Herz: Motor des Lebens
1. Wie funktioniert unser Herz? Solange das Herz einwandfrei arbeitet, machen wir uns keine Gedanken. Wir nehmen dies als selbstverständlich hin. Erst wenn Störungen auftreten oder ein Versagen droht, wird uns bewusst, dass das Funktionieren dieses Organes nicht so selbstverständlich ist, wie wir denken. Einige Beobachtungen machen uns die Funktion des Herzens klar:
Wenn das Herz nicht mehr schlägt, bricht der Kreislauf zusammen, das Gehirn wird nicht mehr durchblutet und innerhalb von Minuten tritt der Tod ein.
Das Herz schlägt von selbst. Wenn man es dem Tier oder Menschen entnimmt, schlägt es weiter und bestimmt selbst seinen Takt. Es muss daher über eine eigene elektrische Kommandozentrale verfügen, die die elektrischen Impulse bildet und weiter an den Herzmuskel abgibt.
Schaltet man die elektrische Kommandozentrale aus, kann das Herz trotzdem weiterschlagen, wenn es elektrisch durch Stromimpulse dazu angeregt wird. Mit anderen Worten: Der Herzmuskel verfügt über eine ihm eigene Fähigkeit, sich zusammenzuziehen und nachfolgend zu erschlaffen.
Wie aber arbeitet das Herz? Es arbeitet wie eine Druck-Saug-Pumpe. Während der Druckphase wirft es das Blut in die Körperschlagader aus, während der Saugphase füllt es sich mit Blut aus den Herzvorhöfen. Das rechte und das linke Herz arbeiten parallel. Das rechte Herz wirft das Blut in die Lungenstrombahn aus, das linke gleichzeitig sein Blut in die Körperschlagader. Somit arbeitet das Herz ganz ähnlich wie ein Automotor, die Zündung erfolgt durch die elektrische Kommandozentrale, sie bestimmt den Takt des Herzens, die eigentliche Arbeit leistet der Herzmuskel mit seinem Zusammenziehen und Erschlaffen.
Um die Flussrichtung des Blutes im Herzen zu steuern, befinden sich zwischen Herzvorhöfen und Herzkammern sowie zwischen Herzkammern und abgehenden großen Gefäßen Herzklappen. Sie lenken den Blutfluss in die gewünschte Richtung und verhindern wie Schleusentore seinen Rückstrom in die unerwünschte Richtung.
Versorgt wird der Herzmuskel durch die Herzkranzgefäße. Diese entspringen unmittelbar oberhalb der Aortenklappe aus der großen Körperschlagader, teilen sich in ein weitverzweigtes Netzwerk und versorgen den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Dieser kleine Motor ist ein Pumpwerk von unglaublicher Ausdauer und Präzision. Bei etwa 100.000 Herzschlägen pumpt er mehr als 7000 Liter Blut pro Tag. Im Laufe eines Lebens sind das über 200 Millionen Liter Blut.
Abbildung 1: Schema des Herzens
2. Woher nimmt das Herz seine Kraft? Was gibt unserem Herzen die Kraft, sich über 100.000 Mal pro Tag zusammenzuziehen und zu erschlaffen und tonnenweise Blut in den Körper zu pumpen? Die elektrischen Impulse werden vom Reizleitungssystem auf die Herzmuskelzellen übertragen. Diese sind in der Lage, ihre elektrische Erregung von Zelle zu Zelle und schließlich auf den ganzen Herzmuskel weiterzuleiten. Damit hören alle Herzmuskelzellen auf ein Kommando.
Das Zusammenziehen erfolgt durch fadenförmige Eiweißmoleküle, die in Längsrichtung und zueinander parallel in den Herzmuskelzellen angeordnet sind. Immer wenn sich eine Herzmuskelzelle zusammenzieht, schieben sich die Eiweißfäden wie Teleskope ineinander. Dies führt zur Verkürzung der Herzmuskelzelle und damit zu einem Zusammenziehen des Herzmuskels. Beim Erschlaffen passiert genau das Umgekehrte: Die Eiweißfäden gleiten in ihre Ausgangslage zurück.
Die hierzu notwendige Energie wird in den Herzmuskelzellen als chemische Energie in Form energiereicher Phosphate (hauptsächlich Adenosintriphosphat ATP) gespeichert. Beim Ineinandergleiten der Eiweißfäden werden ATP und Sauerstoff verbraucht. ATP muss ständig erneut aufgebaut werden. Hierzu müssen Sauerstoff und Nährstoffe fortlaufend über das Transportsystem Blut zur Verfügung gestellt werden.
