It’s not easy being a Princess
Aufschrift auf dem Lieblingskissen
von Prinzessin Margaret
Kapitel eins
WIE REDET MAN KÖNIGE AN?
Ein Abendessen in Paris. Wir befinden uns in der alpinen Zone des europäischen Sozialgefälles. Madame Chirac, die Frau des ehemaligen Präsidenten, ist da, Lee Radziwill (die Schwester von Jackie O.), eine Handvoll Rothschilds, der Herzog von Marlborough, einer der vielen Brüder des saudischen Königs. Alles spricht also dafür, dass dies ein netter Abend wird.
Obwohl hier niemand ist, der sonderlich von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt wird, ist eine gewisse Nervosität spürbar. Denn der Ehrengast des heutigen Abends ist die zurzeit vielleicht glamouröseste Monarchin der Welt. Rania von Jordanien. Vor ihrer Ankunft gibt die Gastgeberin einem jungen Rothschild noch ein paar Anweisungen.
«Eine kleine Marschorder für später», sagt sie, «die Königin legt keinen gesteigerten Wert darauf, besonders behandelt zu werden. Also bitte keine allzu tiefen Verneigungen. Ein simpler Handkuss genügt.»
Ob man im Umgang mit ihr etwas beachten müsse, will er wissen.
«Tja, … nein, eigentlich nicht. Sie ist, wie gesagt, völlig unkompliziert. Allerdings müssen Sie wissen, dass die Königin sich über die geringfügigsten Kleinigkeiten aufregen kann. Also bitte etwas Vorsicht bei den Gesprächen.»
«Gibt es denn ein paar Anhaltspunkte? Ein Thema, das man besser umschiffen sollte?»
«Nein, nein, ich sagte doch, sie ist ganz unkompliziert, sehr aufgeschlossen, geradezu liebenswürdig. Manchmal kriegt sie halt etwas in den falschen Hals, da muss man eben ein bisschen aufpassen.»
«Aha, ich verstehe, aber wenn man nicht genau weiß …, ich meine, dann ist es doch schwer, überhaupt etwas zu sagen. Ach, und übrigens: Wie rede ich sie eigentlich an?»
«Also, das wäre schon mal ein grober Fehler. Selbstverständlich warten Sie, bis Sie angesprochen werden!»
«Natürlich, natürlich. Also, wenn ich ihr gegenübersitze, mit übereinandergeschlagenen Beinen, einen Drink in der Hand …»
Die Gastgeberin wird langsam nervös: «Mit übereinandergeschlagenen Beinen würde ich an Ihrer Stelle nicht dasitzen!»
Der junge Mann, inzwischen vollends verunsichert: «Vielleicht wäre es das Beste, ich würde gleich nach dem Essen verschwinden. Oder würde das unangenehm auffallen?»
«Nein, nein», sagt die Gastgeberin, «keineswegs.»
Ausgestattet mit diesen für den Umgang mit königlichen Hoheiten eigentlich universell geltenden Instruktionen, erwarten wir gespannt das Eintreffen Ihrer Majestät Rania Al-Abdullah, Königin von Jordanien, der Ehefrau des haschemitischen Herrschers und direkten Nachkommen des Propheten Mohammed, Abdullah II. bin Al-Hussein von Jordanien. Als sie endlich kommt, in einem hauchdünnen Chloé-Kleid, kaum Schmuck, dafür aber ein huldvolles Lächeln auf den Lippen und eine Hermès-Tasche unter dem Arm, lässt sie sich jeden Gast einzeln vorstellen. Als ich an der Reihe bin, murmele ich verlegen ein paar unverständliche Worte und verbringe den Rest des Abends in einer Art Trance.
Ich habe schon ein oder zwei wirklich schöne Frauen in meinem Leben gesehen. Aber Rania von Jordanien, that’s a whole new ballgame, wie man in Brooklyn sagen würde. Die Frau hat Charme. Und klug ist sie auch noch. Und dann diese aufreizend unnahbare Art. Als einer der Dienstboten mit einem Tablett neben ihr auftaucht, gebraucht sie gerade mal zwei Finger, um ihn fortzuscheuchen.
Den jungen Rothschild, der den Großteil des Abends neben ihr klebt und sie anhimmelt, würdigt sie keines Blickes. Ich glaube, so etwas nennt man in Paris allure. Sagt man in Paris von einer Dame, sie habe «allure», ist das bewundernd gemeint, das Wort hat hier eine ganz andere Bedeutung als das deutsche «Allüren». Im Laufe des Abends kommt es, wie es kommen muss, natürlich zu einem Fauxpas. Irgendjemand hat die Stirn, die Königin auf die Ressentiments anzusprechen, die man auch in aufgeklärten arabischen Kreisen gegenüber dem Westen hegt. Die Königin reagiert pikiert und verlässt das Abendessen vor dem Dessert.
Grundsätzlich ist es im Umgang mit königlichen Hoheiten empfehlenswert, gar nichts zu sagen. Nur dann kann man garantiert nichts falsch machen. Einmal habe ich erlebt, wie der Vetter meiner Frau, der «gefürchtete» Prinz Ernst August von Hannover, einem sogenannten Berliner Society-Event beiwohnte. Es war die «Aids-Gala», die jedes Jahr in der Deutschen Oper stattfindet. Irgendjemand hatte den Chef des Welfenhauses unvorsichtigerweise überredet, daran teilzunehmen. Ich konnte beobachten, wie eine der hiesigen Society-Größen ihn von der Seite anredete: «Wie soll man Sie eigentlich ansprechen?» Er würdigte ihn keines Blickes und sagte: «Am besten gar nicht!» Damit sprach er gelassen eine große Wahrheit aus.
