1PEP – State of the Art
Michael Bohne
Beim Verfassen dieses Textes ist es circa zehn Jahre her, dass ich 2008 das PEP-Konzept aus den Klopftechniken heraus entwickelt habe. Woher das Klopfen kommt, wie es funktioniert, wieso ich PEP daraus entwickelt habe, wie PEP genau funktioniert und was man alles beachten sollte, wenn man mit PEP arbeitet, habe ich an anderer Stelle detailliert beschrieben (Bohne 2008, 2011, 2019). Dies alles möchte ich deshalb an dieser Stelle nicht wiederholen. Hier geht es mir eher darum aufzuzeigen, welche größeren Linien in der Entwicklung von PEP wichtig waren und welche diagnostischen und interventorischen Muster zu PEP gehören.
Dieses Vorgehen wird Leser, die eine gewisse Vorliebe an Mustererkennung haben, interessieren und vielleicht sogar faszinieren, es wird aber manche Leser, die eher konkrete Beispiele für ein gutes Verständnis brauchen, gegebenenfalls etwas frustrieren. Solche Leser werden in meinen anderen Büchern und in den Kapiteln der anderen Autoren dieses Bandes auf ihre Kosten kommen, denn es ist unter anderem das Ziel dieses Buches, sehr dezidiert aufzuzeigen, wie PEP in die verschiedensten Methoden integriert werden kann.
1.1Als PEP laufen lernte
Zu Beginn war es mir lediglich wichtig, die Klopftechniken zu entmystifizieren und der wissenschaftlichen Untersuchbarkeit zuzuführen, hatte ich doch beobachtet, dass viele psychotherapeutisch arbeitende Kolleginnen und vor allem Kollegen erhebliche Ressentiments gegenüber den Klopftechniken hegen. Manchen waren die Klopftechniken zu esoterisch, was ich gut nachvollziehen konnte, andere hatten die Überzeugung, sich neue psychotherapeutische Methoden erst und nur dann anzuschauen, wenn sie wissenschaftlich hinreichend untersucht und bestätigt sind, was ich, mit Verlaub, etwas befremdlich finde. Wenn wir alle im Feld so eingestellt wären, dann hätte sich nie etwas Neues entwickelt und würde sich auch in Zukunft nichts Neues entwickeln. Es braucht die neugierigen und mit dem Vorhandenen etwas unzufriedenen, erfahrenen und gut ausgebildeten Praktiker, die sich in die Feldforschung stürzen und das Neue mit dem Bestehenden vergleichen, die um Erkenntnisse ringen, die integrieren und wieder verwerfen. Das alles findet weit vor der Durchführung wissenschaftlichen Studien statt.
Denn was soll man denn untersuchen, wenn noch gar nicht klar ist, wie eine Neuerung genau aussieht, wo sie klinisch überzeugt und wo eher nicht? Meine persönliche Beobachtung ist aber auch, dass erfahrene Praktiker ohnehin offen für neue Ansätze sind. Es sind eher die Vertreter bestehender Methoden und Schulen, die bisweilen der Überzeugung sind, man müsse nichts Neues mehr erfinden, da man ja schon etwas Gutes habe. Hier wird das Gute der größte Feind des Besseren. Nichtsdestotrotz möchte ich in Kapitel 1.2 in diesem Kapitel auf die jüngsten Forschungsergebnisse zu den Klopftechniken eingehen.
Die Klopftechniken funktionierten häufig ziemlich gut, schnell und im Vergleich zu »Eye Movement Desensitization and Reprocessing« (EMDR) sogar deutlich schneller und besser. Jedoch profitierten die Klienten in 10–20 % der Behandlungssituationen kaum oder gar nicht vom Klopfen, was ich beim EMDR auch schon immer beobachtet hatte. Anstatt nun vom Klopfen begeistert zu sein, war ich lediglich zufrieden, denn es drängte mich herauszufinden, warum es diese 10–20 % Nonresponder gab, die schon die Urväter und Väter der Klopftechniken, Callahan, Diamond oder Gallo, erwähnt hatten (Gallo, pers. Mitt.). Da mich sämtliche vorhandenen Erklärungen nicht überzeugten, machte ich mich selbst auf die Suche und fand nach einigem Forschen und Experimentieren die tatsächlichen Gründe. Es lag daran, dass die Nonresponder in diesen Momenten eine Blockade an Bord hatten, die einer Verbesserung der klinischen Symptomatik im Wege stand. Diese Hemmnisse habe ich die Big-Five-Lösungsblockaden genannt:
•Selbstvorwürfe
•Fremdvorwürfe
•Erwartungshaltungen an andere
•Altersregression
•Parafunktionale Loyalitäten.
Parafunktionale Loyalitäten beziehen sich entweder auf Loyalitäten zu anderen Menschen oder Wertesystemen oder auf intrapersonale Loyalitäten, also auf die Ego-State-Ebene.
