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E-Book

Traumatherapie in der Gruppe (Leben Lernen, Bd. 255)

Grundlagen und Behandlungsmanual

AutorChristian Firus, Christian Schleier, Luise Reddemann, Werner Geigges
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl205 Seiten
ISBN9783608103205
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Grundlage ist die bekannte, von Luise Reddemann entwickelte, auf Imaginationsarbeit und Ressourcenorientierung basierende Traumatherapie »PITT«. Das Buch besteht aus dem Behandlungsmanual, welches allen Guppenteilnehmern zugänglich gemacht wird, und den konzeptuellen Grundlagen für die Hand der Therapeuten. Die erste eigenständige Buchveröffentlichung zur Gruppenbehandlung mit traumatisieren Menschen PatientInnen können selbst mit dem Manual-Teil des Buches arbeiten Das Gruppenmanual basiert auf den Grundlagen von »PITT«, dem weit verbreiteten Traumatherapie-Verfahren von Luise Reddemann Die AutorInnen sind in der traumatherapeutischen Aus- und Weiterbildung tätig und lehren dieses Vorgehen

Christian Firus, Dr. med., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie, Traumatherapie und Systemische Therapie, ist Oberarzt in der Rehaklinik Glotterbad.

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Leseprobe
Einleitung Dank Das hier vorgestellte Gruppentherapiekonzept für Patienten mit komplexer Posttraumatischer Belastungsstörung ist eklektizistisch im besten Sinne, da wir Teile verschiedener Therapiemethoden neu zusammengefügt haben. Es ist über Jahre gewachsen und häufig verändert worden. Wir erheben keinen Anspruch auf Urheberschaft hinsichtlich einzelner Therapietechniken oder Ideen. Diese stammen vielmehr von vielen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, von denen wir lernen durften. Ihnen möchten wir unseren Dank aussprechen. Das Konzept würde in der jetzigen Form nicht existieren, wenn wir nicht die vielen wertvollen Rückmeldungen unserer Patientinnen erhalten und integriert hätten. Auch ihnen möchten wir von Herzen danken! Danken möchten wir auch Herrn Prof. Dr. Tebartz van Elst für die Anregungen im Kapitel »Gehirn«. Schließlich möchten wir Antje Firus und Beate Schleier für die konstruktive Anregung beim Korrekturlesen danken, Petra Klaiber für die unermüdlichen Korrespondenzen auf Sekretariatsebene und unserer Lektorin Frau Treml vom Klett-Cotta-Verlag für ihre mühevolle Arbeit an zahlreichen Details. Zum Aufbau des Buches Dieses Buch ist sowohl für Patienten als auch für Therapeuten geschrieben. Es besteht aus mehreren Teilen. Der erste Teil (Kap. I) richtet sich an Therapeuten, die im Gruppensetting mit Traumapatientinnen arbeiten wollen. Er enthält Ideen für das therapeutische Handeln in der Gruppe. Hier beschreiben wir ausführlich unsere bisherigen Erfahrungen mit dem vorliegenden Behandlungskonzept, gehen auf Schwierigkeiten ein und veranschaulichen beides mit kleinen Fallvignetten aus der Praxis. Dieser Teil entspricht dem, was in anderen Kontexten als »Manual« bezeichnet wird, und kann von Patienten problemlos übersprungen werden. Den zweiten Teil nennen wir »Gruppenarbeitsbuch« (Kapitel II). Es soll Patienten sowie Therapeuten in der Gruppentherapie vorliegen. Es enthält erklärende Texte und Arbeitsblätter zu den Themen, die in der Gruppentherapie besprochen werden. Es vermittelt eine fortlaufende Orientierung im Therapieprozess, eine klare Struktur und Vorhersehbarkeit der Themen - zentrale Notwendigkeiten hilfreicher Traumatherapie. Das »Arbeitsbuch« richtet sich direkt an die Betroffenen und ist daher bewusst in allgemein verständlicher Sprache gehalten. Es soll den Gruppenteilnehmern ermöglichen, nachzulesen was überhört oder nicht verstanden wurde. Es dient darüber hinaus der Intensivierung des Therapieprozesses im Sinne einer angeleiteten »Hilfe zur Selbsthilfe« und als Arbeitsgrundlage für die »Bezugsgruppe«, die ohne Anwesenheit eines Therapeuten stattfindet. Patienten und Therapeuten nutzen das gleiche Arbeitsmaterial, um eine größtmögliche Transparenz der Therapie zu erreichen. Wir beabsichtigen damit, die Autonomie, Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeitserwartung hinsichtlich der Gesundung zu fördern. Unsere bisherigen Erfahrungen mit diesem Konzept sind sehr gut. Die Patientinnen der Gruppentherapie haben uns immer wieder zurückgemeldet, dass die Transparenz Vertrauen schaffte und das »Arbeitsbuch« eine sehr wesentliche Hilfe war. Ehemalige Patientinnen und Patienten berichten in Kapitel III selbst von ihren Erfahrungen. Wir sind sehr dankbar, dass sie uns den Abdruck erlaubt haben. Kapitel IV versammelt Erzählungen, Gedichte und Gedanken, die sich in der praktischen Arbeit als hilfreich erwiesen haben. In Kapitel V wendet sich Luise Reddemann grundsätzlichen Fragen der Behandlung komplex traumatisierter Menschen zu: Was brauchen sie, um wieder Vertrauen in die Welt und in die Mitmenschen fassen zu können? Basis ihrer Empfehlungen sind sowohl ihre reiche und langjährige therapeutische Erfahrung auf diesem Gebiet als auch der aktuelle Stand der internationalen Forschung zur komplexen Traumatisierung. Werner Geigges vertieft in Kapitel VI das Thema der therapeutischen Grundhaltung in der Arbeit mit traumatisierten Patienten und beschreibt die vielfältigen Integrationsleistungen, welche