Sein Onkel Prinz Georg von Hannover, der langjährige Direktor des Internats Salem am Bodensee, löste das Problem anders. Nie ließ er es sich entgehen, persönlich am traditionellen Hockey-Turnier Lehrer gegen Schüler teilzunehmen, seine Mitspieler hatten aber verständlicherweise enormen Respekt vor ihm und haderten mit der Frage, wie sie ihn auf dem Spielfeld rufen sollten. «Herr Direktor», «Königliche Hoheit» oder auch nur «Hoheit» war im Eifer des Spiels eher unpraktisch. Also legte er sich – für die Dauer des Spiels – ein Pseudonym zu: Max Pumpe. Mit diesem Namen ging der legendäre – und sehr sportliche – Direktor von Salem in die Annalen des Internats ein.
Im Grunde genommen ist es ein schmerzliches Defizit der deutschen Sprache, dass man hier niemanden höflich ansprechen kann, ohne seinen Namen zu wissen, «mein Herr» klingt ja leider etwas sehr kellnerhaft. Seit der Barockzeit hat sich im deutschen Sprachraum eine Anredevielfalt entwickelt, die es jedem, der sich nicht in sämtlichen Verzweigungen des Zeremoniells auskannte, fast unmöglich machte, die richtige Anrede zu finden. Die deutsche Neigung, die Anredeformen («hochfürstliche Durchlaucht», «erlauchtigste Majestät» …) ins Phantastische zu komplizieren, hat dazu geführt, dass jeder, der nicht zum Hofmarschall berufen ist, der Frage der korrekten Anrede von königlichen Hoheiten mit Unsicherheit und Unbehagen gegenübersteht – mit dem Ergebnis, dass das ganze Thema als Last empfunden und gleich alle Form über Bord geworfen wird. Als Königin Silvia von Schweden einmal bei «Wetten, dass …?» auftrat (hier bitte ein Stirnrunzeln dazudenken!), wurde sie von Thomas Gottschalk hartnäckig als «Hoheit» angeredet – und das war eben falsch. Hoheiten sind allenfalls die Mitglieder an der Peripherie einer Königsfamilie. Es gibt eine richtige Anrede: «Herr». Beziehungsweise: «Herrin». Streng genommen gibt es überhaupt keinen höheren Titel als «Herr». Eine Königin ist also «Herrin», «Madam», «Madame», «Señora» oder auf Schwedisch «Mästarinna».
In England spricht man den König als «Sire» an (ausgesprochen «Sai-er»), die Königin als «Madam» (ausgesprochen «M’am» wie Mäm). In Frankreich lautete die Anrede für den Chef des Hauses Bourbon «Sire» (ausgesprochen «Ssihr») und für seine Frau «Madame» (was ja eine Kurzform von «Mea Domina» ist, also eigentlich: «meine Herrin»), in Spanien «Señor» beziehungsweise «Señora».
In Russland wurde der Zar von den Bauern früher übrigens geduzt, also «Zar» und «Du». Das galt als besonderes Privileg der Bauern, die den Zaren auch zärtlich «Väterchen Zar» nannten.
Die Frage der Anrede von gekrönten Häuptern führt uns zu einer anderen Nuss, die noch zu knacken wäre. Was tut man eigentlich, wenn man in die Verlegenheit gerät, einem König oder einer Königin etwas schenken zu müssen? Die Antwort: entweder etwas absurd Extravagantes, ganz und gar Überflüssiges und sehr, sehr Teures. Oder einen gänzlich wertlosen Scherzartikel. Aber keinesfalls etwas, das irgendwie dazwischenliegt! Maßstäbe gesetzt in puncto passende Geschenke für Könige hat der Kalif Harun Al-Rashid, dessen Herrschaftsbereich zu Beginn des 9. Jahrhunderts von den Ufern des Indus bis zu den östlichen Gipfeln des Atlas reichte. Als ihm ein Gesandter vom Hofe Karls des Großen seine Aufwartung machte, war der Kalif entzückt über diese Abwechslung und gab dem Mann aus dem fernen Abendland einen weißen Elefanten für den Frankenkönig mit auf dem Weg. Der Elefant namens Abul Abbas überlebte die lange Reise sogar, und als er in Aachen ankam, wurde er zu der Sensation an Karls Hof. Karl war begeistert von dem Geschenk und führte den Elefanten auf Reisen gern als dekoratives Element mit sich. Erst Jahre später zog sich Abul Abbas leider eine Lungenentzündung zu und ging ein. In Aachen ist man bis heute stolz darauf, den ersten Elefanten nördlich der Alpen besessen zu haben.
Ein ähnlich gelungenes Geschenk brachte Sigismund II. von Polen Ferdinand I. von Österreich mit, als er diesen 1540 in Wien besuchte: das fast zweieinhalb Meter lange Horn eines Einhorns. Bis ins 17. Jahrhundert, als ein spielverderberischer dänischer Naturforscher namens Ole Worm nachwies, dass es sich bei den damals hundertfach in Gold aufgewogenen Geweihen des Fabeltiers in Wahrheit um Stoßzähne von Narwalen handelte, galt das Geweih eines Einhorns als kostbarste Substanz auf der Welt. Bis dahin zweifelte niemand an der Existenz des «seltenen» und «scheuen» Tieres, und man sprach ihm magische Fähigkeiten zu. Man...