1 Über Marken-Rhizome, Sinfonie-Orchester und den Birkenspanner: Ideen zum Employer Branding
Christian Blümelhuber
Starten wir mit den Chefs. Mit Professor Brinkmann, mit Dr. House und Dr. Karel Sofa vom Krankenhaus am Rande der Stadt. Sie, die Superstars, hielten die Fäden in der Hand, kümmerten sich (mal mehr, mal weniger) um die Sorgen ihrer Mitarbeiter und trieben ihr Team zu Höchstleistungen, manchmal aber auch in den Wahnsinn. Und sie waren es, die das Markenbild der Schwarzwaldklinik, des Princeton-Plainsboro Teaching Hospital oder der orthopädischen Station des Bor’schen Krankenhauses bis heute prägen. Was aber wären sie, die Stars im weißen Kittel, die Serien, ja, die Marken, ohne Oberschwester Hildegard, ohne Remy Hadley, die Bewerberin mit der Nummer Dreizehn, und ohne das naive »Täubchen« Marta Hunková-Penkavová? Erst das Zusammenspiel (und diese Erkenntnis gilt für die Behandlung eines Patienten genauso wie für den Serien-Triumph und die Marken-Kultivierung) ermöglicht den Erfolg – auch wenn einige Erlebnisse und einzelne Akteure vielleicht herausstechen (Aguinis und O’Boyle 2014, Rosen 1981) und in den Kontexten professioneller Hochzuverlässigkeits-Organisationen (Mintzberg 1992, S. 255 ff., Bagnara et al. 2010, Roberts 1989) nach wie vor hierarchische Strukturierungen den Teamgedanken überschreiben.
Ich bin sicher, dass Sie (als Krankenhausmanager, als Markenspezialist oder »einfach« als aufgeklärter Leser dieses Sammelbandes) den Serienfan belächeln. Wie er (und oft ist »er« auch eine »sie«) der (vermeintlich) heilen Welt von früher nachhängt und sich aus der Genialität des Dr. House, der Empathie des »Täubchens« und der Wohlfühloase des glottertal’schen Klinik-Hotels auf 4-Sterne Niveau seine Erwartung an einen Krankenhausaufenthalt zusammenbastelt. Ja, das ist weltfremd.
Aber ähnlich naiv, wie sich ihre Patienten vielleicht den Klinikalltag vorstellen – nein, ihn sich wünschen – stellen sich Manager und Mitarbeiter auch häufig die Realität und Wirksamkeit organisationaler Innovationen und lautstark vermarkteter Erfolgsstrategien vor: Auch hier überwiegt die Hoffnung, dass sich der theoretische bzw. narrative Kitsch erfüllt. Die Bereitschaft, die Ressourcen, die für die organisationale Umsetzung und Kultivierung der jeweiligen Strategien notwendig sind, aufzubauen bzw. bereitzustellen, die ist deutlich schwächer ausgeprägt.
Sie spüren schon, der Sound meines Beitrages ist nicht blind euphorisch, sondern durchaus nüchtern-kritisch. Das wird direkt mit der nun folgenden Fragen-Sammlung deutlich:
Braucht es dort, wo es um Leben und Tod geht, wo Angst auf Empathie trifft, und jeder Fehler zur Katastrophe führen kann, eine Strategie, die meist laut, oft frivol-glamourös und immer irgendwie dauer-lächelnd daherkommt und die Happiness zur Maxime erhebt (Bruhn und Schnebelen 2017)? Bauchen Krankenhäuser Marketing? Müssen sie nun gar zu Marken werden? Und sich so wie Schokoriegel, Serienevents und Sportstars, wie Konsumartikel, Königshäuser und Krankenkassen den Regimes des mentalen und ästhetischen Kapitalismus (Franck 2005, Böhne 2016) unterwerfen?
Egal wie Sie die Frage beantworten: Sie sind eine Marke. Ihr Krankenhaus ist eine Marke. Und Sie alle produzieren Marketing, vielleicht sogar ohne Marketing zu machen. Das klingt widersprüchlich und deswegen lösen wir das nun auch auf.
In vier Kapiteln, die sich an die zentralen Herausforderungen des sog. »Employer Brandings« heranschleichen, versuche ich Ideen zu liefern, wie sie das Employer Branding zur Erfolgsstrategie entwickeln und das Kapital Ihrer Marke(n) heben. Dazu operieren wir in einem konzeptionellen Dreieck aus Organisations-, Marketing- und Leadership-Themen. Und da Markenmanagement auch immer etwas mit Kunst zu tun hat, kommen wir daran auch nicht vorbei.
