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Smartphones, Gesundheit, Bildung und Gesellschaft
Smartphones beeinträchtigen die Gesundheit und die Bildung junger Menschen und stellen zudem eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft dar. Betrachten wir einige Beispiele.
Eine Mutter beklagt mir gegenüber: Ihr Sohn habe sie beim Versuch, ihm das Handy abzunehmen, in die Hand gebissen. Ein klares Zeichen von Sucht! In Südkorea liegt der Anteil der Smartphone-süchtigen jungen Menschen bei über 30 Prozent. Eine im Oktober 2015 publizierte deutsche Studie zur Smartphone-Nutzung bei fünfhundert 8- bis 14-Jährigen berichtet von 8 Prozent Suchtgefährdung.
Krankenkassen warnen vor Social-Media-Sucht: 12- bis 17-Jährige in Deutschland verbringen täglich im Schnitt fast drei Stunden in sozialen Netzwerken. Laut einer DAK-Umfrage sind 2,6 Prozent der Jugendlichen süchtig nach WhatsApp, Instagram, Snapchat, Facebook und Twitter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit dem Erscheinen der neuen internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) am 18. Juni 2018 die Computer- und Online-Spielsucht als Krankheit anerkannt.
Ein 17-jähriger Schüler spielt während des Unterrichts ein Musikvideo auf seinem Smartphone ab und wird von seiner 54-jährigen Mathematik- und Deutschlehrerin mehrfach aufgefordert, dies sein zu lassen. Der Schüler kommt dieser Aufforderung nicht nach. »Sie können mich nicht zwingen« habe er stattdessen gesagt und die Lehrering mit unflätigen Wörtern (»f***«) beschimpft. Daraufhin wirft die Lehrerin das Smartphone des Schülers aus dem Fenster. Sie wird in erster Instanz wegen Fehlverhaltens verurteilt, in zweiter Instanz jedoch wieder freigesprochen.
Die Anzahl der Selbstmorde von Mädchen und jungen Frauen hat sich in den USA innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Man ging den Ursachen nach und fand, dass die Suizidalität, also die mittels psychologisch-psychiatrischer Untersuchungsverfahren bestimmte Neigung, einen Selbstmord zu begehen, mit jeder zusätzlichen Stunde der Verwendung digitaler Medien zunahm. Eine britische Studie an über tausend Mädchen fand: Wer im Alter von 13 Jahren mehr als drei Stunden täglich in Facebook ist, leidet mit 18 Jahren doppelt so häufig an einer Depression.
Schon das Fernsehen führte zu Übergewicht; Videos, DVDs und Computerspiele verschärften das Problem; Smartphones machen es nicht besser. Der Aktionsradius von Kindern und Jugendlichen hat sich innerhalb von 30 Jahren um 90 Prozent verringert. Bewegungsmangel und Übergewicht gehören weltweit zu den am besten nachgewiesenen Nebenwirkungen von Bildschirmmedien.
Computer und Smartphones schaden der Bildung: Weder deutsche noch internationale Studien konnten bislang einen positiven Einfluss von Computern oder Internetanschluss auf das Lernen an Schulen nachweisen.
Negative Auswirkungen sind hingegen klar nachgewiesen: Eine Analyse der PISA-Daten von mehr als 50 Ländern über zehn Jahre hinweg beispielsweise ergab: je mehr Geld in einem Land in digitale Infrastruktur (Computer, WLAN im Klassenzimmer) investiert wurde, desto eher haben sich die Leistungen der Schüler in diesem Land verschlechtert.
Das Smartphone auf dem Schreibtisch reduziert das Denkvermögen und den Intelligenzquotienten – einfach nur dadurch, dass es da liegt, also selbst dann, wenn es nicht verwendet wird. Es lenkt offenbar allein durch seine Präsenz ab, denn man könnte es ja verwenden.
Smartphones unterminieren das gegenseitige Vertrauen der Menschen in einer Gesellschaft und die Grundfesten unserer Demokratie.
»Die Falschheit ist schon um die halbe Welt, wenn sich die Wahrheit noch die Schuhe anzieht«. So lautete ein Kommentar zu einer im Fachblatt Science im März 2018 publizierten Untersuchung von 126 000 Twitter-Nachrichten, die insgesamt 4,5 Millionen Mal weitergeleitet wurden.
