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E-Book

Bankenaufsicht im Dialog 2019

VerlagFritz Knapp Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783831409037
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
2019 ist ein Jahr der Zäsur für die Bankenaufsicht und -regulierung. Lag im vergangenen Jahrzehnt der Fokus vor allem auf den regulatorischen und aufsichtlichen Lehren aus der Finanzkrise, sind diese Maßnahmen mit dem europäischen Bankenpaket - und darunter insbesondere der CRR II - nun weitgehend rechtlich umgesetzt worden. Besonders wichtig war der Bundesbank dabei das Thema der Proportionalität. Daher begrüßen wir die im Bankenpaket enthaltene Definition für 'kleine, nicht komplexe Institute' und die damit verbundenen administrativen und operativen Erleichterungen. Eine weitere Zäsur erlebt die EU, wenn 2019 - so die aktuelle Beschlusslage - das Vereinigte Königreich aus der EU austreten wird. Damit werden sich Markt und Wettbewerb an den deutschen Finanzplätzen noch einmal strukturell verändern. Umso mehr gilt es, die Möglichkeiten einer europäischen Kapitalmarktunion auszuloten und zur Realität werden zu lassen. Doch auch nach 2019 bleiben Herausforderungen für Banken und Bankenaufsicht. Der harte Wettbewerb im deutschen Bankensektor und die geringen Margen sind ein Dauerbrenner und werden es auch weiterhin bleiben: In der Folge wird die Konsolidierung im Bankensektor weitergehen. Gleichzeitig eröffnen sich viele Möglichkeiten, vor allem unter Nutzung neuer Technologien. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung müssen Geschäftsmodelle - aber auch die Arbeitsweise der Aufsicht - nicht nur überprüft und angepasst, sondern teilweise neu entworfen werden. Der Dialog von Aufsicht und Industrie über anstehende Themen und Herausforderungen hat sich seit jeher als fruchtbar und konstruktiv erwiesen. An dieser Stelle setzt das Bundesbank-Symposium an: Zum 21. Mal bot es in diesem Jahr Gelegenheit zum Dialog zwischen Aufsicht und Instituten.

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Leseprobe

Joachim Wuermeling

Den Blick auf die Zukunft richten


Sehr geehrte Damen und Herren,

auch von mir ein herzliches Willkommen zum diesjährigen Bankensymposium. Ich freue mich, dass ich heute zum ersten Mal Ihr Gastgeber sein darf.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Sie zu informieren, was ich als Bankenaufseher und was wir als Bundesbank aktuell und mittelfristig für die zentralen Herausforderungen im deutschen Bankensektor halten. Obwohl wir uns im Tagesalltag eher mit akuten Problemen befassen, möchte ich Ihnen heute in erster Linie Perspektiven aufzeigen. Lassen Sie mich die Frage einmal so stellen: Wenn wir uns in fünf Jahren hier wiedertreffen, welche der heutigen Herausforderungen beschäftigen uns auch dann noch?

Dieser stärker in die Zukunft gerichtete Blick liegt im Jahr 2019 besonders nahe, denn wir erleben gerade eine Zäsur. Im vergangenen Jahrzehnt lag der Fokus vor allem darauf, die regulatorischen und aufsichtlichen Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Nun kommen mit dem europäischen Bankenpaket und der Umsetzung des letzten Teils von Basel III diese ehrgeizigen Reformen weitgehend zum Abschluss. Bis alles umgesetzt ist, wird es zwar noch einige Jahre dauern. Aber es ist einstweilen nicht mehr viel in der Pipeline. Das Jahr 2019 ist für mich deshalb auch ein Jahr für das Setzen neuer Themen, ein Jahr des – neudeutsch gesprochen – Agenda-settings.

Deshalb muss es nach meiner Überzeugung jetzt stärker um Zukunftsfragen gehen, etwa die strukturellen Veränderungen auf den Finanzmärkten, die digitale Transformation und die Veränderung des ökonomischen und politischen Umfelds für Sie und für uns.

