FEHLER NUMMER ZWEI:
AKTIV HANDELN
Es gibt mehr als 3700 Investmentfonds für US-amerikanische Aktien und über 7000 US-Hedgefonds, die vielfach mit US-Aktien handeln. Dazu kommen aktiv gemanagte börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds, ETFs), die dasselbe tun, sowie Tausende Spezialfondsverwalter, Börsenmakler und Anlageberater, die ebenfalls mit US-Aktien handeln. Gehen wir sicherheitshalber davon aus, dass noch zig Millionen ganz normaler Menschen in aller Welt ebenfalls mit US-Aktien handeln. Das sind eine ganze Menge.
Wie viele US-Aktien handeln denn all diese Leute, fragen Sie sich jetzt womöglich. Sind es 100 000 börsennotierte Aktien? Falsch. Vielleicht 25 000? Auch nicht. Keine 4000! Ganz recht, an den Börsen werden nicht einmal 4000 solcher Wertpapiere gehandelt (Krantz, 2013)!
Es gibt also Zig-, wenn nicht gar Hunderttausende von Profis zuzüglich zig Millionen anderer, die mit diesen nicht einmal 4000 Aktien handeln. Das hört sich natürlich ziemlich abwegig an.1
Legen wir die rund 4000 börsennotierten Aktien in einem großen Portfolio zusammen, ergibt sich daraus eine kombinierte Rendite, die wir als Marktertrag bezeichnen. Vernunft und mathematische Grundlagen verraten uns, dass es innerhalb dieses Portfolios Gewinner und Verlierer geben muss. Die Sache hat aber noch einen Haken: Der Handel ist immer mit Kosten verbunden. Das bedeutet, es gibt – wie in Las Vegas – stets auch eine »Bank«. Und die gewinnt immer. Sie kriegt ihr Geld in jedem Fall. Diese Bank könnte Merrill Lynch heißen oder UBS, Edward Jones oder wie einer der vielen Hundert anderen Broker. So oder so, sie hat stets die Hände im Spiel. Per definitionem muss es daher mehr Verlierer als Gewinner geben, und die Gewinner müssen so viel verdienen, dass ihre Transaktionskosten gedeckt sind.
Das ist aber noch nicht alles. Die Gewinner müssen nämlich auch Steuern abführen. Und dadurch wandern viele von ihnen auf die Verliererseite hinüber. Sorry, Leute!
Moment mal – aber was ist denn mit den Gewinnern, die so viel erwirtschaften, dass Transaktionskosten und Steuern abgedeckt sind? Tja, es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie auch beim nächsten Mal wieder auf der Gewinnerseite stehen. Jede Menge Indizien lassen vielmehr vermuten, dass die bisherigen Gewinner in Zukunft nicht wieder so gut abschneiden, wie Sie gleich noch erfahren werden. Am Ende stehen die meisten Gewinner als ganz große Verlierer da – und zwar aus mehreren Gründen: So hatten manche einfach Glück oder sind unverhältnismäßige Risiken eingegangen, um einen Vorsprung zu erzielen – und werden von denselben Risiken später zu Fall gebracht. Oder sie machen einen der vielen Fehler, um die es in diesem Buch geht.
Schließlich ist da noch ein Faktor, der fast alle Gewinner zur Strecke bringt: die Zeit. Im Zeitverlauf werden aus den Gewinnern des Aktienhandels in aller Regel Verlierer.
Über Zwanzigjahreszeiträume haben über 80 Prozent der aktiven Trader schlechter abgeschnitten als die Anleger, die einen Korb aus 500 der größten Aktien erwarben und stur hielten (Ellis, 2012). Das ist ganz normal. Und dafür gibt es viele Gründe. Diese will ich Ihnen im Folgenden in der Absicht vermitteln, Sie von nun an ein für alle Mal gegen die Versuchung zu feien, das Handelsspiel zu spielen – ein Spiel, in dem schon die Profis nicht gewinnen können, und Sie eher auch nicht. Ein Spiel für Verlierer. Und Sie sollen ja gewinnen.
Die Geschichte des aktiven Handelns
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.
UNBEKANNT2
Für den Zeitraum vom 1. Januar 1928 bis zum 1. Juli 1932 untersuchte Alfred Cowles, ob es Tradern gelang, den Markt zu schlagen (Cowles, 1933). Er analysierte im Einzelnen die Aktienauswahl 16 verschiedener Finanzdienstleister über viereinhalb Jahre. Sein Ergebnis: Die professionelle Einzeltitelauswahl – das sogenannte »Stock-Picking« – sorgte für einen Rückstand um 1,43 Prozent. Anders ausgedrückt: Wer einfach die ganzen Aktien kauft und gar nichts unternimmt, steht am Ende mit einer deutlich höheren Rendite da. Dann befasste sich Cowles noch mit den Resultaten der allererfolgreichsten Stockpicker und gelangte zu dem Schluss, dass ihr Ergebnis eher auf Glück beruhte als auf Kompetenz (zu diesem Thema an anderer Stelle noch mehr).