im Rahmen eines klinikübergreifenden Modells von »Integrierte Medizin« zu bedenken ist. Das Verständnis von Psychosomatik als »Beziehungsmedizin« ist dabei handlungsleitend und zukunftsweisend. Gruppentherapie mit traumatisierten Menschen Die Entstehung des vorliegenden Buches verdankt seine Entwicklung unserem Wunsch, Patienten, die unter einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, durch Gruppentherapie auch bei knappen personellen Ressourcen möglichst effektiv zu helfen und dafür Grundzüge von Resilienz und Salutogenese zu nutzen. Dabei versuchen wir zu berücksichtigen, dass komplex traumatisierte Menschen häufig unter einem verminderten Kohärenzgefühl (Antonovsky), strukturellen Störungen (Rudolf), Einschränkungen der Stressregulation, Bindungsstörungen, Mentalisierungsdefiziten und beschädigten Grundbedürfnissen (Grawe) leiden. J. Herman hat die Symptomatik der komplexen PTBS in den Kriterien der DESNOS (Disorder of extrem stress not otherwise specified) zusammengefasst. Sie hat damit einen Versuch unternommen, die Erfahrungen der klinischen Praxis für das amerikanische Diagnosesystem zu systematisieren. Sie wurden in den Anhang des DSM-IV übernommen und werden nach wie vor kontrovers diskutiert, wobei die Diskussion weniger die Existenz der Symptome anzweifelt, sondern mehr die Frage nach Überschneidungen mit anderen Krankheitsbildern, vor allem mit der Borderline Persönlichkeitsstörung (siehe hierzu Sack [2004] und Kühler und Stachetzki [2005]). Das Arbeitsbuch geht in den verschiedenen Kapiteln implizit oder explizit auf die Symptome der komplexen PTBS ein: die Affektregulationsstörung, die Störung von Wahrnehmung und Bewusstsein, die Somatisierungsneigung, die Störung der Selbstwahrnehmung, die Beziehungsstörung sowie die veränderte Lebenseinstellung. Von Beginn an haben wir der Tatsache Rechnung getragen, dass eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung eine Stressverarbeitungsstörung ist, die sich entweder durch eine dissoziative Symptomatik oder aber durch eine intrusive, d. h. durch belastende Bilder, die mit massiver innerer Erregung einhergehen (Flashbacks mit Hyperarousal), auszeichnet. Diese beiden Ausdrucksformen, die sich aufgrund früher und anhaltender Traumatisierung entwickeln können, gehen mit einer hohen inneren Alarmbereitschaft einerseits oder Rückzugs- und Vermeidungsstrategien bis hin zur Dissoziation andererseits einher. Mit diesen Verhaltensmustern ist daher auch innerhalb einer Gruppe zu rechnen, die sich mit der Traumasymptomatik beschäftigt. Dabei ist uns stets bewusst, dass sich dieses Verhalten über Jahre als Schutz entwickelt hat, was wir immer wieder betonen, gleichzeitig führt es permanent in Situationen erneuter Hilflosigkeit und steht einer förderlichen Entwicklung somit entgegen. All dies verlangt ein waches, behutsames, sicheres und gleichzeitig entschiedenes Vorgehen der Therapeuten, was das freundliche Unterbrechen stressbedingter Muster anbelangt. Gleichzeitig bemühen wir uns fortwährend um die Gestaltung einer sicheren Atmosphäre, die es den Patienten erlauben soll, Erfahrungen von Selbstberuhigung und Affektsteuerung zu machen. In den Worten von Jürgen Kriz: »Diese ?Konfrontation? (gemeint sind die traumakompensatorischen Schemata im Sinne von Fischer und Riedesser, die dem langjährigen Überleben dienten, Lehrbuch der Psychotraumatologie [1998]) und das Zulassen der (partiellen) Auflösung so leidvoll erworbener Notstrukturen setzt einen Beziehungsrahmen voraus, in dem insbesondere missachtete Bedürfnisse nach Bindung und Sicherheit, Verstanden-Werden und Verstehen-Können beachtet werden.« (Kriz, 2010) Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, dass selbst die wohlwollende, zu Veränderung einladende Haltung der Therapeuten gleichwohl eine Belastung bedeuten kann, stellt sie doch etwas Unbekanntes, Unvertrautes dar, auf das noch kein Verlass ist. Nur zu leicht gerät diese Sichtweise aus dem Blick, weil sie auch für viele Therapeuten, insbesondere wenn sie sich noch nicht eingehender mit der Traumadynamik auseinandergesetzt haben, unverständlich ist. Nimmt man die Konsistenztheorie Grawes (2004) ernst, wird plötzlich verständlich, warum Vertrautes - auch wenn es möglicherweise schädigend ist - mit dem Gefühl innerer Stimmigkeit beantwortet wird, während Unvertrautes zunächst zu Inkonsistenzerleben und somit zu Stress führt! Ein stationäres Therapiekonzept ermöglicht in organisatorisch unproblematischer Weise die Nutzung von Gruppen. Gruppentherapie bietet im Behandlungssetting einer Klinik Vorteile und hat sich hinsichtlich vieler Indikationsbereiche bewährt. Traumaspezifische Gruppentherapie ist allerdings bisher wenig verbreitet, was möglicherweise in der Sorge um die Patientinnen begründet ist. Der Therapeut kann die einzeltherapeutische Interaktion unmittelbarer und gezielter beeinflussen und den Therapieprozess schonender gestalten als in einer Gruppe. Andererseits machen wir innerhalb der psychosomatischen Klinik täglich die Erfahrung, dass die Wirkfaktoren der Gruppe den Therapieprozess intensivieren und häufig beschleunigen. I. D. Yalom (1995) benennt als Wirkfaktoren der Gruppe: | Hoffnung einflößen | Universalität des Leidens | Mitteilung von Information | Altruismus | Die korrigierende