So möchte ich meine Einführung in die folgenden drei Abschnitte gliedern:

•Erstens: Was geht vorüber? Das sind die Themen, die heute noch sehr wichtig sind, die wir in fünf Jahren aber hinter uns gelassen haben sollten.

•Zweitens: Was bleibt? Das sind die Probleme, deren Ursachen wir noch lange nicht überwunden haben.

•Und drittens: Was kommt? Das sind die Themen, von denen ich erwarte, dass sie an Relevanz gewinnen und uns noch stärker beschäftigen werden als heute.

Was geht vorüber?


Beginnen wir mit dem, was vorübergehen wird; also mit den Themen, die unseren Alltag im Hier und Jetzt prägen, die aber auf dem Bundesbank-Symposium 2024 hoffentlich passé sein werden. Ich sehe hier drei Bereiche.

Erstens: Werden wir in fünf Jahren noch über die Regulierungsreformen nach der Finanzkrise sprechen? Ich denke nicht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die meisten Regulierungsvorhaben abgeschlossen und umgesetzt haben und ganz selbstverständlich in dem neuen Rahmen agieren werden.

Die letzten Stücke des Regulierungspuzzles werden gerade eingefügt: Das Bankenpaket der EU wird nach heutigem Stand noch vor den Mai-Wahlen zum Europäischen Parlament verabschiedet werden. Damit werden die Bausteine des Basel-III-Pakets aus dem Jahr 2010 umgesetzt. Die Leverage Ratio und die strukturelle Liquiditätsquote NSFR werden künftig zu verbindlichen Mindestanforderungen. Auch die Umsetzung der neuen Baseler Marktrisikoregeln (FRTB) wird eingeleitet.

Die im Bankenpaket enthaltenen Regeln zum Thema Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit werden den Risikoabbau in der Bankenunion vorantreiben. Damit ist die Risikoreduktion gewiss noch nicht abgeschlossen. Aber es macht mich zuversichtlich, dass in Europas Bankenunion auch die verbleibenden Risiken mit der nötigen Entschlossenheit adressiert werden.

Dabei verbleibt für die Bundesbank noch eine größere Baustelle, die wir ebenfalls in den kommenden Jahren hinter uns lassen sollten: Das ist das wichtige Thema Proportionalität, also die Senkung unverhältnismäßig großer, operativer Lasten für kleine, nicht komplexe Institute.

Hier ist es uns in den vergangenen zwei Jahren gelungen, auf europäischer Ebene ein gemeinsames Verständnis zu erzeugen. So enthält das Bankenpaket nun eine Definition für „kleine, nicht komplexe Institute“ – maßgeblich sind eine Bilanzsumme von maximal fünf Milliarden Euro sowie qualitative Kriterien.

Die Grundsatzfrage, wie wichtig Proportionalität in der Regulierung ist und wie sie umgesetzt werden kann, haben wir damit geklärt. Der Grundstein ist gelegt, dass den Instituten künftig gezielte Erleichterungen dort eingeräumt werden, wo der Verwaltungsaufwand nicht im Verhältnis zum aufsichtlichen Nutzen steht.

Der zweite Bereich auf der Zielgeraden ist die Umsetzung des Basel-III-Finalisierungspakets in Europa, die bis Anfang des Jahres 2022 vereinbart worden ist. Ein Ende des Basel-Marathons ist also in Sicht.

