Die Landschaften der Region Wittenberg und ihre Beziehung zur Verbreitung der Lurche und Kriechtiere
Im Wesentlichen zeigt sich die Region Wittenberg auf Grund eiszeitlicher Formungen in einer landschaftlichen Dreiteilung: dem pleistozän geformten Fläming und der Dübener Heide und der dazwischen liegenden holozän geprägten Elbaue. Diese glaziale Formung führte zu einem größeren Anteil an Gewässern in der Region, die für das Vorkommen von Lurchen von Bedeutung sind.
Die Landschaft im nördlichen Teil der Region wird von den bewaldeten Endmoränenhügeln und Sanderflächen des Flämings geprägt. Im Nordosten erstreckt sich die Wald-Offen-Landschaft des Fläming-Hügellandes nördlich von Jessen. Südlich dieser Landschaften schließt sich das ebene Urstromtal der Elbe mit der im Osten einmündenden Schwarzen Elster an. Die Elbe durchfließt auf mehr als 50 Kilometern eine naturnahe Auenlandschaft innerhalb der Region. Ein größerer Teil der Elbaue ist ausgedeicht und unterliegt der jährlichen Überflutungsdynamik der Elbe. Der westlich gelegene Teil der Elbaue schließt Teile des im 18. Jahrhundert entstandenen Dessau-Wörlitzer Gartenreiches ein. Südöstlich von Jessen liegt das militärisch genutzte Waldgebiet der Annaburger Heide. Die Dübener Heide im Süden der Region ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteldeutschlands. Im Südwesten der Dübener Heide befindet sich eine durch den Braunkohlen-Tagebau total umgestaltete Folgelandschaft mit großen Seen und Hochkippen. Klimatisch liegt die Region im Übergang zum Binnenklima mit 8,6°C Jahresmitteltemperatur (18,0° mittlere Julitemperatur; -0,5°mittlere Januartemperatur), 560 mm Jahresniederschlag und 1630 Stunden jährlicher Sonnenscheindauer. Diese Wetter-Kenndaten unterliegen einer Änderung, wobei die Temperatur in Sachsen-Anhalt seit den Aufzeichnungen 1881 um 1,3°C gestiegen ist (MULE 2017), auch aufgezeichnet an der Wetterstation Wittenberg.
Die Landschaft nördlich der Elbe − allgemein als der „Fläming“ bezeichnet − wird nach der aktuellen Landschaftsgliederung von Sachsen-Anhalt (REICHHOFF et al. 2001) in den Hochfläming, den Roßlau-Wittenberger Vorfläming und das Südliche Fläming-Hügelland unterteilt. Der Hochfläming ist eine von Wäldern bestimmte Landschaft mit dem Hirseberg bei Berkau (184 m NN) als höchste Flämingerhebung in der Region. In diesem Landschaftsteil befinden sich meist nur kleinere Gewässer als Lebensraum und Laichgewässer für Schwanz- und Froschlurche. Bemerkenswert ist ein kleines Vorkommen des Bergmolchs an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt als vermutlich postglaziale Ansiedlung (PAEPKE 1983; BERG 2013b). Eine weitere Besonderheit ist das Vorkommen der Rotbauchunke in temporär wasserführenden Feldsöllen inmitten von Ackerfluren, obwohl diese in manchen Jahren kein Wasser führen. Sie ist der südliche Ausläufer des angrenzenden brandenburgischen Vorkommens auf den Fläming-Hochfläche (ZUPPKE 2014). Insgesamt ist das Gebiet durch die trockene Ausstattung jedoch nicht sehr lurchfreundlich. Kriechtiere meiden die dichten, geschlossenen schattigen Wälder, allenfalls kommen Blindschleichen und Waldeidechsen vor.
Der dem Hochfläming südlich vorgelagerte Roßlau-Wittenberger Vorfläming ist ein Grundmoränenhügelland. Mehrere Bäche (Rossel, Olbitzbach, Wörpener Bach, Grieboer Bach, Rischebach, Fauler Bach und Zahnabach), deren Ober- und Mittelläufe teilweise noch recht naturnah sind, fließen durch ehemalige Schmelzwasserrinnen zur Elbe. Infolge der eiszeitlichen Prägung des Gebietes sind auch Kleingewässer entstanden. Diese zerstreut vorhandenen Kleingewässer − sowohl die natürlich als auch die anthropogen entstandenen − bieten mehreren Lurcharten Lebensraum. Auch Kammmolch und Kleiner Wasserfrosch werden hier nachgewiesen. Dagegen leben an den Flämingbächen kaum Lurche. Auch die Mehrzahl der Staubereiche oberhalb der zahlreich vorhandenen Biberstaue ist unbesiedelt. Die beschatteten Bestände der Nadelwälder sind Lebensraum der Blindschleiche, die lückigen oder offenen Bereiche dagegen von Wald- und Zauneidechsen sowie Schlingnattern.
