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E-Book

Interreligiöses Lernen

AutorStephan Leimgruber
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641037109
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wie können unterschiedliche Menschen, Kulturen und Religionen in gegenseitigem Respekt zusammenleben? Was können sie voneinander lernen? Stephan Leimgruber zeigt Wege für den Dialog zwischen Christen, Juden, Muslimen, Hindus und Buddhisten auf.
Besonders nimmt diese Didaktik des interreligiösen Lernens den Religionsunterricht in den Blick. Grundlegende Informationen zu den verschiedenen Religionen münden in praktische Anregungen, wie Begegnung und gemeinsame Lernerfahrungen gestaltet werden können: Wer Gemeinsamkeiten und Unterschiede konkret erfährt, lernt die eigene Religion besser zu verstehen und die anderen Religionen zu achten.

Prof. Dr. Stephan Leimgruber, geb. 1948, war Professor für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität München. Langjährige Schultätigkeit und Seelsorgeerfahrung.

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Leseprobe
Zwölf Jahre sind seit dem Erscheinen der ersten Auflage des Buches »Interreligiöses Lernen« (1995) vergangen. Die rege Nachfrage vonseiten der Lehramtsstudierenden, der ReligionslehrerInnen und der Bildungsverantwortlichen, die unerwartete Rezeption in der religionspädagogischen Fachliteratur und nicht zuletzt die anhaltende, nach dem 11. September 2001 noch erhöhte gesellschaftliche Dringlichkeit des Anliegens rechtfertigen eine zweite Auflage. Infolge der beschleunigten bewusstseinsmäßigen, gesellschaftlichen und auch wissenschaftlichen Veränderungen musste diese allerdings neu bearbeitet werden.
Bereits vorhandene Fragen haben sich zugespitzt, und zahlreiche neue Fragen haben sich gestellt. Eine der schwerwiegendsten betrifft das »Projekt multikulturelle Gesellschaft«, das in der gegenwärtigen Gesellschaft kritisch befragt und von einigen Unheilspropheten für gescheitert erklärt wird. Sie verweisen auf die nicht enden wollenden (Selbstmord-)Anschläge fundamentalistischer Provenienz und sind entrüstet über den angeblich fehlenden Integrationswillen von Minderheiten, dem in den Augen anderer eine mangelnde Bereitschaft zur Aufnahme von Fremden in der Mehrheitsgesellschaft entspricht. Gleichzeitig werden wir Zeugen eines rasch voranschreitenden Integrationsprozesses in Europa. Religionsverschiedene, bireligiöse Ehen und Familien, »bunte« Kindergärten und Schulen funktionieren weitgehend. Ohne gewisse Ängste vor dem Fremden herunterspielen zu wollen, lässt sich konstatieren, dass in weiten Kreisen der Bevölkerung eine selbstverständliche Toleranz gewachsen ist, die eine beidseitig erträgliche Koexistenz ermöglicht. Viele Folgen der wirtschaftlichen und kulturellen »Erschöpfung« Europas sind unabhängig von den Phänomenen der Migration zu sehen. Kapitel 1 soll die veränderte gesellschaftliche Situation darstellen und neuere kirchliche Positionspapiere beispielhaft einarbeiten.
In den vergangenen zwölf Jahren haben sich erfreulicherweise die Konturen einer »Didaktik der Weltreligionen« (Kapitel 2) für den Religionsunterricht geklärt und geschärft. Zahlreiche Erkenntnisse der Beziehungen zwischen den »abrahamitischen Religionen« sind bereits ins öffentliche, kulturelle Gedächtnis eingegangen. Immer deutlicher wird, wie sehr das Judentum Wurzelgrund und Nährboden für das Christentum ist. Geklärt hat sich die Stellung Jesu in jüdischer und islamischer Wahrnehmung. Zur Kenntnis genommen werden die erheblichen Differenzen, aber auch die großen Ähnlichkeiten und Parallelen im
Umgang mit den heiligen Schriften. Hinduismus und Buddhismus sind uns nähergekommen und die Besonderheiten asiatischen Denkens sind noch deutlicher zutage getreten.
Im religionspädagogischen und religionsdidaktischen Bereich (Kapitel 2) sind im vergangenen Jahrzehnt im deutschsprachigen Raum eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten erschienen, die es zu sichten gilt (2.0). Die Pionierarbeiten von Johannes Lähnemann (1986) sind in einer »Evangelische(n) Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive« (1998) weitergeführt worden, und als konfessionsverbindendes Resultat hat das Comenius Institut (durch Peter Schreiner, Ursula Sieg und Volker Elsenbast) ein schwergewichtiges »Handbuch interreligiöses Lernen« (2005) ediert, das den Status quaestionis aus pluraler Sicht versammelt. Auch die Großkirchen in Deutschland haben ihre Stellungnahmen zum mehr denn je herausgeforderten Zusammenleben der Religionen abgegeben: Die