1.1 Wir ordnen den Marken-Wirrwarr
Starten wir damit, dass wir den sperrigen Ausdruck des Employer Branding zerlegen und dieses gefährliche Konzept so etwas bändigen:
zur Marke bzw. zur »Brand«:
Marken sind heute die wichtigsten Signale, um in immer unübersichtlichen Welten den Überblick zu behalten. Sie verdichten unsere Wirklichkeit und erzählen Geschichten. Und machen damit komplexe Strukturen, wie bspw. die eines Krankenhauses, erzählbar, erlebbar und bewältigbar. Sie sind quasi die Kompensation für die Unübersichtlichkeit unserer Welt. Eine Art Marquard’scher Teddybär der uns »die eiserne Ration an Vertrautem« (Marquard 2007, S. 87) schenkt, uns mit dem Bewährten, Stabilen und Wohlbekannten versorgt, damit wir im Dauerstrom des Neuen und den Stromschnellen einer entfesselten Moderne nicht untergehen. Oder, um es in Management-Deutsch zu sagen: Die flüchtige, anonyme Welt (des Krankenhauses, der Moderne,) wird erst erträglich über die Rahmung durch eine verlässliche, emotional aufgeladene Marke.
zur »Employer Brand«
Wenn uns starke Marken überzeugen, so erzählen sie inspirierende Geschichten und binden uns ein in Geflecht an Beziehungen (Fournier 1998). Nicht nur die »Kunden«, sondern auch ihre Investoren, Händler, Partner – und Mitarbeiter. In der Sprache der Ökonomie sind dann alle Stakeholder – damit bezeichnet man »any group or individual who can affect or is affected by the achievment of the organization’s objektives« (Freeman 2010, S. 46) – Teil der Marke, produzieren sie mit – und profitieren (hoffentlich) von ihr. Mitarbeiter spielen dabei mindestens eine Doppelrolle:
1. Einmal prägen sie, gerade in Dienstleistungs-Kontexten, als »Gesichter« die Marke. Es sind ihre Handlungen, Entscheidungen und Erzählungen, die die Dienstleistungsmarke erlebbar machen und ihr das Maß an Sympathie und Kompetenz einhauchen, das die Attraktivität der Marke prägt.
2. Und dann sind sie selbst »Zielgruppe« des Markenmanagements. Die Marke ist für sie ein identitätsstiftendes Angebot – eine Art »corporate identity« – das ihre Beziehung zum potenziellen oder tatsächlichen Arbeitgeber formt, das implizite und explizite Spielregeln definiert und Handlungen ermöglicht (brand empowerment) oder ausschließt.
Diese interne Marken-Profilierung gewinnt durch den Mangel an geeignetem Fach- und Führungspersonal stark an Bedeutung: Das Schlagwort vom »war for talent« hat nicht nur Eingang gefunden in Wissenschaft und Praxis, sondern eben auch in Markennarrationen. Diese versprechen sowohl Kostenvorteile (aufgrund von Effizienzvorteilen in der Personalbeschaffung und aufgrund geringerer Fluktuation) als auch Produktionsvorteile aufgrund höherer Leistung. Kein Wunder, dass sich auch Krankenhäuser als attraktive Arbeitgeber profilieren und auf das Konzept des Employer Branding – also den Auftritt des Unternehmens als Marke vor dem Publikum potenzieller und aktueller Mitarbeiter – setzen wollen.
Wenn in Beziehungen heute beide Parteien, Arbeitgeber und Jobsuchende, etwas zu gewinnen und etwas zu verlieren haben, dann wollen/müssen sie beide eben auch signalisieren, dass sie die richtige Wahl sind. Deswegen investieren sie in »Impression Management« (Goffmann 1959, S. 208 ff) auf der einen und Employer Branding auf der anderen Seite.
zum Employer Branding:
Die wichtigste Idee des Employer Branding steckt m. E. in drei kleinen Buchstaben, im »-ing«. Denn erst in der Form des Verbs wird deutlich, dass eine Employer Brand weniger als »operande Ressource« (Madhavaram und Hunt 2008, S. 69) gedacht werden sollte, sondern als Daueraufgabe, die eigentlich nie endet.
Employer Branding bedeutet, ein attraktiveres Ideologie-Angebot als die Wettbewerber bereitzustellen, an öffentliche Diskurse anzuschließen und durch die darin zum Ausdruck kommenden Positionen (Manche nennen das Positionierung) Orientierung zu liefern. Vor allem aber muss die Marke erlebbar gemacht werden. Und das funktioniert, in dem eine Revue an attraktiven Nummern (oder Brand Experiences: Schmitt 2011) angeboten, und von motivierten Markenbotschaftern umgesetzt wird.
Doch Vorsicht: Employer Branding kann zwar einen Fokus setzen, allerdings kann es sich im Markenmanagement immer nur um ein Ganzes handeln.
Wenn Employer Branding aber impliziert, dass es sich um unterschiedliche Marken handelt, quasi eine, nämlich die Employer Brand, für die Zielgruppe der Mitarbeiter und Bewerber und eine (oder mehrere) andere für die restlichen Zielgruppen (und dabei insbesondere für die »Kunden« bzw. »Patienten«) dann gilt der...