Östlich des Roßlau-Wittenberger Vorflämings schließt sich das Südliche Fläming-Hügelland an. Diese Landschaftseinheit umfasst den Bereich der breit entwickelten Sanderflächen im östlichen Fläming und die südlich vorgelagerten Talsandflächen. Die aufgelockerten Waldgebiete auf trockenen Standorten bieten Kriechtieren (Eidechsen und Schlangen) geeigneten Lebensraum, während die feuchtigkeitsliebenden Lurche auf wenige Kleingewässer beschränkt bleiben. Durch den Kiesabbau nordöstlich von Jessen entstanden künstliche Wasserflächen. An diesen teilweise größeren Gewässern findet gegenwärtig eine Besiedlung mit Kreuzkröten und anderen Lurcharten statt, deren endgültiger Status abzuwarten bleibt.
Südlich des Vorflämings schließt sich das nach der Eiszeit entstandene Urstromtal an, das durch eine breite, ebene Aue der Elbe als Dessau-Wittenberger Elbtal geprägt wird. Die Elbe fließt fast am Nordrand des Flusstales, sodass sich nördlich des Flusses nur eine schmale Aue befindet. Südlich des Flusses sind große Flächen ausgedeicht und bleiben daher den Hochwasserereignissen ausgesetzt. Dieses Vordeichland wird durch großflächiges Grünland geprägt, das durch Altarme und Altwässer unterbrochen wird, wodurch dieser Landschaftsausschnitt sehr gewässerreich ist. Dagegen werden die eingedeichten Flächen überwiegend ackerbaulich genutzt. Die gewässerreiche Elbaue bietet zwar Lurchen feuchten Lebensraum, sie finden jedoch durch die temporäre Durchströmung bei Überflutungen schwierige Lebens- und Fortpflanzungsbedingungen. Auch ist der sommerharte Boden für grabende Lurche nicht besonders besiedlungsfreundlich. Mit diesen Bedingungen kommen Erdkröten, Moor- und Teichfrösche sowie Rotbauchunken am besten zurecht, während die Schwanzlurche (Molche) spärlicher vertreten sind. An der Elbe selbst und ihren Uferbereichen finden sich bisher überhaupt keine Lurche, auch keine Wasserfrösche. Dagegen ist die Artenvielfalt an den kleineren Gewässern der Ackeraue und oftmals auch der Dorfteiche größer.
Die gewässer- und waldreiche Landschaft im Gebiet der Schwarzen Elster bei Jessen – Annaburg bildet die Landschaftseinheit Annaburger Heide und Schwarze-Elster-Tal. Zahlreiche abgetrennte Altwässer der völlig begradigten Schwarzen Elster ergeben in der Aue eine hohe Gewässerdichte. Der landwirtschaftlich genutzte Teil wird von zahlreichen Entwässerungsgräben durchflossen, so dass Erdkröten, Gras- und Teichfrösche, aber auch Kreuz- und Wechselkröten hier Fortpflanzungsmöglichkeiten finden. Die Annaburger Heide wird militärisch genutzt und darf daher offiziell nicht betreten werden. Es finden sich hier größere unzugängliche Waldbereiche, aber auch Offenflächen mit Heide und Magerrasen. Infolge der Sperrung des Gebietes ist die Lurch- und Kriechtierfauna hier noch unzureichend bekannt.
Die Dübener Heide schließt sich südlich der Elbaue als flachhügelige Landschaft an. Sie ist bis auf kleinere Rodungsinseln fast völlig mit forstwirtschaftlich geprägten Kiefernwäldern bedeckt. Kleine Fließgewässer fließen teils zur Elbe, teils zur Mulde und weisen stellenweise eine naturnahe Morphologie auf. Im Raum Bad Schmiedeberg - Reinharz existieren Teiche, wie die Lausiger Teiche, der Ausreißerteich, der Rote Mühlteich und Heideteich, die teilweise fischereiwirtschaftlich genutzt werden. In einzelnen Senken des hügeligen Reliefs haben sich Kleingewässer gebildet. Große Teile des südwestlichen Bereiches der Dübener Heide sind durch den ehemaligen Braunkohlenabbau landschaftlich verändert worden. Hier bilden geflutete Tagebaurestlöcher, Kippen und Halden neue Landschaftsformen. Im westlichen Bereich im Übergang zum Muldetal liegt die Oranienbaumer Heide, in der sich unter den besonderen Bedingungen der ehemaligen militärischen Nutzung ein Mosaik unterschiedlicher Offenland-Biotope herausgebildet hat. Die Wälder der Dübener Heide bieten Schlingnattern und Waldeidechsen geeigneten Lebensraum, während die Kleingewässer von Braun- und Wasserfroscharten, darunter auch dem Kleinen Wasserfrosch und teilweise vom Laubfrosch, und der Ringelnatter bewohnt werden. Die größeren Tagebauseen bieten in den flachen Verlandungsbereichen in Ufernähe Lurchen Laichmöglichkeiten. An den Fließgewässern der Dübener Heide finden sich nur vereinzelte Grasfrösche, an den vielen aufgestauten Bereichen oberhalb der Biberstaue dagegen fast keine Lurcharten.
Die Kreisstadt Wittenberg nimmt innerhalb der Siedlungsbereiche den größten urbanen Raum in Anspruch. Innerhalb der Bebauung existieren eine Vielzahl von Kleingärten sowie ein nicht unerheblicher Anteil an Parks...