Rekapitulation der primären Familiengruppe | Die Entwicklung von Techniken des mitmenschlichen Umgangs | Nachahmendes Verhalten. Das hier vorgestellte Therapiekonzept soll diese Vorteile der Gruppentherapie auch Patientinnen mit komplexer PTBS zugänglich machen. Im folgenden Kapitel beschreiben wir unsere bisherigen Erfahrungen mit der »Traumatherapie in der Gruppe« und geben Hinweise und Empfehlungen für die Gruppengestaltung. Beachten Sie bitte, dass die gruppentherapeutischen Elemente durch Einzeltherapie, die in der Regel 1 - 2 Sitzungen pro Woche umfasst, ergänzt werden. Die gemeinsamen Gruppensitzungen nennen wir Stabilisierungsgruppe, womit das Anliegen bereits umrissen ist. Die Gruppe, in der die Patientinnen sich ohne uns Therapeuten treffen, nennt sich Bezugsgruppe (ausführliche Beschreibung in den folgenden konzeptuellen Grundlagen einige Seiten später und im Arbeitsbuch). Hinzu kommen eine ganz auf das Üben ausgerichtete Imaginationsgruppe an zwei Tagen pro Woche, sowie zweimal wöchentlich Qigong. Auch diese beiden Gruppen unterstützen die Ressourcenaktivierung und Selbstberuhigungskompetenz. Zum Schluss der Einleitung noch zwei Hinweise: Wir werden im ganzen Buch die männliche und weibliche Form abwechselnd gebrauchen, gemeint sind i. d. R. beide Geschlechter. Kapitel I Traumatherapeutisches Arbeiten in der Gruppe Christian Firus und Christian Schleier 1. Behandlungsprinzipien, Indikation und Setting Stabilisierung Die traumatherapeutische Gruppentherapie ist eine Verbindung von Psychoedukation und interaktioneller Gruppentherapie. Selbstverständlich gelten auch in dieser Gruppe in besonderem Maße die von Yalom beschriebenen Faktoren von therapeutischer Unterstützung im Rahmen einer interaktionellen stationären Gruppenpsychotherapie. »Der Therapeut muss in der Gruppe eine Atmosphäre schaffen, die als konstruktiv, warm und unterstützend empfunden wird. Die Patienten müssen sich in der Gruppe sicher fühlen. Sie müssen lernen, der Gruppe zu vertrauen. Sie müssen die Gruppe als einen Ort erfahren, wo man ihnen zuhört, sie akzeptiert und versteht.« (Yalom, 1995, S. 160) Yalom verweist an gleicher Stelle darauf, wie wichtig der respekt- und würdevolle Umgang gegenüber dem Patienten ist, wie sehr es um Wertschätzung, Empathie und Akzeptanz geht, die sowohl verbal wie nonverbal zum Ausdruck kommt. (Yalom, S. 163 f.) Dass diese therapeutischen Grundsätze in einer ganz besonderen Weise für den Umgang mit traumatisierten Patientinnen gelten, versteht sich von selbst. Die Vulnerabilität der Patienten ist eben noch größer und bedarf deswegen besonders der beschriebenen Grundhaltung. Elemente von Psychoedukation bieten viele Vorteile: In einer Gruppe von ähnlich Betroffenen wird gemeinsam an verschiedenen Themen gearbeitet, ohne dass der Einzelne sich mit persönlichen Details einbringen muss, wovon eine interaktionelle Gruppe hingegen lebt. Es werden verschiedenste Informationen mit einer Haltung vermittelt, die das Gefühl entstehen lassen, dass die Symptomatik, an der jeder leidet, erklärbar, verstehbar und beeinflussbar ist. Damit knüpfen wir an die von A. Antonovsky beschriebenen salutogenetischen Faktoren an, die sich als gesundheitsförderlich und resilient und somit insbesondere für traumatisierte Menschen als höchst bedeutungsvoll erwiesen haben. Es ist beispielsweise immer wieder aufs Neue beeindruckend zu erleben, wenn Patienten das Phänomen der Dissoziation erarbeiten und dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass sie nicht verrückt sind, wenn sie unter solchen Symptomen leiden, die sie bisher häufig schamhaft verschwiegen haben. Nicht selten schämen sie sich für den Verlust der Selbstkontrolle oder für impulsives Verhalten. Die Gruppe eignet sich sehr gut für die im wahrsten Sinne »notwendige« Vermittlung der Erklärungsmodelle. Wir verwenden dabei auch einen Flipchart und nutzen das Arbeitsbuch mit seinen Arbeitsblättern, um die Themen gemeinsam mit den Patienten zu erarbeiten. Andere Themen erfordern mehr Zurückhaltung seitens der Therapeutinnen: Die Stunde zu hilfreichen Ritualen und Trost lebt von den Beiträgen der Patientinnen. Aktualisiert sich hingegen ein interpersonelles Thema, begeben wir uns in die Rolle des klassischen Gruppentherapeuten und regen einen interaktionellen Prozess an. Wir haben bisher gute Erfahrungen mit einem flexiblen Pendeln zwischen Elementen traditioneller interaktiver Gruppentherapie und strukturierter Informationsvermittlung gemacht. Die als Selbsthilfe gedachte Bezugsgruppe, die ohne therapeutische Begleitung stattfindet, oder auch der vielschichtige therapeutische Alltag bieten immer wieder Anlass zu Konflikten, die dann entsprechend dem TZI-Grundsatz »Störungen haben Vorrang« in der nächsten Gruppenstunde aufgegriffen werden. Aus unserer Haltung heraus betrachten wir diese nicht als hinderlich, sondern vielmehr als Möglichkeiten der korrigierenden Beziehungserfahrung. Der Vorteil von diesem gewissermaßen behutsamen interaktionellen Vorgehen ist auch, dass die Patientinnen im Miteinander neue Lösungswege erarbeiten können und durch die Therapeutinnen eine oftmals neue Haltung und Umgehensweise kennenlernen. An dieser Stelle sei allerdings darauf verwiesen, dass Konflikte unter den Patienten in der Bezugsgruppe die Ausnahme waren und die gegenseitige