Eine umfassende Auswirkungsstudie ist in Arbeit. Ich danke den vielen teilnehmenden Banken für ihre Mitwirkung an der mühevollen Übung. Die Investition wird sich lohnen. Denn auf Basis der gewonnen Erkenntnisse wird die nach den Europawahlen neu zusammengesetzte Kommission einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Damit wir diese Reformagenda dann wirklich abschließen können, müssen wir die internationalen Vereinbarungen aber auch lückenlos umsetzen. Wir sollten zum einen diese Chance zur Stärkung der Widerstandskraft im Bankensektor nicht verspielen. Zum anderen müssen wir durch die uneingeschränkte Umsetzung der – de jure – ja unverbindlichen Baseler Standards bei uns jeglichen Vorwand für andere ausschließen, von den Regeln abzuweichen. Sonst steht das mühsam erreichte, in der internationalen Wirtschaftsregulierung einzigartige Projekt auf dem Spiel. Gerade angesichts der Gefährdungen für den Multilateralismus müssen wir – in unserem und im gemeinsamen Interesse – entschlossen für die globale Standardisierung eintreten – auch durch unser eigenes Umsetzungsverhalten.

Ich weiß: Für manche Institute bedeuten die Reformen zusätzliche Anstrengungen. So ist der Output Floor für einige größere Banken mit riskanteren Geschäftsmodellen deutlich spürbar. Andererseits: Die notwendigen Anpassungen sind machbar – und vor dem Hintergrund der Risikoprofile gerechtfertigt.

Und für viele Institute sind die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen durch die Reformen ohnehin eher gering – für mittlere und kleinere Banken liegen sie im Durchschnitt bei 5,7 Prozent. Für einzelne Institute sinken sie sogar.

Kommen wir zum dritten Thema, das vorübergehen wird. Das Vereinigte Königreich wird zumindest in fünf Jahren aller Voraussicht nach nicht mehr zur EU gehören und London wird – davon bin ich im Gegensatz zu anderen fest überzeugt – nicht mehr die Rolle für den EU-Finanzplatz spielen, die es heute spielt.

Auf dem Kontinent werden Kreditinstitute und andere Finanzmarktakteure ihre Präsenz ausgebaut und sich so vernetzt haben, dass sie wesentliche Funktionen übernehmen, die heute aus der City heraus erfüllt werden, vom Wholesale-Geschäft bis zum Clearing. Damit sollten Sie rechnen.

Mit den neuen Möglichkeiten und den neuen Akteuren werden sich auch Markt und Wettbewerb an den deutschen Finanzplätzen, vor allem hier in Frankfurt, noch einmal strukturell verändern. Darauf müssen Sie sich einstellen.

Der Übergang wird kein leichter sein – aber wir sind als Finanzmarkt besser vorbereitet als andere Sektoren. Dafür haben Sie ebenso wie die Gesetzgeber in Berlin, Brüssel und Straßburg und wir europäische und nationale Aufseher gesorgt. In fünf Jahren werden wir uns hoffentlich nicht mehr den Kopf wegen kurzfristiger Übergangsprobleme zerbrechen.

Was bleibt?


Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht werden wir auf drei Dauerbaustellen auch in fünf Jahren noch beschäftigt sein:

•Solide Erträge in umkämpften Märkten;

•Konsolidierung und Kooperation;

•Digitale Finanztechnologie.

Beginnen wir mit den Erträgen: Der harte Wettbewerb im deutschen Bankensektor und die geringen Margen sind schon seit vielen Jahren ein Dauerbrenner – besonders vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus. Und das wird sich so schnell nicht ändern. Darauf müssen Sie sich einstellen.

Ich sage es hier in aller Offenheit: Ihr Geschäftsmodell muss auch mit niedrigen Zinsen funktionieren. An den Bilanzen von 2018 sehe ich, dass viele von Ihnen, aber nicht alle, beherzt Ihre Hausaufgaben machen.

Von der Geldpolitik, die auch jüngst wegen der Folgen für die Banken heftig kritisiert wurde, können Sie erwarten, dass sie sich ausschließlich am Ziel der Preisstabilität orientiert. Sie kann sich nicht – bitte sehen Sie mir diese Bemerkung nach – an Ertragsaussichten von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern ausrichten. Auch wenn wir die...

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