Cowles studierte auch die Aktienauswahl von 20 Versicherungsgesellschaften in der Zeit von 1928 bis 1931 und bescheinigte ihnen im Durchschnitt eine Unterrendite von 1,2 Prozent (Cowles, 1933). Seine Analyse der Gewinner ergab, dass die besten nicht so gut waren, weil sie es konnten, sondern nur, weil sie Schwein gehabt hatten.
Fast 100 Jahre später belegt eine Studie nach der anderen, dass Cowles da etwas Wichtigem auf der Spur war. Aktives Aktienmanagement, ganz gleich wie raffiniert, kostspielig oder komplex, sorgt längerfristig fast immer für Mindererträge.
Aktive Investmentmanager bringen weniger als Indexing
Der aktive Handel hat ausgespielt. Auf CNBC haben Sie das in letzter Zeit aber eher nicht gehört.
Auf den Kabelkanälen wird dieser Praxis nämlich Tag für Tag das Wort geredet, quasi in allen Sendungen, aber ganz besonders von Jim Cramer in seiner Reihe Mad Money, die auf CNBC die besten Quoten erzielt. 2008 verkündete Jim Cramer vollmundig, dass »die Anleger diesmal lieber nicht auf Warren Buffett hören sollten«.
»Buy and Hold«, so Cramer, »hat ausgedient.«
Dieses Konzept – dass aktive Trader das große Geld einstreichen, während langfristig engagierte Anleger in die Röhre schauen – wird gebetsmühlenartig wiederholt. Es hat nur einen großen Nachteil: Es ist nämlich falsch.
Damit ich mir nicht Rosinenpickerei bei der Wahl meiner Beispiele vorwerfen lassen muss, spreche ich direkt die Wertentwicklung der Spitzenspieler in der jeweiligen Kategorie an:
Fisher Investments unter der Leitung des Multimilliardärs Ken Fisher ist einer der größten zugelassenen Anlageberater für hochvermögende Kunden.
Legg Mason Value ist der einzige Investmentfonds, der den S&P 500 je über 15 aufeinanderfolgende Jahre geschlagen hat.
Jim Cramer ist die Nummer eins unter den Marktprognostikern (allerdings nicht aufgrund seiner Leistung, wie gleich noch erörtert werden soll, sondern den Einschaltquoten zufolge).
Unter dem Strich schneiden aktive Trader, wie wir sehen werden, im Regelfall schlechter ab als der Markt, und die Vorstellung, dass kluge Köpfe aktiv mit Aktien handeln können, um ihre Performance zu steigern, entbehrt jeder Grundlage.
Fisher Investments
Der Versicherungsriese AIG (57 Dollar, AIG) ist billiger als vor einem, drei, fünf oder gar acht Jahren – als er mit einem KGV von 40 gehandelt wurde. Inzwischen beträgt das KGV nur noch 8 und das jährliche UGV 1,2. Doch angesichts seiner außergewöhnlich starken Präsenz in der Versicherungs- und der breiteren Finanzbranche und langsamem, aber stetigem Wachstum wird er sich 2008 an der Börse gut entwickeln.
KEN FISHER IN FORBES3 ÜBER EINEN SEINER TOP-FIVE-TITEL FÜR 2008
Ken Fisher kam in diesem Buch bereits einmal vor, weil er ein Market-Timer ist. Seine zweite Erwähnung verdankt er der Tatsache, dass er auch aktiv handelt. Seine Portfoliostrategie besteht darin zu versuchen, durch aktive Einzeltitelauswahl den internationalen Index zu schlagen und seine Kunden dabei durch Market-Timing vor Abwärtsbewegungen des Marktes zu schützen. Morningstar zufolge hat das aber nicht so viel gebracht, denn sein Investmentfonds weist kurz- wie langfristig unterdurchschnittliche Renditen aus. Dass er sowohl aktiven Handel als auch Market-Timing einsetzt, erhöht enorm die Wahrscheinlichkeit, dass sein Investmentfonds und seine Kunden Mindererträge erzielen.
Legg Mason Value
Kleiner Hinweis: In die meisten Fonds fließt Kapital, nachdem sie sich gut entwickelt haben. Abflüsse erfolgen, wenn sich die Wertentwicklung dann verschlechtert.
JOHN C. BOGLE4
Sie fragen sich vielleicht, warum wir aus den Tausenden von Investmentfonds ausgerechnet den Legg Mason Value herausgepickt haben. Das liegt daran, weil es keine bessere Fallstudie zum letztlichen Versagen des aktiven Managements gibt. Im November 2006 widmete die Zeitschrift Fortune dem Legg Mason Value und seinem Manager Bill Miller einen Sonderbericht (Serwer, 2006). Von den vielen Tausend vorhandenen Investmentfonds war es dem Legg Mason Value als einzigem gelungen, über 15 aufeinanderfolgende Jahre besser abzuschneiden als der S&P 500. Fortune führte ein Interview mit Bill Miller und wollte unbedingt nachweisen, dass man den Markt nur schlagen kann, wenn man einen Wettbewerbsvorteil hat. Wie sonst sollte das gehen?
(Das funktioniert so – nur als kleine Randbemerkung: Wenn zigtausend professionelle Kapitalverwalter 15 Jahre lang versuchen, den Markt zu schlagen, ist es schlicht eine Sache der Wahrscheinlichkeit, dass es einem von ihnen gelingen wird. Das ist nichts...