Unterstützung die bei Weitem dominierende Erfahrung. Immer wieder gelingt es den Patienten, auch schwierige Mitpatienten in die Gruppe aufzunehmen und zu integrieren, sodass diese dann manchmal nach Wochen äußern, sich verstanden und angenommen zu fühlen. Oft haben wir diese Erfahrung bei Patienten mit Migrationshintergrund gemacht, die aufgrund von Sprachschwierigkeiten manchmal Mühe hatten, inhaltlich zu folgen, durch die Aufnahme in die Patientengemeinschaft dann eine Erfahrung von Zugehörigkeit machen konnten, die vermutlich mindestens ebenso wirksam war! So ließ sich eine Festlegung hinsichtlich Psychoedukation oder Interaktioneller Gruppentherapie in der Praxis nicht aufrechterhalten, vielmehr zeigte sich im therapeutischen Alltag wie so oft, dass sich scheinbar Gegensätzliches ergänzt und befruchtet. Ressourcenorientierung Unsere systemische Grundhaltung impliziert schon per se eine Ressourcenorientierung. Sie ist aber auch aus anderen Gründen sinnvoll und hilfreich. So vertreten wir unseren Patienten gegenüber immer wieder die Haltung, dass sie ohne die Nutzung von Ressourcen und Resilienz gar nicht vor uns säßen, dass allein die Tatsache, sich für Therapie zu entscheiden, eine bedeutsame Ressource darstellt und dass die Traumata ohne Ressourcen nicht überlebbar gewesen wären! Der wesentliche Unterschied nun allerdings besteht darin, das bisher eher implizite Wissen über Ressourcen explizit nutzbar und anwendbar zu machen. Hierzu dienen insbesondere verschiedene Arbeitsblätter, die unseren Patienten helfen sollen, diesen impliziten Schatz zu heben. Auch hier erleben wir häufig Verwunderung und Erstaunen darüber, dass wir als Therapeuten Fähigkeiten wertschätzen, denen unsere Patienten bisher keine Bedeutung beigemessen haben. Und wie so häufig zeigt sich hier wieder die Kraft der Gruppe, wenn Patientinnen sich gegenseitig auf ihre Ressourcen hinweisen, was in der Regel nochmals eine ganz andere Bedeutung und Wirkung hervorruft als der Hinweis von uns Therapeuten, von denen man das vielleicht schon von Berufs wegen erwartet! Beispiel Eine Patientin bemerkt bei der Besprechung des Themas, dass sie über keine Ressourcen verfüge. Anstelle der Gruppenleiter mischt sich eine Mitpatientin ein und berichtet, wie liebevoll und zugewandt sie ihre Mitpatientin in den letzten Tagen gegenüber ihrem Hund erlebt hätte. Die Angesprochene reagiert darauf mit einem verhaltenen Lächeln! Ressourcen sind auch deswegen von so unschätzbarer Bedeutung, weil sie das vorhandene Leid besser verarbeiten helfen. Wie auf einer Wippe bewegen wir uns unserer therapeutischen Haltung entsprechend mal mehr auf der Seite des Leidens, mal mehr auf der Seite der Ressourcen und Bewältigungskompetenzen. Diese Balance prägt unsere Grundhaltung und durchzieht das therapeutische Handeln, sie ermöglicht, flexibel auf die Gruppenstimmung einzugehen bzw. diese zu beeinflussen. Hierfür ist es notwendig, dass die Therapeutinnen mit den Inhalten des Arbeitsbuchs vertraut und gleichzeitig dazu in der Lage sind, die Gruppenstimmung und die eigenen Gegenübertragungsgefühle wahrzunehmen und zu nutzen. So kommt es gelegentlich vor, dass wir das gegenwärtige Gruppenthema bei hoher Gruppenspannung durch eine einfache, spielerische Übung unterbrechen. Wir nutzen hierfür z. B. das Zuwerfen von Säckchen oder die Weitergabe von Klatschsignalen, die ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit fordern und dadurch die Anspannung reduzieren helfen. Anschließend vergewissern wir uns über den Erfolg der Übung, verweisen auf deren Ressourcencharakter - mit eigenen ein fachen Mitteln tätig werden - und fahren mit der Gruppenstunde fort. Bessel van der Kolk sagt, das Wichtigste sei, dass Traumapatienten mit anderen Menschen neue gute Erfahrungen machen. Das ist wohl der Gewinn von Gruppentherapie! (Mündliche Mitteilung von Luise Reddemann) Indikation Welche Patienten eignen sich für die hier beschriebene Gruppentherapie und welche nicht? Folgende Kriterien sprechen für eine Aufnahme in die Gruppentherapie: | Hyperarousal und/oder dissoziative oder stark intrusive Symptomatik | Motivation, an der Thematik aktiv mitzuarbeiten, was trotz der Tatsache, dass in der Gruppe nicht über traumatische Ereignisse gesprochen wird, damit verbunden ist, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, weil diese innerlich stets wie ein Film in einem parallelen Monitor mitläuft. | Ausreichend differenzierte Sprachkenntnisse, ohne die ein Verständnis der mitunter sehr komplexen Thematik nicht möglich ist. | Bereitschaft, den Therapievertrag einzuhalten, was insbesondere therapiegefährdendes Verhalten, suizidales Kommunizieren oder gar Handeln ausschließt und die bewusste Entscheidung für »antidissoziatives« Handeln erfordert. | Eine Borderlinesymptomatik mit Selbstverletzungsneigung wird in unserem Klinikkontext im Rahmen der Dialektisch-behavioralenTherapie nach Linnehan behandelt. Wichtig für unsere Arbeit ist, und dies sollte beachtet werden, wenn man dieses Konzept in einen institutionellen Rahmen integrieren möchte, dass das beteiligte therapeutische Team die Grundzüge der Arbeit kennt und mitträgt. Dies setzt voraus, dass das therapeutische Team am besten im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen über die Grundzüge der Traumatherapie