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Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft

VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783406736711
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Das kleine Standardwerk informiert in rund 1000 Artikeln über bekannte und weniger bekannte deutsche Wörter jiddischer Herkunft. Es beschreibt ihre ursprüngliche Bedeutung im Jiddischen und Hebräischen, zeigt die Wege der Entlehnung ins Deutsche auf und geht Besonderheiten des Gebrauchs sowie Problemen historischen Missbrauchs nach.
Zocker an der Börse machen Reibach oder gehen Pleite. Im Falle eines Schlamassels gibt es Zoff, und mit dem Schlemiel wird Tacheles geredet. - Wörter aus dem Jiddischen werden heute von jedermann gebraucht, ohne dass man sich dessen immer bewusst ist. Sie waren bis ins 20. Jahrhundert Zeichen der jüdischen Familiensprache, gehören teilweise zu historischen Geheimsprachen wie dem Rotwelschen und sind heute Bestandteil eines modischen Jargons. Das kleine Lexikon stellt diesen besonderen Wortschatz in seinen signifikanten Erscheinungen vor.

Hans Peter althaus ist Professor em. für Germanistische Linguistik an der Universität Trier und einer der führenden Experten für den jiddischen Lehnwortschatz im Deutschen.

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Leseprobe

Einleitung


In diesem Buch findet man Wörter, die jeder kennt, und solche, die nur Eingeweihten geläufig sind. Sie sind zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Wegen aus dem Jiddischen ins Deutsche gekommen oder wurden hier von einem jiddischen Wort abgeleitet. Das wissen bei dufte und kess meist nur Fachleute. Auch bei mies und schmusen würde man es heute kaum mehr vermuten. Dagegen wirken Floskeln wie Chalaumes mit Backfisch oder Massel und Broche zumindest in Teilen fremd. Wörter wie Boser und Beheime oder kapores und mechulle sind nur undeutlich bekannt. Andererseits sind Ausdrücke wie Chuzpe, Schmus und Tacheles oder Zocker, Zoff und Zores heute wieder in aller Munde. Bei betucht denken manche an Tuch, bei Schlamassel an Schlamm.

Etliche dieser Ausdrücke sind Kennzeichen. Eine Macke ist ein Fehler, den man bei Menschen beklagt und bei Waren nicht akzeptiert. Bei einem Malocher unterstellt man, daß er im Ruhrgebiet zu Hause ist oder mit schwerer Arbeit seinen Lebensunterhalt verdient. Wer an Baldower, Knast und Schmiere stehen denkt, hat die Niederungen des Lebens im Sinn. Mit dem Gebrauch von Ausdrücken wie Pore oder pattersch waren Metzger und Viehhändler früher sogleich im Bilde. Von einer Mezzie oder Tinnef sprachen dagegen Kaufleute.

Wenn von einer Schickse oder einem Schabbesgoi die Rede war, wurden mit den Wörtern auch ganz bestimmte Sozialverhältnisse aufgerufen. Ob etwas koscher oder treife war, machte für Juden einen großen Unterschied. Daß etwas nicht ganz koscher sein kann, wissen heutzutage viele. Das Gegenwort ist jedoch nahezu unbekannt. Jüdische Intellektuelle beschimpften sich als Assesponem, jüdische Hausierer verstanden sich als Medienegeier, Bankrotteure waren Pleitegeier. Auch vermeintlich eindeutige Ausdrücke wie lernen oder Schul können eine ganz unerwartete Färbung annehmen. Dann ist auch eine Levkoje keine Blume mehr.