Evangelische Kirche Deutschlands in drei Studien »Christen und Juden« und in einer Handreichung zur »Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen« (2000), die Deutsche Bischofskonferenz in einer Arbeitshilfe »Christen und Muslime in Deutschland« (2003) und einer weiteren mit dem Titel »Leitlinien für multireligiöse Feiern von Christen, Juden und Muslimen (2003, im Internet unter www.dbk.de/schriften/data/3708/index.html; 2.1.2007). Außerdem konnten verschiedene empirische Studien eingearbeitet werden, denn interreligiöses Lernen geschieht bereits seit einiger Zeit in familiären und schulischen Institutionen, die in Feldstudien beobachtet werden können. In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von Barbara Asbrand, Martin Rötting und Regine Froese zu nennen. Das »interreligiöse Lernen« wird neu aus christlicher Sicht unter Einbezug der evangelischen und reformierten Positionen sowie des Ökumenischen Rates der Kirchen thematisiert. Selbst die orthodoxe Kirche konnte sich der neuen Problematik nicht verschließen. Weiter musste überprüft werden, ob und, falls ja, inwiefern Kinder zu interreligiösen Lernprozessen fähig sind. Etwas vorschnell wurde ihnen die Kompetenz zum Perspektivenwechsel und zur kritischen Reflexion unterstellt. Gleichwohl geschieht in den lebendigen Begegnungen von Kindern mit Angehörigen anderer Religionen viel. Hier ist zu verzeichnen, dass sich die junge Disziplin »interkulturelle Pädagogik« dieser Fragestellung angenommen hat und auch der brisanten Probleme, die durch Benachteiligungen der Migrantenkinder entstehen.
Neu und gewinnbringend für den Religionsunterricht und die Erwachsenenbildung sollen in dieser Neuauflage die Darstellungen der heiligen Schriften in den Weltreligionen erweitert und die Praxisteile für den Unterricht ausgebaut werden. Es gilt, exemplarisch und in elementarisierenden Schritten interreligiöses Lernen zwischen Christen und Juden (Kapitel 3), Christen und Muslimen (Kapitel 4) und zwischen Christen und Angehörigen fernöstlicher Religionen (Kapitel 5) aufzuzeigen. Eine subjektorientierte Religionsdidaktik der Differenz möge zum Tragen kommen, indem stets zwei Religionen in den Blick genommen werden. Dies gilt auch für das neue Lernfeld einer »Sakralraumpädagogik«, welche sich mit der ganzheitlichen Wahrnehmung von Synagoge, Kirche und Moschee befasst. - Das Hauptanliegen der ersten Auflage ist geblieben, nämlich interreligiöses Lernen im Zeichen der Begegnung und des Dialogs zu gestalten. Doch sind in dieser zweiten Auflage die Lernmöglichkeiten und die Lernfelder spürbar erweitert worden, was auch eine Vertiefung der religionswissenschaftlichen Erkenntnisse gefordert hat. Mit Dietrich Benner gilt es, religiöse Kompetenz zu vermitteln, wozu a) religiöses Erfahrungswissen, b) religionskundliche Grundkenntnisse, c) hermeneutische Fähigkeiten und d) Partizipationserfahrungen nötig sind. Nur dort kann interreligiös gelernt und Fremdheit respektvoll zur Kenntnis genommen werden, wo das Eigene bereits besteht, bekannt ist und gelebt wird. Unweigerlich führt uns interreligiöses Lernen zurück zu den eigenen Wurzeln und der anstehenden Aufgabe eines zeitnahen christlichen Religionsunterrichtes, der mit den großen Religionen ins Gespräch gekommen ist (Ausblick).
Als ein Resultat des bereits längere Zeit andauernden Nachdenkens über diese religionsdidaktische Fragestellung kann mit Folkert Rickers und Ulrich Kropac die Unterscheidung von »interreligiösem Lernen« in einem engeren Sinn (als direktes, dialogisches und begegnungsorientiertes Lernen) und interreligiösem Lernen in einem weiteren, allgemeineren Sinn betrachtet werden, welches mediale Erfahrungen, Wissenserwerb aus Texten und weitere indirekte Erfahrungen einbezieht. Noch offen ist die Frage, ob interreligiöses Lernen auch mit einer bestimmten Unterrichtskonzeption und einer bestimmten religiösen Zusammensetzung der Klassen zusammenhängt. Soll konfessioneller, konfessionell-kooperativer oder multireligiöser Religionsunterricht intendiert werden? Welche Erfahrungen gibt es?
Die Neuausgabe ist wiederum das Resultat aus dem vielseitigen Erfahrungsaustausch mit interessierten Religionspädagogen über die konfessionellen und religiösen Grenzen hinweg. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Ebenso den jungen Forscherinnen und Forschern, die durch Qualifikationsarbeiten Einzelfragen des komplexen Themas vorangebracht haben, auch in Zeiten politischer Rückschläge und scheinbarer Stagnation des interreligiösen Dialogs.

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