in Kenntnis gesetzt und geschult werden sollte, da nur so eine optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen möglich wird. So ist es unbedingt notwendig, dass jeder im Team mit dem Thema Dissoziation etwas anzufangen weiß und die den Patienten vermittelten Techniken des Dissoziationsstopps auch kennt und anwenden kann. Die Arbeit mit der Spannungskurve kann beispielsweise sehr gut von den Bezugspflegekräften übernommen werden. Auch sollten die Imaginationsübungen allen im Team bekannt sein, dies gilt insbesondere auch für den Nachtdienst, der mitunter erhebliche Krisen gemeinsam mit den Patienten meistert. Kriseninterventionen müssen jedoch zeitlich und inhaltlich begrenzt werden und dürfen nicht in Konkurrenz zur regulären Therapie treten. Nicht zuletzt sollte niemand im Team die Existenz von Traumafolgestörungen bis hin zur Dissoziativen Identitätsstörung (multiplen Persönlichkeitsstörung) in Frage stellen. Gestaltung der Gruppenatmosphäre Unsere Position hinsichtlich traumatherapeutischer Gruppentherapie ist eindeutig: Die Gruppe soll als stabilisierend und unterstützend erlebt werden. Die Teilnehmerinnen sollten in einer möglichst angstfreien Atmosphäre die Erfahrung machen, dass in der gemeinsamen Auseinandersetzung neue Wege und Lösungen auffindbar sind. Das primäre Augenmerk der leitenden Therapeuten liegt daher aufder gegenwärtigen Gruppenstimmung. Je nach emotionaler Befindlichkeit der einzelnen Gruppenmitglieder kann das gleiche Gruppensystem zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedliche Stimmungen erzeugen. Manchmal reicht die für alle spürbare Anspannung einer einzelnen Person, die sich innerhalb kürzester Zeit auf die ganze Gruppe überträgt! Die empathische Wahrnehmung dieser Stimmungen kann in der Therapie traumatisierter Menschen nicht feinfühlig genug sein und ist für das Gelingen einer Gruppenstunde unabdingbar.Die Therapeutinnen sollten die Gruppe sehr wach und aufmerksam beobachten und auch die eigenen Empfindungen und Gedanken reflektieren. Das multiperspektivische kotherapeutische Setting und auch die wachsame Analyse der eigenen Gegenübertragung sind notwendiger Bestandteil der therapeutischen Arbeit in der Gruppe. Je nach Einschätzung der Gruppenstimmung ist eine Anpassung der therapeutischen Prioritäten notwendig. Wird die Gruppe von emotionaler Anspannung und Angst beherrscht, bedarf es einer beruhigenden Intervention. Psychoedukative Inhalte sind dann nachrangig zu behandeln. Beispiel Schon während des Aufschließens des Gruppenraums fiel mir (Ch. S.) auf, dass die wartenden Patienten sich nicht wie gewöhnlich unterhielten und dann auch schweigend den Raum betraten. Schnell breitete sich eine gedrückte Stimmung aus und veranlasste mich, meinen Eindruck durch einen kurzen Blick zur Kotherapeutin zu validieren. Sie schien ähnlich zu empfinden, sodass ich die Gruppe mit den Worten einleitete: »Ich habe den Eindruck, dass Sie heute unter hoher Anspannung hergekommen sind, täusche ich mich da?« Fast alle Teilnehmer bestätigten die Vermutung durch einen kurzen Satz oder eine Geste. Da wir sehr um einen strukturierten Gruppenablauf bemüht sind, frage ich weiter: »Ist es Ihnen dennoch möglich, zunächst eine 3-minütige Achtsamkeitsübung durchzuführen?« Wir holten von jeder Patientin die Zustimmung ein und begannen mit einer einfachen Übung. Im Anschluss überprüften wir, ob die vorherige Anspannung etwas mit der Gruppe zu tun hätte und ob es ihrer Einschätzung nach hilfreich sei, die Gruppenstunde zur Klärung zu nutzen. Alle bestätigten die diesbezügliche Notwendigkeit. Es stellte sich heraus, dass es am Vorabend einen Konflikt zwischen zwei Gruppenmitgliedern gegeben hatte und dass eine dritte Beteiligte sich für die Eskalation des Konfliktes verantwortlich fühlte. Wir räumten der Klärung eine ganze Stunde Zeit ein. Jeder kam ausführlich zu Wort, wir moderierten und ermutigten zu einer konstruktiven Ausdrucksweise. Wir wertschätzten die unterschiedlichen Perspektiven und konnten den Konflikt schließlich auf ein kommunikatives Missverständnis zurückführen. Die Stunde wurde von allen Beteiligten als wertvolle Erfahrung empfunden. Gruppengröße Die Gruppengröße ist ein bedenkenswerter Faktor für das Gelingen einer Traumagruppentherapie. Wir streben eine Gruppengröße von 7 - 8 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an. Die optimale Gruppengröße ist jedoch von verschiedenen Bedingungen abhängig und kann in einem anderen Kontext variieren. Bedeutsam ist dabei die Raumsituation, die im ungünstigen Fall bereits Trigger sein kann: Es darf nicht beengt sein, und alle Beteiligten sollten sich gegenseitig sehen sowie einen freien Weg zur Tür haben. Der Raum darf aber auch nicht zu groß sein, da sonst kein behagliches Gefühl entstehen kann. Die Tür sollte geschlossen, aber auf keinem Fall abgesperrt sein. Störungen von außen, insbesondere laute Geräusche oder unerwartetes Anklopfen, müssen vermieden werden. Ein entsprechendes Türschild kann diesbezüglich nützlich sein. Wir haben uns auf den Impuls der Patientinnen hin dazu entschieden, an Tischen zu sitzen, die den Vorteil von mehr Schutz und Geborgenheit bieten. Das Sitzen im Stuhlkreis wurde teilweise als sehr unangenehm erlebt. Weiterhin kommt es darauf an, ob die Gruppe geschlossen oder offen