Solche und andere Ausdrücke sind in diesem Lexikon gesammelt und erklärt. Das Wortverzeichnis bietet in alphabetischer Reihenfolge Wörter jiddischer Herkunft, die heute in der Verkehrssprache üblich sind. Außerdem sind Ausdrücke aufgenommen, die nicht allgemein bekannt sind, denen man aber doch in älteren oder neueren Texten begegnen kann, ohne daß sie jeweils erklärt würden. Das ist bei Briefen, Tagebüchern, Erzählungen und Romanen jüdischer Autoren immer wieder der Fall. Manche Wörter kommen auch in anderen Schriften oder in der Presse vor. Seit dem 18. Jahrhundert wurden sie auf der Bühne zur Charakterisierung redender Personen benutzt. Seit dem 19. Jahrhundert waren sie unverzichtbares Kolorit bei Anekdoten und Witzen. In antijüdischen und antisemitischen Kampagnen waren sie denunziatorisches Kampfmittel. In der Gegenwart sind sie Blickfänge des Journalismus und Milieuzeichen im Roman.

Den Grundstock des Lexikons bilden jiddische Ausdrücke, die bis ins 20. Jahrhundert im Munde deutscher Juden üblich waren. Wörter aus jiddisch geprägten Fachsprachen kommen hinzu. Die jiddischen Ausdrücke in den Stadtdialekten von Frankfurt am Main, Berlin und Wien sind Folge eines besonders intensiven Sprach- und Sozialkontakts. Entsprechendes läßt sich auch an ländlichen Mundarten beobachten, in die je nach Anteil der Juden an der Bevölkerung eine mehr oder minder große Zahl jiddischer Wörter entlehnt worden ist. Zahlreich sind Wörter jiddischer Herkunft im Rotwelschen und in anderen Geheimsprachen. In diesem Lexikon ist bei Wörtern, die auch aus anderen Quellen belegt sind, der rotwelsche Gebrauch zusätzlich verzeichnet. Sonst aber werden die aus dem Jiddischen stammenden rotwelschen Ausdrücke nur berücksichtigt, wenn sie aus sprach- oder kulturgeschichtlichen Gründen von besonderem Interesse sind.

Jiddisch und Deutsch


Schon die Entstehung der jiddischen Sprache zeugt vom intensiven Kontakt zwischen Juden und Christen. Die Juden in Mitteleuropa entwickelten auf der Grundlage des mittelalterlichen Deutschs einen eigenen Sozialdialekt, dessen Wortschatz sich durch die aus dem Hebräischen stammenden Ausdrücke und romanische Sprachreste von Anfang an ganz wesentlich von allen anderen Dialekten unterschied. Außerdem wurde dieses mittelalterliche jüdische Deutsch mit hebräischen Buchstaben geschrieben, so daß es in geschriebener Form für Christen unzugänglich war.

Wanderungs- und Fluchtbewegungen brachten es mit sich, daß sich das Jiddische bereits in der frühen Neuzeit nach Osteuropa ausbreitete. Als lebende Sprache entwickelte es sich dort in ähnlicher Weise weiter, wie sich deutsche Dialekte zum Schlesischen verschmolzen. Während das Jiddische im westlichen Mitteleuropa in größerer sprachlicher Nähe zum Deutschen verblieb, entfernte es sich in der slawischen Umgebung lautlich und lexikalisch vom Westjiddischen. Deshalb gerieten auch Wörter slawischen Ursprungs in das Ostjiddische.

Weil es als Emanzipationshindernis galt, gaben die Juden in den deutschsprachigen Ländern das Jiddische seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zugunsten des Deutschen auf. Der Sprachwechsel zog sich über Generationen hin und war von Beruf, Bildungsgrad und Umgang bestimmt. Wer in einem betont jüdischen Umfeld verblieb, pflegte die Reste des Jiddischen stärker als derjenige, der sich sprachlich und kulturell nicht von der übrigen Bevölkerung unterscheiden wollte. Ein besonders reines Deutsch ohne jeden Anklang an das Jiddische war darum für viele Juden erstrebenswert.

