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Panikfokussierte Psychodynamische Psychotherapie

Praxis der psychodynamischen Psychotherapie – analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie 3

AutorBarbara Milrod, Claudia Subic-Wrana, Manfred E. Beutel
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783840923081
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Die «Panikfokussierte Psychodynamische Psychotherapie» (PFPP) ist eine psychodynamisch orientierte, manualisierte Behandlung der Panikstörung. Das Vorgehen wurde in den USA von der Autorengruppe um Barbara Milrod entwickelt und die Wirksamkeit konnte in mehreren Studien empirisch belegt werden. Kern der Behandlung ist die sorgfältige Exploration der Symptomatik und der Entstehungssituationen der Panikattacken. Die damit verbundenen Gedanken, Fantasien und Gefühle des Patienten ermöglichen einen Zugang zu seinen Selbstvorstellungen und seinem Beziehungserleben, woraus sich der individuelle, die Panikstörung unterhaltende, Abhängigkeits-/Autonomiekonflikt erkennen und deuten lässt. Die Durcharbeitung des Konflikts fokussiert auf der Angst vor der Äußerung negativer Emotionen - insbesondere Ärger - in der Übertragungs-/Gegenübertragungssituation. Der Behandlungsansatz und das therapeutische Vorgehen werden anhand zahlreicher Fallbeispiele veranschaulicht und ergänzt durch eine ausführliche Darstellung des aktuellen Forschungsstands zur Ätiologie, Epidemiologie und Behandlung der Panikstörung ergänzt. Der Band bietet damit eine aktuelle Übersicht zur störungsbezogenen Behandlung von Panikerkrankungen; mit der gleichzeitigen Betonung auf einem symptom- wie übertragungsbezogenen Ansatz füllt er eine Lücke in der Literatur zur Behandlung von Angststörungen.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Einleitung
  3. 1Beschreibung der Störung
  4. 2Störungstheorien und Störungsmodelle
  5. 3Diagnostik und Indikation
  6. 4Behandlung
  7. 5Wirksamkeit der PFPP
  8. 6 Varianten der PFPP und Kombination mit anderen Methoden
  9. 7Literatur
  10. Anhang
Leseprobe
Nach dem Bundesgesundheitssurvey 1998 (Wittchen & Jacobi, 2001) litten etwa 3 % der Frauen unter einer Panikstörung; bei den Männern war die Rate mit 1,7 % etwas geringer . Der durchschnittliche Beginn der Erkrankung lag bei Männern bei 35,2 Jahren, bei Frauen bei 29,2 Jahren . Panikstörungen sind gehäuft in Hausarztpraxen anzutreffen (in der Stichpunkterhebung von Mergl et al ., 2007, 6,8 % der Patienten in den Praxen) .

1.4 Verlauf und Prognose

Es liegen kaum Verlaufsstudien über einen längeren Zeitraum vor . Wie die naturalistische Studie von Bruce et al . (2005) zeigt, liegt der Anteil chronischer Verläufe bei Patienten mit Panikstörung nach 12 Jahren bei 82 %, bei Panikstörung mit Agoraphobie hingegen bei 48 %, d . h . die Mehrzahl zeigt einen chronischen bzw . rezidivierenden Verlauf . Panikstörungen beeinträchtigen psychosoziale Funktionen auf Dauer durch hohe Angst, häufige Krankschreibungen, körperliche Symptome, einen eingeschränkten Lebensstil, häufige psychische Begleiterkrankungen (Jacobi et al ., 2004) und hohe Suizidraten (Khan, Leventhal, Khan & Brown, 2002) . Diskutiert werden aktuell mögliche Herz-Kreislauf-Risiken bei chronischen Panikstörungen: Aufgrund von 20 prospektiven Studien kommt eine aktuelle Metaanalyse zum Ergebnis, dass Angststörungen mit einem (um 26 %) erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankungen einhergeht (Roest, Martens, de Jonge & Denollet, 2010) . Bei postmenopausalen Frauen ging eine Panikerkrankung mit einer mehr als vierfach erhöhten Rate von kardialen Ereignissen einher (Smoller et al ., 2007) . Andererseits gibt es auch große, bevölkerungsbasierte Studien, die kein erhöhtes Risiko bei Angststörungen nachweisen konnten (Mykletun et al ., 2007) oder sogar ein verringertes Risiko (Meyer, Buss & Herrmann-Lingen, 2010) . Entsprechend hoch sind die medizinischen Kosten: Dass 10 von 13 Symptomen der Panikattacke körperlicher Natur sind, trägt dazu bei, dass etwa 20 % der Notaufnahmen in Krankenhäusern zu Lasten von Panikstörungen gehen (Swinson, Cox & Woszczyna, 1992); im Vergleich zur Normalbevölkerung ist diese Rate um das 13-fache erhöht (Markowitz, Weissman, Ouellette, Lish & Klerman, 1989) .