ist. Offen bedeutet, dass jederzeit neue Gruppenmitglieder hinzukommen können. Das offene Setting ist im Rahmen von Kliniken mit Aufenthaltszeiten von wenigen Wochen meist das einzig mögliche. Es verlangt von den Patientinnen allerdings immer wieder neu Vertrauensbildung und Beziehungsgestaltung. Eine Gruppengröße von 7 - 8 Patientinnen hat sich im offenen Setting bewährt. Eine geschlossene Gruppe, die über einen längeren Zeitpunkt mit den gleichen Patienten besetzt ist, kann möglicherweise mit mehr Teilnehmern funktionieren. Schließlich ist die Gruppengröße von der Stabilität der Patienten abhängig. Je instabiler die Teilnehmer, umso kleiner sollte die Gruppe sein. Wird die Gruppe allerdings zu klein (< 4), gehen die Wirkfaktoren der Gruppe verloren. Beispiel Wir konnten fast immer erfreut feststellen, wie sich die Patientinnen der Stabilisierungsgruppe in recht kurzer Zeit anfreundeten und einander hilfreich unterstützten. Die Integration neuer Patientinnen gelang der Gruppe fast immer. Als sehr hilfreicher »Integrationsraum« dient dabei die Bezugsgruppe, in der sich die Patientinnen ohne Therapeuten treffen. Mehrfach konnten wir erleben, dass die verbindliche Teilnahme an der Bezugsgruppe unabdingbar ist. Wenn Patientinnen nicht zuverlässig an der Bezugsgruppe teilnehmen, wird dies als fehlende Wertschätzung erlebt und führt leicht zur Ausgrenzung. Die Bezugsgruppe wiegt diesbezüglich schwerer als die von Therapeuten gestalteten Gruppen. Haltung der Gruppentherapeuten Viele PTBS-Patienten haben bereits unerfreuliche Erfahrungen in medizinischen Institutionen gemacht. Der diesbezügliche »Klassiker« ist vermutlich die unempathische Notfallversorgung einer Selbstverletzung oder das Unverständnis für jegliche Form der Dissoziation. Traumatisierte Menschen fühlen sich häufig unverstanden und begegnen Helfern mit Skepsis. Gruppentherapeutinnen sollten den Patientinnen sehr freundlich, respektvoll und wertschätzend begegnen - und dabei authentisch bleiben. Unechte Freundlichkeit wird von traumatisierten Menschen sofort bemerkt und untergräbt die therapeutische Beziehung. Es sollte selbstverständlich sein, dass entsprechende Inkonsistenzen und Probleme in regelmäßiger traumaspezifischer Supervision zeitnah bearbeitet werden. Die Gruppentherapeuten präsentieren die Gruppentherapie als Angebot und laden dazu ein. Die Patientinnen dürfen sich in Kenntnis der Rahmenbedingungen freiwillig und ohne Druck für das Therapieprogramm entscheiden. Ausprobieren ist erlaubt und ein bedingungsloser Ausstieg aus dem Programm jederzeit möglich. Unser Gruppenprogramm basiert auf der Hoffnung, hilfreich zu sein. Ob dies zutrifft, kann nur jeder selbst entscheiden. Die Therapeuten sollten weder sehr abstinent und zurückhaltend noch instruktiv oder gar manipulativ sein. Dominantes Verhalten ist mit Traumatherapie nicht zu vereinbaren, da es in der Regel Angst und in der Konsequenz Unterwerfung oder Flucht auslöst. Die Gruppenteilnehmer sollten sich sicher und frei fühlen. Eine wachsame und dynamische Anpassung der therapeutischen Aktivität an die aktuelle Gruppendynamik ist hilfreich. Patienten, die unbeteiligt sind oder abwesend wirken, sollten angesprochen werden. Im Idealfall wäre die Aufmerksamkeit der Therapeuten auf alle Gruppenmitglieder gleich verteilt. In jedem Fall sollte die Haltung der Therapeuten Sicherheit vermitteln. Auch gemeinsames Lachen kann diesbezüglich hilfreich sein. Das Verhalten der Therapeutinnen sollte transparent und einschätzbar sein. Dazu trägt ein hoher Strukturierungsgrad der Gruppengestaltung bei. Hinweise auf die zeitliche Ausdehnung der Übungen sind hilfreich, Erklärungen und Ankündigungen des eigenen Verhaltens wünschenswert: wenn man zum Beispiel aufstehen möchte, um ein Fenster zu öffnen. Hinsichtlich der sprachlichen Ausdrucksweise ist es natürlich erforderlich, eine Passung herzustellen. Die Sprache der Therapeuten sollte einfach und mit vielen Beispielen und Metaphern versehen und der Aufmerksamkeitsspanne der Patientinnen angepasst sein. Wir fragen dennoch häufig nach, ob das Besprochene verständlich ist. Gedanken müssen wiederholt und Meinungen diskutiert werden. Die Patienten sollten vor allem in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden. Das erfordert oft auch die Öffnung und wertschätzende Konnotation anderer Sichtweisen. Beispiel Ein häufiger Diskussionspunkt ist die Antwort auf die Frage, ob Dissoziation durch frühzeitige Spannungsregulation vermeidbar ist. Wir behaupten, dass es möglich ist. Aber es macht keinen Sinn, starr bei diesem Standpunkt zu bleiben. Wie können letztendlich nur von unserer tatsächlichen Erfahrung berichten, dass viele Patienten diesbezüglich Kontrolle zurückgewonnen haben. Nicht selten berichten Patientinnen am Ende eines Aufenthaltes, dass ihnen genau das gelungen ist! Bedeutung von Rahmung und (Zeit-)Struktur Wir halten eine möglichst klare zeitliche und organisatorische Struktur aller Elemente des Gruppenprogramms für hilfreich. Stabilisierungsgruppe und Bezugsgruppe beginnen mit einer Achtsamkeitsübung und enden mit einer Imagination. Nach der Achtsamkeitsübung fragen wir nach aktuellen Anliegen, schlagen das Thema der Stunde vor und besprechen gegebenenfalls die zeitliche Aufteilung der Stunde. Wir bemühen uns um einen pünktlichen Beginn