Als Folge des politischen Erwachens wurde das Jiddische dagegen in Osteuropa seit dem 19. Jahrhundert bewußt zu einer Kultursprache ausgebaut. Ostjuden, die mit Jiddisch als Muttersprache aufgewachsen waren, strebten nach Berlin und Wien und bildeten dort ostjiddische Sprachgemeinschaften. Mit der ostjüdischen Emigration verbreitete sich das Ostjiddische seit dem späten 19. Jahrhundert über Westeuropa nach Nordamerika, als Folge der Fluchtbewegungen im 20. Jahrhundert auch nach Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien. Dort nahm es gelegentlich Wörter aus den Landessprachen in seinen Wortschatz auf.

Sprachkontakte


Mit dem Jiddischen kamen in Deutschland Gauner und Gelehrte bereits im 16. Jahrhundert in Kontakt. Vaganten lernten jüdische Ausdrücke auf der Wanderschaft kennen und nahmen sie in ihre Geheimsprache auf. Die Gelehrten bemerkten, daß Juden das Hebräische beherrschten, dem das Interesse der frühneuzeitlichen Hebraisten galt. Erste Wörter aus dem Jiddischen kamen deshalb schon am Ende des 15. Jahrhunderts in die deutsche Sprache. Im Barockzeitalter nahm das Interesse am Jiddischen zu, weil man auch die Volkssprache der Juden verstehen wollte. Von der jiddischen Sprache begeisterte Christen banden sich gelegentlich die jüdische Maske vor und verfaßten Gedichte, die mit jüdischen Wörtern aufgeputzt waren.

Als sich die Ghettotore öffneten, verstärkte sich der Kontakt zwischen Juden und Christen. Das hatte auch sprachlichen Austausch zur Folge. Das christliche Interesse am Jiddischen nahm zu. Auch Goethe gab sich bei seinen kindlichen Sprachstudien mit der Volkssprache der Juden ab. Die preußische Obrigkeit ließ sich auf das Jiddische nicht mehr ein und verfügte bereits im 18. Jahrhundert, daß die Geschäftsbücher in deutscher Sprache zu führen seien. Die Umgangssprache ließ sich nicht anordnen. Jüdische Handelsleute benutzten darum besonders im Viehhandel auch weiterhin ein Idiom, das wegen der aus dem Hebräischen stammenden Ausdrücke für christliche Geschäftspartner unverständlich war. Das weitverbreitete Interesse an der Enthüllung dieser Fachsprache bedienten Aufklärungsschriften bis ins 20. Jahrhundert. In bestimmten Bereichen des Handels wurde im 19. Jahrhundert ein noch stark jiddisch geprägtes Deutsch gesprochen. Christen waren deshalb gezwungen, diese Fachsprache zu erlernen, wenn sie erfolgreich am Handelsleben teilnehmen wollten.

Ausdrücke aus dem Jiddischen kamen auf verschiedenen Wegen in die deutsche Sprache und wurden in einzelnen Gesellschaftskreisen in unterschiedlicher Weise gebraucht. Die meisten Ausdrücke enthielt das Deutsch der Juden. Im Familienkreis blieben jüdische Ausdrücke lange in Gebrauch. In der Öffentlichkeit wurden sie seit dem späten 19. Jahrhundert mehr und mehr vermieden. In den großen Städten verbreitete sich die Kenntnis dieser besonderen Familiensprache auch durch Dienstpersonal, das sich den Wortschatz der Herrschaft aneignete und weitertrug. Auf dem Lande wurden jüdische Ausdrücke in Nachbarschaften und durch jüdische Wanderhändler verbreitet, die ihre Kundschaft regelmäßig aufsuchten. Auf der Börse war es im frühen 19. Jahrhundert notwendig, sich den Jargon der jüdischen Börsianer anzueignen. Dagegen blieben die Metzger- und Viehhändlerausdrücke lange gehütetes Geheimwissen, das wirtschaftliche Vorteile sichern half. Diese Tradition bewahrten christliche Viehhändler noch in den...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Inhalt5
Einleitung7
Hinweise zum Gebrauch27
Abkürzungen29
Literatur31
Wortartikel A – Z37
Verweisregister213

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