Der Vermittler zwischen dem elektrischen Prozess an der Zelloberfläche (Erregung der Herzmuskelzellen) und der Auslösung des Zusammenziehens der Herzmuskelzelle ist das zweiwertige Kalzium-Ion. Dieses ist in geringen Mengen im Inneren der Herzmuskelzelle vorhanden. Kommt es zur elektrischen Erregung der Zelle, strömt Kalzium in die Herzmuskelzelle ein und wird aus intrazellulären Speichern freigesetzt. Die Kalziumkonzentration steigt um das etwa Hundertfache. Dieser Anstieg löst das Zusammenziehen der Eiweißfäden und damit die Kontraktion der Herzmuskelzelle aus. Die Erschlaffung erfolgt dadurch, dass Kalzium erneut in intrazelluläre Speicher (sarkoplasmatisches Retikulum) aufgenommen wird.
Die häufigste Ursache für ein Versagen des Herzens ist der Mangel an ATP als Energielieferant. Hierzu kommt es etwa beim Herzinfarkt, wenn infolge der Verstopfung des Herzkranzgefäßes mit einem Blutgerinnsel kein sauerstoffreiches Blut und keine Nährstoffe zu den Herzmuskelzellen gelangen. Ohne genügend Sauerstoff kann ATP nicht ausreichend gebildet werden, hierdurch erfolgt der Zusammenbruch des normalen Kontraktionsablaufes mit Zusammenziehen und Erschlaffen des Herzmuskels.
3. Wie treibt das Herz das Blut in den Kreislauf? Alle Anstrengungen des Herzens wären sinnlos, würde es nicht über den Kreislauf alle Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen und die Abfallprodukte abtransportieren. Nur wenn dieser Transportvorgang funktioniert, können wir überleben.
Um Anatomie und Funktion des Kreislaufs zu verdeutlichen, setzen wir uns gedanklich auf ein rotes Blutkörperchen und schwimmen mit dem Blutstrom.
In der unteren Hohlvene steigen wir zu. Das Blut fließt hier langsam in Richtung Herz. Wir gelangen in den rechten Vorhof, in dem das Blut der unteren und oberen Hohlvene zusammenfließt. Über die Trikuspidalklappe erreichen wir die rechte Herzkammer und werden von dieser in die Lungenarterie ausgeworfen. Diese verzweigt sich in die beiden Lungenarterien und schließlich in kleinere Gefäße. Wir bewegen uns deutlich schneller als in der unteren Hohlvene und gelangen in immer dünnere Röhren und schließlich bis in feinste Haargefäße. Durch die muss sich unser Gastgeber förmlich hindurchzwängen. Beim direkten Kontakt mit der jetzt hauchdünnen Gefäßwand wird Kohlendioxyd als Abfallgas abgegeben und frischer Sauerstoff aufgenommen. Das bis dahin dunkelrote Blut wird deutlich hellrot. Mit dem «frischen Blut» gelangen wir in die immer weiter werdenden Lungenvenen und so schließlich im langsamen Blutstrom in den linken Herzvorhof. Von jetzt an geht alles rasend schnell.
Über die Mitralklappe werden wir – unser Gastgeber mit uns – in die linke Herzkammer gesaugt. Durch sanften Druck hilft der Herzvorhof nach. Jetzt ziehen sich die Wände der muskelstarken linken Herzkammer mit großer Kraft zusammen und werfen uns durch die Aortenklappe mit hohem Druck und starker Beschleunigung in die Körperschlagader aus. Wir rasen an den Abgängen großer Gefäße vorbei, bis wir schließlich wie von selbst in einem großen abzweigenden Gefäß landen. Hier erleben wir Ähnliches wie im Lungenkreislauf. Die Gefäße verzweigen sich und werden zunehmend enger, bis sie schließlich so eng werden, dass sich unser Gastgeber geradezu durchzwängen muss. In diesen Haargefäßen (Kapillaren) wird der Sauerstoff an das Gewebe abgegeben und Kohlendioxyd und andere Abfallprodukte des Gewebestoffwechsels aufgenommen. Nach Passage der Kapillaren gelangen wir in zunehmend weite Venen und schließlich in die große Hohlvene. Damit schließt sich der Kreislauf.
Abbildung 2: Großer Körperkreislauf
4. Wie werden Herz und Kreislauf gesteuert? Wenn wir aufgeregt oder angespannt sind, schlägt unser Herz schneller und kraftvoller, wenn wir uns entspannen, hingegen langsamer und weniger stark. Diese Vorgänge laufen auch dann ab, wenn wir gar nicht daran denken. Unser Herz schlägt ebenfalls schneller, wenn wir uns körperlich belasten, und kräftiger, wenn wir sportlich aktiv sind.
Steuert das Gehirn diese Abläufe? Wenn ja, wie gibt das Gehirn seine Weisungen an das Herz? Findet ein Wechselgespräch zwischen beiden Organen statt? Diese Fragen kann man heutzutage beantworten.
In der Tat gibt es ein Wechselgespräch zwischen Gehirn und Herz. Nur so kann sich das Herz den Anforderungen des Alltags anpassen. Zwischen beiden Organen...