Nach einer weiteren Experimentierphase entdeckte ich, wie sich diese Loyalitäten, die ja in der Psychotherapie durchaus bekannt sind, recht zügig und tief greifend transformieren lassen. Die Transformation parafunktionaler Loyalitäten stellt eine Herausforderung dar, da sie häufig unbewusst sind. Somit war es nötig, ein Tool zu entwickeln, welches in der Lage war, parafunktionale Loyalitäten zu überwinden. Dies war die Geburtsstunde des Kognitions-Kongruenz-Tests bzw. -Tools. Mit diesem Instrument ist es möglich, durch das Aussprechen dezidierter Testsätze psychodynamisch und systemdynamisch relevantes Material hochzuspülen und mittels Selbstbestätigungsinterventionen und ressourcenfokussierter Affirmationen, sogenannter Kraftsätze, zu transformieren. Zu diesen parafunktionalen Loyalitäten gehört auch das Phänomen des »(Rest-)Symptoms als letzten Zeugen« dafür, dass man selbst oder seine Familie, seine ethnische oder religiöse Gemeinschaft etwas Belastendes, Schwieriges oder Schlimmes erlebt hat. Dieses Phänomen erklärt häufig, warum jemand von Psycho- oder Traumatherapie gar nicht oder nicht hinreichend profitiert. Das Kognitions-Kongruenz-Tool hat sich für viele Anwender als große Bereicherung, Vereinfachung und Beschleunigung der tiefenpsychologischen, transgenerationalen sowie systemischen Behandlungsaspekte erwiesen.
Komplettiert wird das PEP-System durch das eigens konzipierte Selbstwerttraining, das für meine Arbeit als Auftrittscoach unabdingbar ist und das für mich auch in der Psycho- und Traumatherapie nicht mehr wegzudenken ist. Als Basis für PEP dienen darüber hinaus
•eine dezidierte Anliegen- und Auftragsklärung,
•die Berücksichtigung von Kunde-Klagender-Besucher nach Steve de Shazer,
•eine Haltung von Leichtigkeit, Zuversicht und Humor sowie
•die Nutzung von vokalem und visuellem Bonding und
•die vielseitige Nutzung von Reframings jeglicher Art.
Eine Neuerung, die PEP viel eleganter gemacht hat, sei hier noch erwähnt. Während wir in der PEP in den ersten Jahren bis etwa 2016 ausschließlich mit Selbstakzeptanzübungen gearbeitet haben (»…, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin«) und mit der Verdünnungstechnik (z. B. »…, wäre es vermutlich heilsam, wenn ich mich einfach mal achte und schätze, so, wie ich bin«), hat sich durch die Anregungen Gabriela von Witzlebens die Varianz der selbstbezüglichen Ich-Aussagen deutlich erweitert. Der PEP-Anwenderin und Psychotherapieentwicklerin war aufgefallen, dass es immer wieder Klienten gab, die zwar sagen konnten »ich liebe und akzeptiere mich so, wie ich bin«, die jedoch den Sinn dieser Aussage nicht erkannten, bzw. denen diese Formulierung redundant oder unstimmig vorkam (von Witzleben 2014, 2019). Diese Menschen profitierten jedoch sehr, wenn sie ein nach von Witzleben anderes Kernbedürfnis in einer Affirmation stärkten, wie z. B. das Bedürfnis nach Sicherheit/Überblick (»…, bleibe ich in Sicherheit/behalte ich den Überblick«) oder nach Autonomie (»…, bestimme ich was gut für mich ist/gehe ich meinen ganz eigenen Weg/nehme ich mir den Raum, den ich brauche«). Diese Anregung hat mich in der klinischen Arbeit sehr überzeugt und hat die selbstbezüglichen Ich-Aussagen um viele Facetten bereichert. Da es bei den neuen Formulierungen nun aber nicht um Selbstakzeptanz geht, musste ein neuer Begriff her. Mir erschien der Begriff Selbstbestätigung am besten zu passen. Jemand bestätigt sich in einem seiner Kernbedürfnisse selbst. Somit stellt die Selbstakzeptanz nur eine (wenn auch wesentliche) Form der Selbstbestätigung dar. Alle Selbstbestätigungen werden mit einer haptischen Stimulation (kreisendes Reiben unter dem linken Schlüsselbein) kombiniert. Diese Intervention hat sich sprachlich auch als »das Kurbeln« etabliert.
1.2Klopftechniken im Fokus der Forschung
Doch wie sieht es mit der Forschung zu den Kopftechniken und zu PEP aus? Ein paar klinische Untersuchungen geben Hinweise über das Wirkpotenzial der Klopftechniken. Drei Studien seien hier erwähnt.
•In einer Metaanalyse von Clond (2016) wurden 14 randomisierte kontrollierte Studien (RCT-Studien) zu Angst als Outcome-Parameter untersucht. Eingeschlossen waren 658 Teilnehmer, darunter waren 293 in der Klopfgruppe, die mit Emotional Freedom Techniques (EFT) behandelt...