und Schluss. Wir bitten die Patienten um entsprechende klare Gestaltung der Bezugsgruppe: Sie sollte zeitlich ebenso klar begrenzt sein und im vorgesehenen Raum stattfinden. Die Therapie sollte für die Teilnehmer möglichst wenig Unwägbarkeiten enthalten und vorhersehbar sein. Traumatisierte Menschen mussten meist lange Zeiten in Angst aushalten, in denen sie nicht wussten, was passiert, und keine Kontrolle über das Geschehen hatten. Sie fühlen sich wesentlich besser in kontrollierbaren Situationen. Beispiel Eine spontane Verlegung der Bezugsgruppe an einen anderen Ort oder eine Ausdehnung der vorgegebenen Zeit empfehlen wir nicht. Ent sprechende Versuche unserer Patienten endeten meist negativ. Beispielsweise wollten einige Patientinnen die Bezugsgruppe statt im Gruppenraum in einem Café abhalten. Eine Patientin hatte Angst, das Klinikgelände zu verlassen, konnte das aber nicht artikulieren. Sie ging nicht mit ins Café und fühlte sich ausgegrenzt. Das Verlassen der Gruppensitzung Alle Patienten haben die Möglichkeit, in für sie schwierigen Situationen die Gruppensitzung kurzfristig zu verlassen, z. T. werden sie dabei von einer Therapeutin begleitet, die klären hilft, welche Unterstützung notwendig ist und den Wiedereinstieg in die Gruppe erleichtern soll. Diese grundsätzliche Möglichkeit ist für viele Patienten sehr entlastend, haben sie doch leider allzu oft erlebt, unerträglichen Situationen nicht entrinnen zu können. Die Regelung trägt mit dazu bei, dass von ihr gar nicht so häufig Gebrauch gemacht wird. Auf der anderen Seite bedeutet jedes Hinausgehen eine Unterbrechung für alle mit vielfältigen Implikationen! Eine Patientin formulierte es einmal folgendermaßen: »Immer wenn einer rausgeht, verlässt auch ein Teil von mir die Gruppe.« Was sie damit sagen wollte, war Folgendes: Einerseits beschäftigte sie die Befindlichkeit der Mitpatientin verbunden mit der Frage, ob sie irgendwie helfen könne, andererseits kreisten ihre Gedanken darum, ob vielleicht sie selbst mit irgendeiner Äußerung dazu beigetragen haben könnte, dass ein anderer die Gruppe verlassen muss, mit anderen Worten: Schuldgefühle, ohnehin bekannte Begleiter, meldeten sich! Und schließlich tauchten auch Gedanken auf wie: »mir ist manchmal auch danach ...« Dass all dies vom weiteren Gruppengeschehen ablenkt, versteht sich von selbst! Eine weitere Beobachtung erschwert den Umgang mit dieser Thematik: Verlässt erst einmal die erste Patientin den Raum, folgen oft weitere! Dies wird therapeutischerseits begünstigt durch die Tatsache des begleiteten Verlassens und der damit verbundenen Zuwendung, die im Sinne der Verstärkung den unbewussten Wunsch eben einer solchen Zuwendung auch bei anderen induzieren kann. Andererseits beobachten wir manchmal in unterschiedlichen Kontexten ein Mimikry-Phänomen, d. h., eine bestimmte Verhaltensweise wird von anderen aufgegriffen und nachgeahmt. So erlebten wir, dass eine Patientin mehrfach derart heftig dissoziierte, dass sie jeweils wie ein gefällter Baum zu Boden stürzte. Dieses Verhalten nahm im Laufe der Zeit deutlich ab und spielte zuletzt in der Gruppe keine Rolle mehr. Als sie sich dann vor der Abreise verabschiedete, kam es nach dem Ende ihrer letzten Gruppenstunde zu einem eindrucksvollen Ereignis: Eine andere Patientin dissoziierte auf genau die gleiche Weise beim Verlassen der Gruppensitzung im Türrahmen! Oftmals haben wir den Eindruck, dass derartige Phänomene auch etwas mit einer unausgesprochenen Konkurrenz um die »kränkeste« Position innerhalb der Gruppe zu tun haben, der nur durch wiederholte Wertschätzung aller an der Gruppe Beteiligten begegnet werden kann. Ganz vermeiden lassen wird sich dadurch ein solches Konkurrieren nicht. Wieder tut sich ein Dilemma auf: Soll man das Verlassen der Gruppensitzung möglichst vermeiden, oder nimmt man die Störung, die es immer bedeutet, in Kauf? Wir halten einen dritten Weg für hilfreich - die Metakommunikation, d. h., wir sprechen die hier geschilderte Problematik an und ermöglichen es damit der Gruppe, über die eigenen inneren »Zwickmühlen« zu sprechen: Ist es in Ordnung, der Gruppe mein Hinausgehen zuzumuten? Bin ich schuld an der Reaktion des anderen (wobei wir hier regelhaft erklären, dass jede noch so harmlose Äußerung zu einer solchen Reaktion führen kann und deshalb nicht vermeidbar ist, ja nicht einmal vermieden werden sollte, da hierdurch die Möglichkeit entsteht, auf Trigger anders als bisher zu reagieren)? Sollte ich unter Umständen auch Schwierigkeiten aushalten und damit bewältigen lernen, die ich bisher gemieden habe? Auf diese Weise löst sich das beschriebene Dilemma auf und erweitert die Sichtweise auf bisher einseitig problematisierte Befindlichkeiten oder Symptome! Metakommunikation Ambivalenzen (»Zwickmühlen«) lassen sich nur auflösen, wenn man sie benennt und über sie redet. Sie entspringen in der Regel den begrenzten Spielräumen unseres Denkens und Fühlens und haben viel mit Loyalität zu tun. »Ich will dir, meinem Mitpatienten, nicht wehtun, ich sehe die Situation zwar anders, halte aber meine Sichtweise zurück, damit ich dich nicht mit etwas verletze, von dem ich annehme, dass es dich verletzt.