1.5 Differenzialdiagnose

Da Panikattacken – einzeln oder auch gehäuft – auch bei anderen Krankheitsbildern als der Panikstörung auftreten können, ist die differenzialdiagnostische Abklärung manchmal schwierig, aber unbedingt nötig, wenn eine Behandlung geplant ist, die sich an dieses Manual anlehnt . Wegweisend für die Diagnose der Panikstörung sind die eingehende Anamnese und der psychische Befund . Allerdings sind je nach Ausprägung der Symptomatik zum Ausschluss möglicher körperlicher Ursachen von vegetativen Symptomen und Angst eine Reihe von körperlichen und Laboruntersuchungen erforderlich (vgl . Zwanzger & Deckert, 2007) . So kann z . B . eine Überfunktion der Schilddrüse mit vermehrter Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen (Hyperthyreose) u .a . Symptome wie Herzklopfen oder Schwitzen erzeugen, die den körperlichen Angstzeichen der Panikattacke ähnlich sind . Auch gibt es eine beträchtliche Überlappung zwischen Symptomen eines akuten Koronarsyndroms und Panikattacken: Sechs der Symptome, die eine Panikattacke definieren (Schwitzen, Herzklopfen, Brustschmerz, Hitzewallungen, Atemnot, Beklemmung) sind auch Leitsymptome akuter Herzerkrankungen . Andererseits handelt es sich bei einem akuten Herzinfarkt, einer schweren Herzrhythmusstörung oder der Entladung eines implantierten Kardiodefibrillators um äußert bedrohliche und angsterzeugende Ereignisse, die nicht selten der Entwicklung einer Panikstörung vorausgehen . Anamnestisch ist auch zu klären, ob bspw . ein exzessiver Konsum von Psychostimulanzien (Koffein, Appetitzügler, Amphetamine u . a .) vorliegt . Die Herausforderung liegt darin, trotz notwendiger körperlicher Untersuchungen die häufig vorhandene Fixierung des Panikpatienten auf eine somatische Ursache zu lockern und ein psychodynamisches Krankheitskonzept zu vermitteln . Angesichts der hohen psychischen Komorbidität ist abzuklären, ob auch diagnostische Kriterien für andere Krankheitsbilder, bei denen Panikattacken vorkommen, erfüllt werden .

Als positive Hinweise auf das Vorliegen einer Panikstörung sind zu bewerten:
• Das Auftreten der Panikattacken wird nicht mit situativen Auslösern verbunden, sondern als plötzlich und unerwartet einsetzend erlebt . Ist die Erkrankung bereits chronifiziert und/oder das agoraphobische Vermeidungsverhalten stark ausgeprägt, so sollte sorgfältig exploriert werden, ob dieses Kriterium für die Panikattacken gilt, die zu Beginn der Erkrankung aufgetreten sind .
• Die mit den Panikattacken verbundene Angst sowie die Angst vor einem erneuten Auftreten der Panikattacken bezieht sich auf die Befürchtung, körperlich und/oder psychisch vernichtet zu werden: z . B . Angst zu sterben, einen Herzinfarkt/Schlaganfall zu erleiden, Angst, den Verstand zu verlieren
• Das agoraphobische Vermeidungsverhalten ist darauf ausgerichtet, nicht den sicheren Hafen der häuslichen Umgebung verlassen zu müssen, um nicht „draußen“ und „in der Fremde“, womöglich auch noch „eingesperrt in einer Lage ohne direkten Ausweg“ hilflos einem Panikanfall ausgeliefert zu sein .

Fallbeispiel
Herr A ., der an einer chronifizierten Panikstörung litt, entwickelte Panikattacken, sobald er ein leichtes Ziehen in der Bauchgegend verspürte . Ließ es die Situation zu, begab er sich sofort zum Arzt, sobald er diese Körpersensation erlebte . Er war von der Befürchtung beherrscht, ebenso wie sein Vater an einer Ruptur eines Aortenaneurysmas im Bauchraum zu versterben und befürchtete, das Ziehen im Bauchraum signalisiere, dass die Aortenausbuchtung bereits eingerissen sei . Werden Panikanfälle geschildert, so sind zum Ausschluss einer anderen Angststörung folgende Möglichkeiten zu prüfen:
• Richtet sich das agoraphobische Vermeidungsverhalten auf soziale Situ ationen, treten die Panikanfälle bevorzugt auf, wenn derartige Situationen nicht zu vermeiden sind, und ist der Inhalt der Angst darauf gerichtet, sich in sozialen Situationen „falsch“ zu verhalten, dadurch beschämt zu sein und von den anderen abgewertet zu werden? Derartige Auslöser geben Anlass zur Prüfung, ob eine soziale Phobie vorliegt .
• Sind die Panikattacken eingebettet in eine schon seit Langem von Ängstlichkeit und Sorgen gezeichnete Lebenshaltung, in denen sich die Angstinhalte auf vielfältige Lebensbereiche (z . B . Gesundheit des Lebenspartners, schulische Zukunft der Kinder, der tatsächlichen Situation nicht angemessene Sorgen um die finanzielle Situation) beziehen? Hier sollte man prüfen, ob eine generalisierte Angststörung vorliegt .
• Richtet sich das Vermeidungsverhalten auf spezifische Objekte und/oder Situationen (z .B . Konfrontation mit Spinnen, Schlangen, Blut, Angst vor Brücken, Türmen, Ausblicken von hohen Häusern) und treten die Panikanfälle bevorzugt auf, wenn eine Konfrontation mit diesen Objekten und/oder Situationen unvermeidlich ist? In diesen Fällen ist zu prüfen, ob eine spezifische Phobie vorliegt .

Neben den oben genannten anderen Angsterkrankungen können Panikattacken auch bei Zwangsstörungen (z . B . bei Unterbindung der Möglichkeit, Zwangshandlungen durchzuführen), bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (z .B . ausgelöst durch einen mit der traumatischen Situation verknüpften Triggerreiz), Borderline-Persönlichkeitsstörungen und akuten Psychosen auftreten . Schließlich ist manchmal die Abgrenzung zwischen einer Panikstörung und einer Somatisierungsstörung oder Hypochondrie nicht ganz einfach; hier sollte sich der Diagnostiker von dem Gedanken leiten lassen, dass das Angsterleben bei diesen Krankheitsbildern generell keinen anfallsartigen Charakter hat, auch wenn es wie bei allen Erkrankungen aus dem Formenkreis der Angststörungen zu Angstspitzen bis hin zu Panikzuständen kommen kann .

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