden haben beispielsweise eine lange Tradition. Neu hingegen sind die Professionalisierung des unternehmerischen Engagements und die Verkettung mit der…

Organmangel

E-Book Organmangel
Ist der Tod auf der Warteliste unvermeidbar? Format: PDF

Der Mangel an Spenderorganen in der Transplantationsmedizin ist ein drängendes medizinisches und gesellschaftliches Problem. Die vorliegende interdisziplinäre Studie geht den Ursachen des…

Organmangel

E-Book Organmangel
Ist der Tod auf der Warteliste unvermeidbar? Format: PDF

Der Mangel an Spenderorganen in der Transplantationsmedizin ist ein drängendes medizinisches und gesellschaftliches Problem. Die vorliegende interdisziplinäre Studie geht den Ursachen des…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

AUTOCAD Magazin

AUTOCAD Magazin

Die herstellerunabhängige Fachzeitschrift wendet sich an alle Anwender und Entscheider, die mit Softwarelösungen von Autodesk arbeiten. Das Magazin gibt praktische ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

crescendo

crescendo

Die Zeitschrift für Blas- und Spielleutemusik in NRW - Informationen aus dem Volksmusikerbund NRW - Berichte aus 23 Kreisverbänden mit über 1000 Blasorchestern, Spielmanns- und Fanfarenzügen - ...

Deutsche Tennis Zeitung

Deutsche Tennis Zeitung

Die DTZ – Deutsche Tennis Zeitung bietet Informationen aus allen Bereichen der deutschen Tennisszene –sie präsentiert sportliche Highlights, analysiert Entwicklungen und erläutert ...

e-commerce magazin

e-commerce magazin

e-commerce magazin Die Redaktion des e-commerce magazin versteht sich als Mittler zwischen Anbietern und Markt und berichtet unabhängig, kompetent und kritisch über ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...

Evangelische Theologie

Evangelische Theologie

Über »Evangelische Theologie« In interdisziplinären Themenheften gibt die Evangelische Theologie entscheidende Impulse, die komplexe Einheit der Theologie wahrzunehmen. Neben den Themenheften ...