« So oder noch viel komplizierter sehen Gedankengänge von vielen Menschen aus. Defensive, häufig krank machende Verhaltensweisen sind die Folge. Traumatisierte Patientinnen können von solchen oder ähnlichen inneren Dialogen »ein Lied singen«. Sie sind meist mit den traumaauslösenden Situationen mehr oder weniger eng verbunden. Darüber zu reden ist somit in doppelter Weise ein Musterwechsel: das Schweigen wird gebrochen, und eine neue, dritte Lösung häufig im Sinne des Sowohl-als-auch wird sichtbar. Metakommunikation ermöglicht Patienten, im gedanklichen Innenraum neue Wege zu beschreiten, und verhandelt diese gleichzeitig öffentlich am »Gruppentisch«. Auch hier wird wieder deutlich, dass eine solche Erfahrung nur in einer begleiteten Gruppe gemacht werden kann und nicht in einer noch so hilfreichen Einzeltherapie. Konflikte zwischen Gruppenmitgliedern Patienten mit einer komplexen PTBS leiden unter hoher emotionaler Anspannung und empfinden gelegentlich die (räumliche) Nähe zu anderen Menschen als Stressor. Die Gruppensituation ist für traumatisierte Menschen per se eine Herausforderung. Die Regulation der emotionalen Anspannung ist erklärtes Ziel der Therapie und nicht von Anfang an vorhanden. Es ist daher zu erwarten, dass Patienten in Krisen geraten und auf dysfunktionale Verhaltensweisen zurückgreifen, die zu Konflikten führen. Selten treten solche Situationen auch im Rahmen der Gruppenstunde auf. In diesem Fall ist ein strukturierendes und entschiedenes Verhalten der Therapeutinnen notwendig, das klar auf die Einhaltung des Behandlungsvertrages rekurriert: Freundliches, respektvolles und wertschätzendes Verhalten ist eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen der Gruppe. Laute verbale Äußerungen sind nicht tragbar, da diese in traumatisierten Menschen häufig unmittelbar Dissoziationen oder Flashbacks auslösen. Patientinnen, die sich an diese Gruppenregeln nicht halten können,müssen aufgefordert werden, die Gruppe zu verlassen. Gab es eine Konfliktsituation, ist im Anschluss meist eine Nachbesprechung erforderlich. Die Therapeuten erklären die Notwendigkeit ihres strukturierenden Verhaltens und können ihrer inneren Ambivalenz Ausdruck verleihen. Krisensituationen können sinnvoll genutzt werden, indem sie als aktuelle Beispiele für die Kapitel Emotionsregulation oder Persönlichkeitsanteile dienen. So können die einzelnen Patienten beispielsweise gefragt werden, welche Gefühle ausgelöst und inneren Anteile aktiviert wurden. Die Antworten können dann am Flipchart auf einer »Inneren Bühne« notiert werden. Häufiger, als dass Konflikte offen ausgetragen werden, kommt es vor, dass bestehende Konflikte zwischen Patienten in der Gruppe nicht benannt werden, aber »atmosphärisch« wahrnehmbar sind. Vielen traumatisierten Menschen sind tabuisierte Konflikte aus der familiären Vergangenheit wohlbekannt. Sie mussten beispielsweise mit den Konfliktparteien oder Tätern am Tisch sitzen, nahmen Anspannung wahr, haben dabei emotionale Grenzzustände erlebt, durften oder konnten aber nichts sagen. Vergleichbare Situationen führen im späteren Leben schnell in unaushaltbare Gefühlszustände und schließlich zur Dissoziation. In der Gruppentherapie liegt hier die Chance, neue Lösungswege zu finden, statt in alte dysfunktionale Verhaltensmuster zurückzufallen. Entsteht also die Vermutung, dass es aktuell Konflikte gibt, sollten die Therapeuten vorsichtig nachfragen. Eine kurze Befindlichkeitsrunde oder das Verbalisieren der eigenen Wahrnehmung kann hierbei hilfreich sein. Trifft die Vermutung zu, kann eine moderierte und respektvolle Klärung der unterschiedlichen Perspektiven im Rahmen der Gruppe eine sehr wertvolle Erfahrung sein, die als Modell für die zukünftige Konfliktlösung dienen kann. Eine Konfliktursache im Rahmen der Gruppendynamik kann Rivalität sein. Einzelne fühlen sich vielleicht benachteiligt, zu wenig beachtet oder denken, dass andere bevorzugt behandelt werden. Es kann auch sein, dass jemand in der Gruppe eine zu dominante Führungsrolle übernimmt und von anderen als übergriffig erlebt wird. Ein anderer Grund kann die Wahrnehmung eigener ungeliebter Persönlichkeitsanteile im Verhalten der anderen sein. Die Gruppe wirkt häufig wie ein Spiegel, der die Teilnehmer mit den eigenen inneren Konflikten konfrontiert. Beispiel Eine Patientin kam aufgrund ausgeprägter Zwangssymptome häufig zu spät oder gar nicht zu den Gruppenterminen. Die zuständigen Therapeuten gewährten ihr einen höheren Spielraum als die Gruppe selbst. Eine offene Besprechung förderte Gedanken zutage, die Patientin würde sehr bevorzugt. Die Patientin versprach, in Zukunft pünktlich zu sein. Als sie dann doch nicht wie vereinbart zur Bezugsgruppe erschien, aber später bei einer anderen Aktivität gesehen wurde, war die Gruppe nicht mehr willens, die Patientin zu integrieren. Frauen und Männer in der Gruppe Zunächst begannen wir das hier beschriebene Gruppentherapiekonzept ausschließlich mit betroffenen Frauen. Wir taten dies aufgrund der Tatsache, dass die meisten komplex Traumatisierten ihr Leid meist durch Männer zugefügt bekamen, sodass wir ihnen deswegen bewusst einen Schonraum zugestehen wollten. Auf der anderen Seite wollten auch wir uns als Therapeuten zu Beginn eines solchen Projektes bewusst mögliche Schwierigkeiten, die durch Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene entstehen, ersparen.
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