YouTube radikalisiert die Weltbevölkerung in einem nie dagewesenem Ausmaß; und Facebook spioniert uns aus, obwohl es dies nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung definitiv nicht darf.
Bildschirmmedien, Informationstechnik, Digitalisierung
Digitale Informationstechnik (IT), d. h. weltweit vernetzte Computer mit immer größerer Leistungsfähigkeit, hat seit Anfang der 80er Jahre zunächst langsam und dann mit immer schnellerer Geschwindigkeit Einzug in unser berufliches und privates Leben gehalten – von morgens früh bis spät in die Nacht hinein und von der Wiege bis zur Bahre. Nicht nur in den entwickelten Ländern, sondern mittlerweile oft auch in Ländern der »zweiten Welt« oder gar den Entwicklungsländern (»Dritte Welt«), werden schon Säuglinge vor den Fernsehapparat oder den Tablet-Computer gesetzt noch bevor sie laufen oder sprechen können. Ihre Eltern sind stolz, wenn sie als 2- bis 4-Jährige über Bildschirme wischen, das TV-Programm auswählen, oder YouTube-Videos und Spiele selbständig aufrufen – oft mehrere Stunden am Tag. Das Durchschnittsalter, in dem kleine Kinder mit der Nutzung digitaler Medien beginnen, hat sich in den vergangen Jahren dramatisch verringert, während sich die tägliche Zeit der Nutzung ebenso dramatisch erhöht hat.
Nach einer im Februar/März 2015 durchgeführten repräsentativen Untersuchung aus den USA an 2658 Personen zwischen 8 und 18 Jahren lag die Nutzung von Bildschirmmedien der 8- bis 12-jährigen Kinder bei sechs Stunden und bei 13- bis 18-Jährigen waren es neun Stunden – pro Tag!1 Bei Erwachsenen ist die Lage nicht besser: Nach einer ebenfalls repräsentativen Studie aus den USA an 1786 Eltern von Kindern im Alter von 8 bis 18 Jahren verbringen diese täglich im Mittel neun Stunden und 22 Minuten mit Medien, davon eine Stunde und 39 Minuten bei der Arbeit und sieben Stunden 43 Minuten in der Freizeit. 51% geben an, mehr als acht Stunden täglich mit Medien zu verbringen, nur 19% der Eltern geben dagegen weniger als vier Stunden tägliche Medienzeit an.2
Noch vor etwa 25 Jahren war das anders: Die Menschen sahen zwei bis drei Stunden täglich fern – und das war’s. Dennoch hatte dies – wie wir heute aus sehr sorgfältig durchgeführten Langzeitstudien wissen – bereits deutliche negative Auswirkungen: Je mehr Stunden pro Tag Kinder und Jugendliche vor dem Fernseher verbringen, desto eher leiden sie als Erwachsene später an Übergewicht,3 desto geringer ist ihre Bildung4 und desto aggressiver wird ihr Verhalten.5, 6 Dass das Fernsehen dick, dumm und aggressiv macht, wird zwar bis heute oft bestritten, ist jedoch nach dem Stand der wissenschaftlichen Forschung etwa ebenso klar und eindeutig nachgewiesen wie der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs.7
Mit der weiten Verbreitung von Videorekordern und später dem Aufkommen von Videospielen stieg der Konsum von Bildschirm-Medien stetig an. Hinzu kam ab etwa 1982 der Personal Computer (PC), der aber erst nach fallenden Preisen in den 90er Jahren eine weitere Verbreitung fand. PCs kosteten während der ersten zehn Jahre am Markt etwa so viel wie ein Auto. Sie zogen erst dann in nahezu jeden Haushalt ein, als ihr Preis eher dem von Stereoanlagen vergleichbar wurde. Vor etwa zehn Jahren lag die tägliche Bildschirm-Medien-Nutzung junger Leute im Alter von acht bis 18 Jahren bei etwa fünf bis sechs Stunden.8 Bereits damals machte man sich in der medizinischen Fachliteratur öfters Gedanken zu den längerfristigen Auswirkungen dieser Tatsache auf das Verhalten und die Gesundheit junger Menschen.9
Die Dosis macht das Gift. Diese auf den Schweizer Mediziner Paracelsus (1493–1541) zurückgehende Weisheit wurde immer deutlicher, ebenso die...